Diversität in der Sozialen Arbeit. Beate Aschenbrenner-Wellmann

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Diversität in der Sozialen Arbeit - Beate Aschenbrenner-Wellmann

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auf die Ebene konkreter Lebenswelten bedeutet Integration, dass Einzelpersonen oder ganze Gruppen gleichberechtigte Möglichkeiten der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und der Artikulation ihrer Interessen erhalten und vor individueller und kollektiver Ausgrenzung geschützt werden. Integrationspolitik ist im Kern Herstellung von Chancengleichheit« (Piening 2005).

      Teilhabe bzw. Partizipation ist ein demokratietheoretischer Begriff und bezeichnet die Beteiligung und bewusste Mitwirkung von Einzelnen und Gruppen an Entscheidungen und Entscheidungsprozessen. Sie ist sowohl im alltäglichen sozialen wie auch im politischen Leben möglich. Zusammenfassend handelt es sich bei Partizipation um einen Prozess von der Nichtinformation über Information, Mitsprache und Mitbestimmung hin zur Selbstbestimmung. Betroffene zu Beteiligten zu machen schafft Identifikation und Bindung. Somit kann Partizipation definiert werden »als verantwortliche Beteiligung der Betroffenen an der Verfügungsgewalt über ihre Gegenwart und Zukunft« (Stange/Tiemann 1999: 215). Hierzu muss die Gesellschaft jedoch gewillt sein,

      »sich als Gefüge von Vielfältigkeiten zu verstehen und sich auf die Eigenheiten der jeweiligen Lebenswelten einlassen, sie muss die in ihnen erbrachten spezifischen und eigensinnigen Bewältigungsleistungen respektieren. Das scheint trivial, ist es aber in gegebenen Verhältnissen durchaus nicht. Die Eigenheit von Lebenswelten muss behauptet werden gegen die Normierungszwänge im Zeichen einer dominanten Lebenswelt; wie schwierig das ist, zeigen die Auseinandersetzungen um Integration und Leitkultur« (Thiersch 2011: 54).

      In Zeiten der Globalisierung und gesellschaftlicher Wandlungsprozesse kann heute nicht mehr von einer »Leitkultur« ausgegangen werden. Denn es bestehen »verschiedene Normen und Werte nebeneinander, die durch Schicht- und Milieuzugehörigkeit, bestimmte Interessenslagen oder Lebenseinstellungen geprägt sind, […] die sich stetig ändern. Auch Migranten sind keine einheitliche kulturelle Gruppe« (Brinkmann/Sauer 2016: 5). Doch »die herrschende Kultur ist die Kultur der Herrschenden […]. Dominanz macht rücksichtslos und stark« (Thiersch 2011: 54).

      Praxisbeispiel: Möglichkeiten der Partizipation mit Geflüchteten (z. B. in der Einzelfallhilfe)

      Anstehende Entscheidungen werden zwischen Sozialarbeiter_in und Geflüchteten besprochen und abgestimmt. Geflüchtete nehmen ihr Recht wahr, in bestimmten Bereichen Entscheidungen eigenständig zu treffen. Geflüchtete treffen alle wichtigen Entscheidungen selbst, können sich jedoch bei Bedarf Beratung einholen.

      → Wie weit das Recht auf Mitbestimmung reicht, ist jeweils abhängig vom Individuum!

      Die Bertelsmann-Stiftung hat in ihrer Studie »Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt. Messen was verbindet« aus dem Jahr 2014 das Ausmaß gesellschaftlichen Zusammenhalts in verschiedenen europäischen Ländern evaluiert. Für die vorliegende Publikation von besonderer Bedeutung ist hierbei die schwache Ausprägung bei der Akzeptanz gesellschaftlicher Diversität. Im Untersuchungszeitraum 1998 bis 2003 lag Deutschland in dieser Kategorie noch in der Spitzengruppe (ebd.: 6); in der neueren Untersuchung aus dem Jahr 2014 findet es sich nur noch im Mittelfeld wieder. Gerade aber die Akzeptanz von Vielfalt stellt ein herausragendes Kriterium für den gesellschaftlichen Zusammenhalt heterogener und moderner Gesellschaften dar. Wie weit wir davon entfernt sind, zeigen die ansteigende Zahl an Anschlägen auf Asyl- und Flüchtlingsheime seit dem Jahr 2015 und die Bedrohung, Beschimpfung von sowie Anschläge auf Politiker_innen, die sich für Deutschland als Einwanderungsland stark machen. In der Untersuchung der Bertelsmann Stiftung ist ebenfalls ein leichter Abwärtstrend bei den Dimensionen »Solidarität« und »Hilfsbereitschaft« zu verzeichnen. Auch dies sind Hinweise auf einen geschwächten gesellschaftlichen Zusammenhalt in einem »entsicherten Jahrzehnt«, wie auch in den Studien der Bielefelder Forscher_innengruppe um W. Heitmeyer zur »gruppengezogenen Menschenfeindlichkeit« diagnostiziert wurde (Bertelsmann Stiftung 2014).

