Einfach segeln. Wilfried Krusekopf

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Einfach segeln - Wilfried Krusekopf

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alle wieder voll zufrieden und durchaus auch etwas stolz auf ihre erste Blauwasserfahrt. Der Abstecher nach Korsika hatte aber doch gezeigt, dass die unterschiedlichen Erwartungen an den Törn die Bordatmosphäre zeitweise sehr belasten konnten.

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      Klassische, perfekt restaurierte Yacht.

      Ein Höhepunkt ganz anderer Art zeigt sich am nächsten Tag in der Bucht von Saint-Tropez: Drei majestätisch große, aber durch die langen Überhänge dennoch elegant schlanke Yachten mit gigantischem Rigg, ziehen dicht beieinander segelnd erhaben durch die Bucht: Endeavour, Ranger und Shamrock V, ehemalige America’s-Cupper von Camper & Nicholsons aus den 30er-Jahren, die jedem historisch interessierten Seesegler Tränen in die Augen treiben.

      Als ob Rasmus unserer Chartercrew zum Abschluss doch noch einmal zeigen will, wer denn eigentlich das Sagen hat auf See, verkündet Météo France am vorletzten Abend über den UKW-Seewetterbericht eine Starkwindwarnung – klassische Mistral-Lage: Zwischen einem Tief über dem Golf von Genua und einem sich verstärkenden Hoch über den Balearen sind 7–8 Bft., evtl. Böen mit 9 Bft. aus Nord für übermorgen und die folgenden Tage angesagt. Das hätte die Stimmung zum Törnende garantiert verhagelt.

      Aus der Geschichte wird deutlich, wie verschieden die Motivationen sein können, in der Freizeit zur See zu fahren. Wenngleich es natürlich zahlreiche weitere Gründe gibt, vom Landlebewesen zum temporären Wasserbewohner zu wechseln.

      Die Segler teilen sich selbst gern in zwei Kategorien ein: die Fahrtensegler und die Regattasegler. Während die Letzteren die sportlich-konkurrenzorientierte Auseinandersetzung auf geschwindigkeitsoptimierten Booten suchen, bevorzugen es die Fahrtensegler – und um die geht es in diesem Buch in erster Linie – in entspannter Haltung zur See zu fahren.

       Kontrast zum stressigen Alltag

      Es müssen nicht gleich in etwas plakativer Weise Begriffe wie »Freiheit der Meere« oder »Kampf mit den Naturgewalten« in den Vordergrund gestellt werden. Ein Großteil der Freizeitsegler sucht zuerst einmal einfach Stressabbau und Entschleunigung. Die Gedanken des Landes bleiben an Land. Er und sie nutzen das Boot in erster Linie für einen radikalen »Tapetenwechsel«, um gedanklich das oft stressige Alltags-Landleben hinter sich zu lassen. Das beginnt schon mit der Törnplanung. See- und Hafenhandbücher werden gelesen, Wetterberichte analysiert und Ausrüstungslisten gecheckt. An Bord wird anschließend der direkte, positiv erlebte Zusammenhang zwischen Törnvorbereitung, Tätigkeit als Skipper oder Crew und erfolgreich gesegeltem Törn erkennbar. Ganz im Gegensatz zum oft durch Entfremdung geprägten beruflichen Alltag vieler Menschen.

      Leider wird dieses positive Erlebnis hin und wieder durch technische Pannen oder menschliche Probleme in der Crew etwas getrübt. Doch diese Risiken lassen sich minimieren: Je mehr komplexe Technik an Bord verbaut ist, umso höher ist auch das Risiko des Nicht-Funktionierens. Die Forderung nach funktioneller Einfachheit in der Konzeption des Bootes genauso wie bei der Ausrüstung ist daher einleuchtend. Bezüglich des Konfliktrisikos in der Crew ist ebenso klar, dass dies mit der Crewgröße steigt. Also kurz gesagt: einfaches Boot und kleine Crew.

       Realität gestalten und erleben

      Unser Leben ist immer stärker von abstrakten, zum Teil rein virtuellen Vorgängen oder Tätigkeiten geprägt. In Zukunft noch stärker als heute schon. Künstliche Intelligenz wird uns in manchen Bereichen Analysen und Entscheidungen abnehmen oder sogar aufzwingen. Demnächst werden wir »autonom« Auto fahren. Das Entscheiden und die Verantwortung werden dem Computer übergeben.

