Einfach segeln. Wilfried Krusekopf
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Doch ist diese Konstruktionsidee auch für den Normalsegler von Vorteil? Dem zwar vorhandenen, aber geringen Geschwindigkeitsvorteil (bei einer 12-m-Yacht sind es ein bis zwei Zehntel Knoten) steht ein gravierender Nachteil entgegen: In bewegter See taucht der Bug in den Stampfbewegungen tiefer ein als bei einem Rumpf mit deutlich positiv angewinkelten Steven und sich nach oben hin verbreiterndem Bugvolumen. Dies lässt sich leicht dadurch veranschaulichen, dass man die Auftriebskraft (Archimedisches Prinzip) eines Kegels mit Spitze unten und eines Quaders mit gleicher Höhe, eingetaucht in eine Flüssigkeit, vergleicht. Während die Auftriebskraft beim Quader proportional zur Eintauchtiefe wächst, vergrößert sich diese beim Kegel überproportional.
Am Wind kommt deshalb bei modernen Booten – trotz in letzter Zeit auch bei Cruiser-Racern immer höherem Freibord - bei schneller Fahrt in grober See erheblich mehr Wasser über Deck und die Bootsbewegungen sind heftiger. Die Besatzung im Cockpit ist dadurch hoch am Wind in bewegter See stärker der fliegenden Gischt ausgesetzt. Hinzu kommt ein weiterer Nachteil: Beim Ankern, insbesondere beim Ankerhieven, schlägt der Anker unweigerlich an den Rumpf und beschädigt die Außenhaut. Aus diesem Grunde baut man in letzter Zeit häufig eine Art Bugspriet vorn an, um den Anker vom Rumpf frei zu halten. Aber dies bedeutet wiederum mehr Länge über alles, also auch höhere Hafengebühren.
Immer mehr moderne Yachten haben einen Doppel-Steuerstand. Der Ursprung dieser Entwicklung kommt ebenfalls aus der Regattaszene: Die Siegeryacht im America’s Cup 2000, Team New Zealand, hatte erstmalig einen doppelten Steuerstand. Der Konstrukteur hatte die Yacht mit zwei Steuerrädern entworfen, um sicherzustellen, dass der Rudergänger auf allen Kursen immer einen optimalen Blick in das Profil des Vorsegels haben kann. Dabei muss aber bedacht werden, dass die Yacht sehr breit war und 16 Mann Besatzung hatte, was den Blick in die Segel nicht gerade erleichterte.
Asymmetrische Motorbedienung auf nur einer Seite.
Dass diese im Regattasegeln auf großen Yachten vorteilhafte Konstruktion im Serienyachtbau für den Wochenendskipper in ein perverses Extrem verdreht werden kann, zeigt sich beispielsweise bei Bénéteau, wo inzwischen ein 30-Fuß-Boot mit zwei Steuerrädern angeboten wird.
Paradox wird der doppelte Steuerstand dann, wenn – wie auf den meisten Yachten mit doppeltem Steuerstand – nur eine einzige Motorschalteinheit installiert ist. Der Rudergänger muss bei Hafenmanövern dann zwangsläufig das Rad auf der Seite wählen, auf der die Motorbedienung angebaut ist. Mit einer Chance von 1:2 ist das dann aber nicht die Seite, an der angelegt werden soll.
Der doppelte Steuerstand wird heute sehr häufig mit einem ebenfalls gedoppelten Ruder kombiniert. Das Doppelruder ist eine fast zwingend notwendige Konsequenz aus der extremen Rumpfbreite am Heck. Denn hoch am Wind wird durch die Keilform des Rumpfes das Heck stark aus dem Wasser gehebelt. Ein einzelnes Zentralruder müsste extrem tief ins Wasser eintauchend konstruiert sein, um unkontrolliertes Anluven (»Sonnenschuss«) zu verhindern. Bei der Doppelruderanlage kann das Boot mit dem leeseitigen Ruder hingegen auch auf Amwindkursen mit viel Krängung besser auf Kurs gehalten werden.
Ein großer und für den Fahrtensegler schwerwiegender Nachteil hingegen liegt dabei in der Tatsache, dass ein Schiff mit Doppelruder in der Regel erheblich schlechtere Manövriereigenschaften im Hafen hat. Nur ein zentral eingebautes Ruder kann vom Propeller aus dem Stand heraus angeströmt werden. Darüber hinaus gilt grundsätzlich: Je mehr bewegte Teile in ein Boot eingebaut werden, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit eines Defektes. Keep it simple!
