im Schlaraffenland. Heinrich Mann

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im Schlaraffenland - Heinrich Mann

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Unterredung verlässt, sieht er im Vorzimmer, wo kaum noch Möbel stehen, die Tochter am Fenster sitzen. Gleich darauf tritt er wieder bei dem Bankrottierer ein, zupft sich den Schnurrbart und sagt leicht verlegen:

      „,Herr Müller, es tut mir leid, wenn ich Ihnen lästig falle, aber ich muss Ihnen etwas sagen, dass Sie mich nämlich glücklich machen könnten, wenn Sie mir die Hand Ihrer Tochter geben wollen.‘

      „Der ruinierte Mann, der plötzlich für seine Tochter einen Millionär vom Himmel fallen sieht, greift sich an die Stirn, dann kommen ihm die Tränen, und dann fällt er vor seinem Retter auf die Kniee. Stellen Sie sich die Scene auf der Bühne vor! Ein Leckerbissen, was?“

      „Erstaunlich!“ sagte Andreas.

      „Und Sie müssen wissen, dass es Türkheimers ausgesprochene Absicht war, Blosch mit Asta zu verheiraten und ihn in die Firma aufzunehmen!“

      „Erstaunlich!“ wiederholte Andreas. „Und Blosch ist glücklich mit seiner Frau?“ fragte er.

      „Noch besser!“ sagte Klempner, „er hat sie noch nie betrogen. Eine Musterehe, sage ich Ihnen, wie sie nur in Kreisen vorkommen kann, wo die Ehe eigentlich als vorsintflutliche Einrichtung gilt!“

      Andreas hätte Klempner gern noch lange so fortreden lassen. Er blickte von der Schwelle, wo sie standen, mit einem unbestimmten Bangen in den Tanzsaal hinein. Es kam ihm vor, als ob hier eine Gefahr lauere, die den ganzen Erfolg seines Abends in Frage stellen könne.

      „Wenn man mich zwänge, eines von diesen vielen tanzlustigen jungen Mädchen aufzufordern,“ so sagte er sich, „was sollte ich mit ihr anfangen, was würde dann passieren?“

      Die mageren unter den jungen Mädchen waren nur wenig ausgeschnitten, die dickeren beträchtlich weiter. Ihre Gesichter waren meistens keck, ihr Lächeln nicht immer anmutig, aber ausnahmslos recht aufgeweckt, Sie schienen Andreas prätentiös wie Prinzessinnen und kritisch wie Gassenjungen. Wie das kleine unscheinbare Wesen dort dem gewichtigen, reich aussehenden Herrn mit den X-Beinen doch so rücksichtslos ins Gesicht lachte!

      Andreas hatte das sichere Gefühl, dass er bei den jungen Mädchen gar nichts zu suchen habe. Er betrachtete sie, wie sie in einer regenbogenfarbenen Reihe beieinander saßen und sich ganz unverhohlen über die Männer lustig machten, und er nannte sie „Puten“. Aber es waren ihm unheimliche Wesen. Wenn er hier jemals sein Glück machte, so konnte es nur mit Hilfe jener reifen Frauen geschehen, die durch eine reichere Erfahrung gütig und nachsichtig gemacht waren und die vertrauensvolle Hingebung eines jungen Mannes zu schätzen wussten. „Für ein junges Mädchen bin ich zu naiv,“ so überlegte Andreas ausdrücklich.

      Er stellte sich Adelheids teilnehmendes Lächeln vor, wie sie ihn gefragt hatte, er müsse sich in Berlin wohl recht wie in der Fremde fühlen.

      Türkheimer, der hier und da einen jungen Mann, der sich unvorsichtig vorwagte, einer Tänzerin zu schleppte, erfüllte ihn mit Besorgnis. Glücklicherweise verschwand er mit mehreren anderen Herren in einem Nebenzimmer. Andreas dachte schon daran, allen möglichen Unglücksfällen aus dem Wege zu gehen und still die Gesellschaft zu verlassen, aber da kam die Hausfrau, von ein paar älteren Damen herbeigewinkt, dicht an ihm vorüber. Ihr stolzer, wiegender Gang gefiel Andreas noch besser als ihre müde Ruhe in dem Sessel, wo er sie zuerst gesehen hatte. Ihre Büste und die vollkommen runde Taille kam so besser zur Geltung, dazu fand er die Haltung ihres Kopfes mit dem schweren Helm schwarzer Haare über der engen Stirn, geradezu faszinierend, ungeachtet des zu kurzen Halses. Er verbeugte sich ehrfurchtsvoll.

