Einfach segeln. Wilfried Krusekopf
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Neben menschlichen Problemen im Bordleben ist bei großer Crew natürlich auch der Koordinierungsbedarf an Deck für den Skipper erheblich größer. Wer macht was beim Ablegen, bei Segelmanövern, beim Anlegen? Nicht selten kommt es zu Konflikten bei der Frage, wer das Ruder übernimmt. In kitzligen Situationen wird der Skipper einen möglichst erfahrenen Rudergänger wollen. Möglicherweise ist dann aber ein anderes, hochmotiviertes, jedoch weniger kompetentes Crewmitglied beleidigt, dass der Skipper den Rudergänger wechseln lässt.
Ärger in der Crew.
Verwirrungen gibt es insbesondere bei Anlegemanövern, wenn mehr Leute an Deck sind, als Aufgaben verteilt werden können. Auf einem 16-m-Schiff mit 7-Leute-Crew kann nicht jedem eine sinnvolle Aufgabe beim Anlegen gegeben werden. Manche stehen dann einfach störend im Weg oder verwirren die Kommunikation an Deck durch gut gemeinte, aber überflüssige Bemerkungen und Zwischenrufe. Der Skipper und der Rudergänger haben es in dieser Situation besonders schwer, das Anlegemanöver nicht zu verpatzen.
Es gibt allerdings einige, eher im Hochpreissegment angesiedelte Werften wie Amel oder Oyster, die auch große Yachten gezielt für kleine Crews bauen. Dass dabei dann nicht nur kräftige Bugstrahlruder, sondern auch Heckstrahlruder, beide über Joystick koordinierbar, voll elektrifizierte Rollanlagen und Elektrowinschen selbst zum Dichtholen der Festmacher notwendig sind, versteht sich von selbst. Dennoch rufen die Skipper einer solchen High-Tech-Yacht in der Regel vor dem Einlaufen in den Hafen die Hafenverwaltung an, um sicherzustellen, dass am Ponton helfendes Personal bereitsteht, um die Yacht ohne Kollision mit anderen Schiffen am Ponton festzumachen. Auf See lassen sich allerdings heutzutage dank High-Tech-Ausrüstung selbst diese großen Yachten mit kleiner Besatzung segeln. Problematisch bleibt es hingegen trotz aller Ausrüstung bei Hafenmanövern, insbesondere bei viel Wind. Der gesteigerte Komfort an Bord wird erkauft durch neue Abhängigkeiten, die in erster Linie aus der enormen Bootslänge resultieren.
Retroentwicklungen
Recht aufschlussreich ist es zu sehen, wie sich immer wieder Segler dort sammeln, wo ein gepflegtes älteres Schiff, vielleicht sogar ein edel restauriertes Holzboot am Steg liegt. Die Eigner einer gut restaurierten alten Yacht können ein Lied davon singen, wie sie oft mit Fragen zu ihrem nicht alltäglichen Schiff geradezu gelöchert werden. Manch einer hängt darum ein kleines Informationsschildchen an die Seereling mit Kurzinfos zum Schiff, um nicht ständig wieder die gleichen Fragen beantworten zu müssen.
Keine Frage: Das Interesse an guten gebrauchten Booten und Yachten und deren Pflege oder gar Restaurierung nimmt zu. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn in Stil und Ausrüstung gleichen sich seit mehr als einem Jahrzehnt die meisten Neuerscheinungen der großen Werften wie ein Ei dem anderen. Es muss nicht gleich die äußerst arbeitsintensive Restaurierung eines alten Holzbootes sein. Auch etliche attraktiv gezeichnete und in ihrer Struktur gut gebaute GFK-Yachten aus den 70er-, 80er- und 90er-Jahren finden fachkundige Liebhaber und schwimmen inzwischen gut gepflegt, renoviert oder auch total restauriert als Blickfang an so manch einem Steg.