Bei aller hier formulierter Kritik an modernen Bootsrümpfen soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass aufgrund des erheblich vergrößerten Gesamtvolumens über der Wasserlinie der unter Deck nutzbare Raum ebenfalls erheblich vergrößert werden konnte. Auch im Hinblick auf die Segeleigenschaften muss zugegeben werden, dass moderne Rümpfe mit Doppelruder und breitem Heck weniger gieren und geigen als traditionellere Entwürfe. Segelyachten hatten bis in die späten 90er-Jahre fast immer eine Bilge, um eingedrungenes Wasser am tiefsten Punkt im Boot zu sammeln und dort auspumpen zu können. So wurde insbesondere verhindert, dass Wasser (oder schlimmer: ausgelaufener Diesel) unter den Bodenbrettern und in den Stauräumen unter den Kojen hin- und herschwappen konnte. Auf modernen, flachen Rümpfen fehlt diese Bilge in der Regel, sodass sich die Crew nicht selten über durchnässtes Staugut unter den Kojen ärgert.
Großserienwerften sind gezwungen, ihre Produktionsprozesse unter dem Gesichtspunkt der Kostenreduzierung zu optimieren. Das ist verständlich und führt schließlich auch zu einem günstigeren Preis für den Käufer. Fragwürdig wird dies allerdings, wenn es unter dem Deckmantel der Sportlichkeit verkauft wird. Für viele, vielleicht sogar für die meisten Bootskäufer ist es wichtig, dass ihr Schiff schnell segelt. Denn Schnelligkeit ist Sportlichkeit. Und wer will schon unsportlich erscheinen? Folglich muss das Schiff leichter werden, denn leichter heißt weniger benetzte Fläche, folglich weniger Reibung, folglich mehr Geschwindigkeit. Auf einer Regattayacht, bei deren Bau primär auf technische Effizienz und nicht in erster Linie auf Kostenreduzierung geachtet wird, lässt sich Gewichtsreduzierung durch Einsatz von teuren High-Tech-Materialien wie Spectra, Carbon und Kevlar erreichen. Im Großserienbau hingegen wird Gewichtsreduzierung nur allzu oft einfach durch Verringerung der Materialstärken bis an die Grenze des eben noch Vertretbaren erreicht. Manche etwas dünn gebaute Polyesterrümpfe verziehen sich auf Amwindkursen derart, dass sich auf diesen Booten Türen nicht mehr öffnen lassen. Die Einbauten knarren im Seegang, Tischbefestigungen wackeln, Scharniere reißen schon nach kurzer Nutzungszeit aus … Aber auf der Bootsmesse wird das Boot als besonders sportlich ausgewiesen, denn es ist ja 400 kg leichter, folglich schneller als das der Konkurrenz.
Die Argumentation setzt sich im Rigg fort: Jedes Kilogramm, das im Rigg und bei den Segeln gespart werden kann, zählt mindestens drei- bis vierfach, denn entsprechend der Gewichtsreduzierung im Rigg kann im Kiel ein Vielfaches dessen an Gewicht eingespart werden. Das aufrichtende Moment bleibt unverändert. Doch welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Gewichtsreduzierung im Rigg ist nur möglich mit einem leichteren Mast und dünneren und / oder weniger Wanten. Der leichtere Mast könnte ein Carbon-Mast sein, doch ist dieser für Fahrtensegler meist einfach zu teuer. Bleibt der Alu-Mast mit dafür schmalerem Profil und geringerer Wandstärke übrig, was wiederum die Sicherheitsreserve reduziert.
Die Salinge werden oft so weit angepfeilt, dass auf doppelte Unterwanten verzichtet werden kann. Bei weiterer Steigerung der Anpfeilung der Salinge kann sogar das Achterstag weggelassen werden, ohne dass – unter Normalbedingungen – die Belastbarkeit des Riggs bedrohlich eingeschränkt ist. Doch dies gilt nur für Normalbedingungen! Doch niemand garantiert uns, dass wir immer unter solchen segeln. Der Fahrtensegler muss sich auch dann noch auf sein Rigg verlassen können, wenn es mal unvorhergesehen stürmisch kommt. Außerdem ist es auf tiefen Raumschotskursen oder gar vor dem Wind bei stark angepfeilten Salingen nicht mehr möglich, das Groß weit genug aufzufieren, ohne mittelfristig durch das ständige Scheuern – früher sagte man Schamfilen – an der Salingsnock die Segel zu beschädigen. Stark angepfeilte Salinge kommen ursprünglich aus der Highspeed-Regattaszene und sind dort durchaus sinnvoll, denn bei sehr hohen Bootsgeschwindigkeiten wird ein wahrer Wind von raumschots zu einem scheinbaren Halbwind, ja selbst ein Am-Wind-Kurs wird möglich bei ausreichend schneller Fahrt.
Rigg mit extrem nach achtern gepfeilten Salingen.
Der kostengünstige und dennoch sicher verstagte Mast auf einer Fahrtenyacht, ist darum nach wie vor der ausreichend dimensionierte