      Nur wenige Menschen haben das Glück, selbst entscheiden zu können, was sie wie wann tun wollen. Und das Produkt ihrer beruflichen Arbeit wird nicht mehr direkt erlebt. Positive oder negative Konsequenzen des eigenen Handelns sind oft nicht mehr für den Handelnden erkennbar. Der Tischler, der einen Schrank baut, sieht sofort die Konsequenzen jeder seiner Handbewegungen. Hingegen erlebt der Bankangestellte, der am Computer Buchungsstatistiken auswertet, in der Regel weder kurz-, noch mittel- oder langfristig die Auswirkungen seines Handelns. Das ist beim Segeln in der Tat anders.

      Auf dem Segelboot ist das Verhältnis zwischen ausgeführter Tätigkeit und sich daraus ergebender Konsequenz, positiv wie negativ, in der Regel sehr direkt erlebbar: Die frühzeitig getroffene Entscheidung, beim Heraufziehen einer dunklen Wolkenwand am Horizont ein zweites Reff einzubinden, wird direkt belohnt mit angenehmerem Segeln im Starkwind. Was aber natürlich auch andersherum gilt: Der Skipper, der sich naiv optimistisch sagt »Es wird schon gutgehen!«, um so lange wie möglich das Geschwindigkeitspotenzial des Schiffes auszureizen, wird höchstwahrscheinlich von der Natur bestraft. Denn wenn erst einmal die ersten Regenböen mit 7 oder 8 Bft. ins Rigg einfallen und die bis dahin voll gefahrene Segelfläche unter Starkwindbedingungen reduziert werden muss, wird es in der Regel stressig. Nicht selten funktioniert dann die meist so hoch gelobte, mit allen Leinen ins Cockpit geführte Refftechnik plötzlich nicht mehr, weil irgendeine Leine in der fliegenden Gischt an einem Umlenkblock einen Kinken gebildet hat und somit ein Crewmitglied in der schweren See ohne Routine an Deck muss, um das Reff einbinden zu können. Hoffentlich hat er seinen Lifebelt eingepickt!

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      Reff 2 im Groß bei Starkwind auf hoher See.

      Segeln bedeutet, die Situation selbst zu analysieren, die Handlungsmöglichkeiten selbst einzuschätzen, die der Situation angemessene Handlung selbst zu entscheiden, diese selbst auszuführen oder durch die Crew ausführen zu lassen und dann schließlich auch für die richtige oder falsche Entscheidung sehr schnell und direkt von der Natur und dem Bootsverhalten belohnt oder bestraft zu werden.

      Wer segeln geht, will Realität erleben. Virtuelles haben wir an Land genug um uns herum …

       Die ästhetische Seite des Segelns

      Viele Fahrtensegler suchen in erster Linie Naturnähe. Ruhe und Entschleunigung vom Alltag in einer nur wenig vom Menschen geprägten Umgebung sind wesentliche Ziele. Ein einsamer Ankerplatz ist ihnen mehr wert als eine an Infrastruktur reiche Marina mit Duschen und Shoppingmeile. Und wenn der Wind abflaut, wird nicht gleich der Motor gestartet, sondern mit der größtmöglichen Segelfläche möglichst lange auch der letzte Hauch von Wind genutzt, um weiterzukommen. Auch wenn es nur noch mit 1–2 Knoten weitergeht. Allerdings nicht aus ökonomischen Gründen, sondern aus der ästhetischen Freude an der Bewegung des Segelbootes im Wind, sanft durch das Wasser zu gleiten oder auch kraftvoll hoch am Wind durch die hohe Windsee zu stampfen. Der Alptraum eines solchen Seglers sind Motorboote, die mit viel zu geringem Abstand bei Schwachwind vorbeidonnern.

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      Imposanter Regenbogen auf See kurz vor Sonnenuntergang.

      Der Segel-Ästhet verfolgt die Veränderungen der Wolkenformationen nicht nur, weil sie Aufschluss geben über die Wetterentwicklung, sondern auch – und vielleicht sogar in erster Linie – in einer Art kontemplativer Meditation, weil er sie einfach schön findet. Genauso erlebt und genießt er das bewegte Gleiten durch die See, die Wellenbilder und die Lichtreflexionen an der Wasseroberfläche. Lichterscheinungen sind ohnehin ein ganz wesentliches Erlebnismoment auf See. Der Halo-Ring um die Sonne herum als Hinweis auf höhere Luftfeuchtigkeit in der oberen Atmosphäre ist auch ohne meteorologisches Hintergrundwissen ein Augenschmaus. Und wer sieht schon an Land einen vollständigen Halbkreis als Regenbogen? Auf See ist das keine Seltenheit. Nach manch einem kräftigen Regenschauer in der Ferne kann

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