Auch auf Bootsmessen ist seit einigen Jahren ein neuer Trend zu beobachten: Neben den großen Yacht- und Wassersportausstellungen, auf denen vor allem Neuentwicklungen vorgestellt werden, entwickeln sich einige kleinere Bootsmessen, deren Hauptanliegen nicht im Verkauf von neuen Booten liegt, sondern die den Markt der Pflege, Renovierung und Restaurierung von älteren, gebrauchten Booten im Auge haben. Auffällig ist auch, dass in den führenden Segelzeitschriften seit einigen Jahren regelmäßig in einer speziellen Rubrik auf besondere ältere Serienyachten aufmerksam gemacht wird, die für solide Bauqualität und gute Segeleigenschaften bekannt sind. Sie sind als Gebrauchtboote oft günstig zu kaufen und oft in ihrer Struktur und Substanz so gut, dass es sich lohnt, sie mit etwas Eigenarbeit auch optisch wieder in Bestzustand zu bringen.
Gut gepflegte, über 40 Jahre alte Fahrtenyacht (Tayana 37).
Neben diesen »modernen Klassikern« in GFK-Bauweise gibt es parallel dazu in einer anderen Nostalgie-Nische die Szene der Holzbootsegler. Eingefleischte Idealisten scheuen weder Kosten noch Mühe, alte Holzboote in gut besegelbarem Zustand zu halten, zu restaurieren oder gar neue Boote nach alten Plänen zu bauen. Das ist nicht jedermanns Sache, denn der Arbeitsaufwand ist häufig doch immens. In Norddeutschland sind beispielsweise die Museumshäfen in Flensburg und Oevelgönne Brennpunkte dieser Szene. Dass diese Schiffe nicht nur nostalgisch gepflegt und zur Schau gestellt, sondern tatsächlich auch ambitioniert gesegelt werden, beweist sich alljährlich auf verschiedenen Regatten: Zu nennen sind in diesem Zusammenhang zum Beispiel in Deutschland die Rum-Regatta auf der Flensburger Förde, in England die Falmouth Classics oder in Frankreich die Semaine du Golfe du Morbihan.
In den Segelmedien liest man recht viel über High-Tech-Regatten auf den Weltmeeren wie beispielsweise dem Vendée-Globe-Rennen, einhand und nonstop um die Welt, mit Schiffen, deren Bauweise und Ausrüstung in jeder Hinsicht das höchste Maß an moderner Technik darstellen. Interessant ist, dass es aber auch dazu inzwischen seit dem Jahre 2018 eine im zweijährigen Zyklus gesegelte »Gegenveranstaltung« gibt: das »Golden Globe-Race«. Es handelt sich zwar ebenfalls um eine Einhand-um-die-Welt-Regatta, allerdings auf Booten und mit einer Ausrüstung, wie sie vor einem halben Jahrhundert zu Zeiten von Bernard Moitessier und Robin Knox-Johnston gesegelt wurden. Auch die Navigationstechnik darf technisch nicht anders sein als die von 1968: Sextant, Chronometer, Logge, Barograph, Kompass, Echolot, Papier, Bleistift. Elektronische Hilfsmittel, welcher Art auch immer, sind nicht zugelassen (zu den nicht-elektronisch unterstützten Navigationsmethoden, wie sie für einen Fahrtensegler interessant sind, der mehr Naturnähe sucht, mehr in Kapitel 3).
Vielleicht meint der eine oder andere Leser nach der Lektüre dieses ersten Kapitels, dass hier ein zwar erfahrener, aber griesgrämiger alter Segler frustriert über die moderne Seglerwelt herzieht und seinen Blick nur noch nostalgisch zurück richtet. Dass dem keineswegs so ist, soll in den Kapiteln 3 bis 6 deutlich werden. Denn dort werde ich konstruktiv zeigen, wie naturnäheres, weniger von Elektronik geprägtes und damit unabhängigeres Fahrtensegeln nicht nur machbar und gut finanzierbar ist, sondern auch wirklich mehr Segelspaß bringen kann als »modernes Konsumsegeln«.
Doch sollen zuvor im nächsten Kapitel ein paar Überlegungen angestellt werden, warum wir überhaupt segeln gehen.
2. Warum segeln wir eigentlich?
Thomas war zu einem Wochenendtörn auf der Ostsee eher zufällig eingeladen worden und hatte dabei Geschmack am Segeln gefunden. Er war begeistert von der Erfahrung, wie schnell man auf dem Wasser – zumindest vorübergehend – den Alltagsstress hinter sich lassen konnte; begeistert von dem Gefühl, nur vom Wind angetrieben, ein in einem natürlichen Rahmen gesetztes