Tod eines Jagdpächters. Thomas Sutter

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Tod eines Jagdpächters - Thomas Sutter

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Ralf Schmitter dagegen hatte schon einiges auf dem Kerbholz. Wiederholte Körperverletzung und mehrfacher schwerer Diebstahl waren im Strafregister des Jungen vermerkt. Er hatte jede Menge Sozialstunden leisten müssen und er hatte auch schon den Jugendknast kennengelernt. Zurzeit gab es noch eine offene Bewährung, die er sich eingehandelt hatte, weil er einem Erzieher des Heims, in dem er noch vor einem Jahr gewohnt hatte, eine Cola-Flasche über den Kopf geschlagen hatte. Ralf Schmitter war offensichtlich ein schlimmes Früchtchen. Gestern Abend hatten Beltel und Funk noch mit Frank Bach und Markus Fromm geredet. Schmitter hatten sie nicht angetroffen.

      Beltel sah auf die Uhr. Es war neun und Klötsch war noch nicht erschienen. Er wählte Funks Nummer.

      »Was ist mit unserem Besuch, hat er sich vielleicht bei dir gemeldet?« Auch Funk hatte nichts gehört.

      »Wer hat das Kalenderblatt auf meinen Tisch gelegt, Hans?«, fuhr der Hauptkommissar ärgerlich fort.

      Funk erklärte, nichts von einem Kalenderblatt zu wissen.

      »Okay«, sagte Beltel, wohl wissend, dass Funk flunkerte, »aber ich finde die Geschichte wirklich nicht lustig. Das Fax aus dem Vorstrafenregister ist mir erst gar nicht aufgefallen, und da geht es mir nah, wie ernst hier die Arbeit genommen wird.«

      Natürlich wurden auch in der Mordkommission trotz der Ernsthaftigkeit der Fälle oft Späße getrieben und gelacht. Das gehörte einfach dazu. Eine ständige dunkle, ernste Stimmung trug nicht viel zu klaren Gedanken bei. Aber Beltel war von dem Problem mit dem Köter genervt und er hatte sich Luft machen müssen. Augenblicke später tat ihm seine Verärgerung schon wieder leid. »Schon gut, Hans, aber mir ist wirklich nicht nach Lachen zumute. Ich komme mit einer Menge klar, aber so was …«

      Herrmann Klötsch

      Klötsch kam um viertel nach neun ins Präsidium. Kein Wort der Entschuldigung für das verspätete Auftauchen. Er sah in keiner Weise vom Tod Nirbachs betroffen aus. Protziges Selbstbewusstsein ausstrahlend, nahm er Beltel gegenüber Platz.

      Die tiefe Sonnenbräune konnte Anfang Juni nicht echt sein und Beltel vermutete, dass Klötsch Stammkunde im Sonnenstudio war. Das Goldkettchen, die teure Breitling-Uhr, das offen getragene weiße Hemd, die kurz geschorenen schwarzen Haare, die Rasierwasserwolke und Klötschs Figur, die garantiert durch Eisenstemmen im Fitnessstudio entstanden war, ließen ihn eher wie einen Zuhälter als einen Bauleiter aussehen. Vielleicht war er ja auch noch in beiden Bereichen tätig.

      Beltel erkundigte sich nach Nirbachs Frau und erfuhr, dass sie den Urlaub in Spanien abbrechen würde. Sie musste nur einen Flug finden und das würde jetzt in der Urlaubssaison nicht einfach.

      Im Gegensatz zu seinem äußeren Erscheinungsbild konnte Klötsch sich gewählt ausdrücken. Das hatte er sich sicherlich in der Geschäftswelt aneignen müssen. Und er schien zu wissen, was er der Polizei zu erzählen hatte und was nicht.

      Beltel ließ sich schildern, was sich zwischen Klötsch und Nirbach und den Jugendlichen abgespielt hatte. Hatte Klötsch gestern Funk gegenüber noch angedeutet, dass Nirbach vielleicht ein bisschen übertrieben hatte, so war er heute viel vorsichtiger. Seine Aussage stand im Gegensatz zu dem, was Beltel gestern Abend von den Jugendlichen erfahren hatte. Den Jugendlichen zufolge – sie waren fünfzehn und sechzehn Jahre alt – hatte Nirbach sich an ihnen wie ein Berserker ausgetobt. Die beiden Jungs hatten sogar gestern noch Blessuren im Gesicht gehabt. Aber den fünfzehnjährigen Ralf Schmitter, den Beltel und Funk nicht angetroffen hatten, hatte es nach Aussage seiner beiden Freunde noch übler erwischt. Nirbach hatte ihm die Nase angebrochen und einen Zahn locker geschlagen. Beltel spürte Wut in sich hoch steigen, weil er Klötschs Verharmlosung zuhören musste. Als kleine Abreibung bezeichnete der Mann vor ihm das, was den Jungs widerfahren war.

