Versicherungsmanagement. Группа авторов
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Der durch die geringen Geburtenraten in Deutschland induzierte Rückgang der einheimischen Bevölkerung wurde durch Zuzüge ausländischer Menschen in den vergangenen Jahren überkompensiert.49 Allein im Jahr 2015 überstiegen die Zuzüge nach Deutschland die Fortzüge um 1.139.402 Personen. Auch in den darauffolgenden drei Jahren überstiegen die Zuzüge die Fortzüge stets um mehrere hunderttausend Menschen.50 Mit dem zunehmenden Anteil zugezogener Menschen ändert sich auch der kulturelle Hintergrund der Bevölkerung.
Kulturelle Faktoren
Im Hinblick auf das menschliche Verhalten kann Kultur als die Menge der expliziten und impliziten Vorgaben und Leitlinien definiert werden, die ein Individuum aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gesellschaft übernimmt.51 Diese Leitlinien geben dem Individuum eine bestimmte Weltsicht und ein bestimmtes Verhalten gegenüber seinen Mitmenschen sowie übernatürlichen Kräften, Göttern und seiner natürlichen Umwelt vor.52 Kurz gesagt: Wenn man den Anteil der Menschen aus fremden Kulturkreisen in einer Bevölkerung erhöht, dann ändern sich die charakteristischen Eigenschaften des Verhaltens dieser Bevölkerung. Mit veränderten Verhaltensleitlinien und einer anderen Weltsicht der Konsumenten ändern sich zum Teil auch deren Bedürfnisse und in der Folge die Nachfrage nach Produkten – in unserem Fall nach Versicherungsprodukten.
Ein klassisches Beispiel für ein Versicherungsprodukt, bei dem kulturelle Faktoren eine wesentliche Rolle spielen, ist die schariakonforme Versicherung. Die Scharia kann in einem weiteren Sinne als »die Gesamtheit aller religiösen und rechtlichen Normen, Mechanismen zur Normfindung und Interpretationsvorschriften des Islam, also Vorschriften über Gebete, Fasten, das Verbot bestimmter Speisen und Getränke (…) ebenso wie Vertrags-, Familien- und Erbrecht«53 gesehen werden. Sie beinhaltet somit grundsätzliche, verbindliche Handlungsanweisungen für Muslime, die i. d. R. einzuhalten sind. Im Hinblick auf Finanz- und Versicherungsprodukte sind insbesondere drei Verbote von Bedeutung: Riba (Zins[wucher]verbot), Gharar (Verbot erhöhter Unsicherheit bei Verträgen bzw. Spekulationsverbot) und Maysir (Glücksspielverbot). Der Versicherungsnehmer ist mit dem Erwerb eines Versicherungsprodukts meist auch indirekt an Zinsgeschäften (Riba) beteiligt, da seine Prämien vom Versicherungsunternehmen in vielen Fällen am Kapitalmarkt in Form von verzinslichen Wertpapieren angelegt werden. Zudem sind Versicherungsverträge mit erhöhter Unsicherheit (Gharar) verbunden. Bezüglich des letzten Verbots (Maysir) ist anzumerken, dass es sich bei Versicherungen zwar nicht um Glückspiel handelt, da der Käufer einer Versicherung im Gegensatz zum Glücksspiel unerwünschte Risiken auf die Versicherung abwälzt und er eine Zahlung im Fall eines Schadenereignisses (und nicht bei Eintritt eines Gewinnereignisses) erhält, jedoch tauschen sowohl der Käufer einer Versicherung als auch der Teilnehmer eines Glücksspiels einen sicheren Geldbetrag gegen eine bedingte Forderung. Der Erwerb eines klassischen Versicherungsproduktes kann für Muslime aufgrund der zuvor erläuterten Verbote folglich mit Problemen behaftet oder vollständig verboten sein. Zur Lösung dieser Probleme müssten Versicherungsprodukte entwickelt und angeboten werden, die mit den Vorgaben der Scharia in Einklang stehen – also frei von Riba, Gharar und Maysir sind. Letzteres kann mittels islamischer, schariakonformer Versicherungsmodelle erreicht werden, die nach dem Takaful-Prinzip organisiert sind. Im Rahmen des Takaful-Prinzips wird eine Gefahrengemeinschaft gebildet, die ähnlich einem klassischen Versicherungskollektiv dazu dient, gemeinsam die Schäden einzelner Mitglieder zu bezahlen. Bei der Ausgestaltung der Gemeinschaft und der Modi Operandi wird jedoch darauf geachtet, dass die Vorgaben der Scharia eingehalten werden. Beispielsweise werden die Versicherungsbeiträge als Spenden deklariert und Kapitalanlagen nicht in Form verzinslicher Wertpapiere getätigt.