      Gemeint ist hiermit, »daß das zurückliegende Jahrzehnt von Entsicherung und Richtungslosigkeit im Sinne einer fehlenden sozialen Vision markiert ist, in dem auch die schwachen sozialen Gruppen sowie solche mit spezifischen Lebensstilen eine Ideologie der Ungleichwertigkeit sowie psychische und physische Verletzungen erfahren haben« (Heitmeyer 2012: 19). Damit einher gehen Gefühle der Unüberschaubarkeit und Unkalkulierbarkeit der Märkte, Kontrollverluste der Politik und eine Entmachtung, die sich schließlich mit einer politischen und kulturellen Richtungslosigkeit sowie einem Verlust des gesellschaftlichen Zusammenhalts verbindet (ebd.).

      Neben der Forderung nach einer Wertschätzung von Vielfalt und der Akzeptanz Deutschlands als Migrationsgesellschaft können in Anlehnung an die Studie der Bertelsmann Stiftung als positive Rahmenbedingungen für gesellschaftlichen Zusammenhalt ein höherer ökonomischer Wohlstand, größere Einkommensgleichheit und die Etablierung einer modernen Wissensgesellschaft angesehen werden. Wohlstand bedeutet in diesem Zusammenhang: im Wesentlichen eine gerechte Einkommensverteilung; unter diesen Voraussetzungen stellen laut Meinung der Bertelsmann-Autor_innen Globalisierung und Zuwanderung keine Hindernisse für den gesellschaftlichen Zusammenhalt dar (Bertelsmann Stiftung 2014: 8).

      Lernaufgabe

      Überprüfen Sie, inwieweit sich »Ausländerfeindlichkeit«, Antisemitismus, Homophobie über unterschiedliche gesellschaftliche Schichten verteilt und begründen Sie Ihre Ergebnisse.

      2.2.6 Diversität als Lehr- und Lernherausforderung (didaktische und entwicklungsbeeinflussende Bedeutungsdimension)

      Für die Soziale Arbeit ist die Auseinandersetzung mit einer didaktischen Bedeutungsdimension von Diversität unerlässlich. Denn auf der einen Seite soll Soziale Arbeit Problemlösungen in zwischenmenschlichen Beziehungen fördern und dort eingreifen, wo Menschen mit ihrer Umgebung interagieren (Wendt 2017: 16). Um diese (Lern-)Prozesse zu gestalten braucht es auch immer eine Nähe zur und eine Auseinandersetzung mit der Didaktik. Zum anderen ist interkulturelle Soziale Arbeit inzwischen eine Querschnittaufgabe jeglicher Sozialer Arbeit geworden, da es durch die gesellschaftliche Globalisierung kein Handlungsfeld mehr gibt, das nicht von einer kulturellen Pluralität gekennzeichnet ist (Freise 2017: 20).

      Innerhalb der vorliegenden Bedeutungsdimension geht es zunächst einmal um die Frage, welche handlungspraktischen Konsequenzen die Akzeptanz von Diversität für Organisationen und die Gestaltung von Lernprozessen hat (Wischer 2009: 69, in Walgenbach 2014: 43). Hierbei sind Parallelen zu den Chancen von Diversität (image Kap. 2.2.3) zu erkennen, da diese Dimension auch für eine Anerkennung von Diversität plädiert. Wichtig für das pädagogische Handeln mit vielfältigen Gruppen ist immer auch die Auseinandersetzung mit den anderen beschriebenen Bedeutungsdimensionen von Diversität und eine Klärung bestehender Interdependenz-Verhältnisse.

      Praxisbeispiel: Heterogene Schulklasse

      Das Lehrpersonal adaptiert die Lernangebote an die Heterogenität der Schüler_innen, z. B. durch eine Differenzierung anhand verschiedener Methoden oder den vier verschiedenen Lerntypen (visuell, auditiv, haptisch, kommunikativ). Aber auch die bewusste Zusammensetzung von heterogenen Lerngruppen kann eine Möglichkeit sein, Vielfalt in den Lernprozess einzubeziehen (z. B. Kinder mit und ohne Assistenzbedarf oder mit und ohne Migrationshintergrund).

      Im Hinblick auf einen erfolgreichen Umgang mit Diversität, bspw. in Schulen und Hochschulen, bedeutet diese Betrachtungsweise eine langfristige Veränderung der Lehrmethoden durch neue Inhalte und Lernansätze sowie eine Veränderung der Rahmenbedingungen von Bildungseinrichtungen im Sinne einer Interkulturellen Öffnung. Um eine Nachhaltigkeit zu gewährleisten, müssen alle (hoch-)schulischen Bereiche wie Curricula, Materialien sowie Aus- und Weiterbildung von Dozierenden und Lehrkräften in Bezug auf die Vermittlung einer Interkulturellen und Diversitäts-

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