      „Ah, da findet man Sie wieder, Herr Zumsee!“ sagte sie; flüchtig und wie zufällig blieb sie vor ihm stehen.

      Klempner, der noch immer sprach, hörte plötzlich mitten im Wort auf. Er redete einen vorübergehenden jungen Mann an und entfernte sich mit einer Diskretion, die er sich Mühe gab merken zu lassen.

      Andreas beachtete, dass Frau Türkheimer seinen Namen behalten habe.

      „Sie haben noch nicht getanzt?“ fragte sie ihn.

      „Noch nicht, gnädige Frau.“

      „Nein, diese jungen Leute! Aber warum denn nicht?“'

      Andreas fuhr fort, ihr in die Augen zu sehen, aber er wurde rot. Wie dumm, eine Lüge zu erfinden, die sie schon hundertmal von Anderen gehört haben musste. Würde es nicht einen viel günstigeren Eindruck machen, wenn er einfach zugab: „Ich bin schüchtern“?

      „Gnädige Frau werden mich auslachen,“ begann er.

      „Nun?“

      Frau Türkheimer lächelte auffordernd,

      „Ich habe nämlich in Berlin noch nie getanzt,“ sagte Andreas mit blinder Entschlossenheit, „und gnädige Frau müssen wissen, dass ich noch nicht zwei Worte mit einem Berliner jungen Mädchen gewechselt habe.“

      Er bekam einen leichten Fächerschlag auf den Arm.

      „Sie fürchten sich, gestehen Sie es nur!“ sagte Adelheid.

      „Was ist da zu gestehen?“ erklärte er seufzend. „Können gnädige Frau sich vorstellen, was ich einer von diesen jungen Damen noch zu sagen hätte, nachdem ich das große Glück gehabt habe, von Ihnen, gnädige Frau, so gütiger Worte gewürdigt zu werden?“

      Sie lächelte wieder, ein wenig nachdenklich. Seine kleine Rede, die diesmal improvisiert war, schien sie abermals etwas ungewöhnlich und nicht ganz übel zu finden. Ihr Fächer war schon zu einem neuen Schlage erhoben, senkte sich jedoch wieder. Sie nickte dem jungen Manne schnell und freundlich zu und sagte im Weitergehen:

      „Also unterhalten Sie sich gut! Auf Wiedersehn!“

      Kaflisch vom Nachtkurier, der plötzlich neben Andreas stand und ihm die in elegantem Bogen erhobene Hand reichte, musste der Scene zugesehen haben. Er schob sein schlau grinsendes Gesicht dicht unter Andreas’ Nase um zu bemerken:

      „Sie Schäker!“

      „Es warten übrigens noch mehr schöne Augen auf Sie,“ setzte er hinzu, indem er den Arm des jungen Mannes ergriff. „Der Frau Mohr muss ich Sie vorstellen, Sie hat nach Ihnen gefragt.“

      Ehe Andreas sich zu sträuben vermochte, befand er sich einer hübschen Frau gegenüber, die zwischen Ballmüttern in einem niedrigem Sofa lehnte. Sie trug eine dunkelviolette Seide, die auch einer älteren Dame angestanden hätte. Ihr volles braunes Haar war sehr schlicht geordnet. Sie hielt kein Lorgnon in der Hand, was Andreas beruhigte, und sie erwiderte seine Verbeugung mit einem reizend gütigen, fast mütterlichen Lächeln. Ihr Wesen hatte etwas ungemein friedliches, von Eitelkeiten und Leidenschaften unberührtes. Sie bot das Bild einer anständigen Frau, die gerade in ein gewisses Alter eintritt.

      „Ah, Herr Zumsee,“ sagte sie, „ich muss Ihnen danken, Sie haben mir eine sehr freundliche Stunde bereitet. Ihr Beitrag in der ,Neuzeit‘…“

      Andreas traute seinen Ohren nicht, Frau Mohr hatte sein Gedicht im Beiblatt des „Nachtkurier“ gelesen. Oder hatte nur Kaflisch, der so abscheulich grinste, sie davon unterrichtet? Man wusste hier ja nie, was man glauben durfte. Er stammelte einige Dankesworte. Neben ihnen begannen mehrere Paare zu walzen. Andreas fühlte sich verpflichtet, Frau Mohr zu bitten.

      „Ich tanze eigentlich nicht,“ versetzte sie, indem sie sich erhob.

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