Ökologische Faktoren
Die letzte Gruppe von Faktoren, die im Rahmen dieser Abhandlung betrachtet wird, sind die ökologischen Faktoren. In dieser Gruppe werden Einflussgrößen in der natürlichen Umwelt des Menschen zusammengefasst, welche eine Auswirkung auf die Versicherungswirtschaft haben. Beispielsweise die verschiedenen Erscheinungsformen des Wetters (Regen, Schnee, Sturm, Hitze, Kälte, etc.), das Klima (d. h. »die Zusammenfassung der Wettererscheinungen, die den mittleren Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort oder in einem mehr oder weniger großen Gebiet charakterisieren.«54) und geophysikalische Ereignisse (Erdbeben, Vulkanausbrüche) können in dem hier betrachteten Zusammenhang den ökologischen Faktoren zugeordnet werden.
Neben Erdbeben können insbesondere extreme Wetterereignisse, wie bspw. lang anhaltende Hitzeperioden, hohe Niederschlagsmengen und Stürme sowie daraus resultierende Sturmfluten und Überschwemmungen zu außergewöhnlichen Schadenereignissen führen, welche die Versicherungsunternehmen belasten. In den vergangenen Jahren wurde vermehrt die Zunahme solcher Wetterextreme, die auf den menschengemachten55 Klimawandel zurückgeführt werden, beobachtet und diskutiert.56 Gemessen an den weltweiten Durchschnittstemperaturen, gehören die gesamten 19 Jahre im Zeitraum 2001 bis 2019 zu den wärmsten Jahren seit Beginn der Aufzeichnungen.57 Aufgrund der durch die Treibhausgase induzierten geringeren Infrarotabstrahlung58 steigt das Energieniveau in der Atmosphäre und den Meeren. Mehr Energie bedeutet höhere Temperaturen. »Aus wärmeren Meeren verdunstet mehr Wasser.«59 Die wärmere Atmosphäre kann zudem mehr Wasser aufnehmen, sodass das Risiko von starken Niederschlägen steigt.60 Mit höheren Temperaturen sind auch häufigere Hitzeperioden und damit verbundene Ernteausfälle, Waldschäden/-brände und zunehmende gesundheitliche Beeinträchtigungen bis hin zu Todesfällen bei Menschen, bspw. aufgrund häufigerer Herz-/Kreislaufprobleme und der verstärkten Vermehrung von Krankheitserregern, zu erwarten. Zudem wird die Zunahme schwerer Gewitter, Stürme, Tornados und Hagelfälle mit steigenden Temperaturen in Verbindung gebracht.61 Der Klimawandel hat somit Auswirkungen auf eine ganze Reihe an Risiken und die damit verbundenen Versicherungssparten, begonnen mit der Schaden-/Unfallversicherung bis hin zur Kranken- und Lebensversicherung. Insgesamt ist weltweit mit einer Zunahme der Anzahl der Schadenereignisse sowie höheren Wertverlusten aufgrund der zuvor genannten Ereignisse zu rechnen.
Die Herausforderungen für die Versicherungswirtschaft bestehen bei der Übernahme von Risiken aus Elementargefahren (d. h. aus Naturereignissen) insbesondere in der Bewältigung von Kumulschäden62, in den starken Schwankungen der wertmäßigen Höhe der Schäden im Zeitverlauf und in möglichen, durch den Klimawandel bedingten Änderungen des Schadenursachensystems, sodass zukünftige Schäden nur schwer prognostizierbar sind.63 Potenzielle Chancen ergeben sich aus einem zunehmenden Bedürfnis der von den Risiken betroffenen Personen nach Absicherung und den damit verbundenen Absatzmöglichkeiten. Da die klimatisch verursachten Risiken