      Beltel wollte nicht länger drumherum reden. »Wie groß sind Sie und wie viel wiegen Sie?«

      Klötsch grinste unverschämt. »Wenn Sie mir erklären, was die Frage soll, werde ich sie gerne beantworten.«

      »Nun, ich schätze Sie auf über eins neunzig und wahrscheinlich an die hundertzehn Kilo schwer?«

      »Ja und?« Klötsch blieb weiter vollkommen gelassen.

      »Ihr Chef war nicht viel kleiner und ein Leichtgewicht war er auch nicht gerade. So wie Sie hier erzählen, hört es sich an, als hätten die Jungs ein paar Ohrfeigen bekommen. Die Teenager haben mir etwas ganz anderes erzählt. Nirbach hat mit voller Wucht und mit der Faust zugeschlagen und Sie haben sich auch nicht zurück gehalten«, erwiderte der Hauptkommissar.

      »Die Bürschchen sind frech geworden und wollten Streit. Sie haben Karl zuerst angegriffen. Da hat er sich einfach gewehrt und ich habe ihm beigestanden«, verteidigte sich Klötsch ohne einen Anflug von Schuldgefühl.

      »Herr Klötsch, ich werde den Eltern raten, Anzeige zu erstatten. Da steht die Aussage der drei gegen Ihre und da ich die Burschen gesehen habe, glaube ich kaum, dass die es gewagt hätten, jemanden wie Herrn Nirbach oder Sie anzugreifen. Ein Richter wird da sicher ähnlich denken. Ganz klar war die Verwüstung der Hochstände eine Straftat, aber für so was sind wir zuständig und die Zeiten der Selbstjustiz sind zum Glück lange vorbei.«

      »Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Aber es geht hier um einen Mord und nicht um ’ne kleine Abreibung. Eins von den kleinen Arschlöchern hat geschrien, er würde Nirbach umlegen. Ich dachte, deshalb soll ich meine Aussage machen? Ich bin sicher, diese Drecksäcke stecken hinter Nirbachs Tod. Das aufzuklären, sind Sie in der Tat zuständig.« Er stand auf. »Kann ich jetzt gehen, ich hab noch zu arbeiten?« Klötsch klang nun nicht mehr wie ein seriöser Geschäftsmann, sondern eher wie ein Zuhälter.

      Beltel war von der arroganten, herablassenden Art des Mannes aufgewühlt. Aber er war Profi genug, ruhig zu bleiben. »Einen Moment noch bitte, Herr Klötsch. Ihr Boss ist mit einem Präzisionsgewehr erschossen worden. Das sieht mir nicht nach jugendlichen Tätern aus. Könnte es vielleicht sein, dass Sie uns absichtlich auf eine falsche Spur führen möchten? Gab es eventuell noch irgendwelche alte oder neue Konflikte im Rotlichtmilieu, die zum Tod Nirbachs geführt haben könnten?«

      Klötsch lächelte ungerührt. »Rotlichtmilieu? Herr Nirbach war bis vor einiger Zeit im Baugeschäft tätig. Er hat für einflussreiche Leute gearbeitet. Zu irgendeinem Rotlichtmilieu hatte er garantiert keine Kontakte. Herr Kommissar, ich habe noch einen wichtigen Termin. Bitte tun Sie Ihre Arbeit und lassen Sie diese falschen Verdächtigungen.«

      Ohne abzuwarten erhob sich der Hüne, nickte Beltel noch einmal arrogant lächelnd zu und verließ das Büro.

      »Kotzbrocken«, dachte Beltel, dann begab er sich rüber zu Funks Büro.

      Naturkindergarten

      Hans Funk wartete mit einer Neuigkeit auf. Ralf Schmitter war von seiner Pflegemutter bei der Polizei als vermisst gemeldet. Er war letzte Nacht nicht nach Hause gekommen. Die Kollegen aus Rheinbach und Euskirchen suchten bereits nach ihm.

      Der Junge lebte seit einem Jahr bei dem Erzieherehepaar Gaby und Wolfgang Dederichs in Loch bei Rheinbach. Von seinem neunten bis zum vierzehnten Lebensjahr war er in einem Heim in Köln untergebracht gewesen. Wahrscheinlich hatten seine beiden Freunde ihm gestern Abend erzählt, dass die Polizei mit ihm sprechen wollte und nun war er untergetaucht. Aufgrund eines Motivs und der Vergangenheit des Jungen war es erforderlich, ihn unter die Lupe zu nehmen. Sein Verschwinden machte ihn nicht gerade unverdächtig.

      Gaby Dederichs war halbtags im Naturkindergarten angestellt. Auf der Fahrt dorthin hatte Beltel mit einem Beamten aus Rheinbach telefoniert und

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