Die kleine Stadt. Heinrich Mann
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»Als ich in Forlì1 stand«, sagte der Leutnant der Carabinieri, »zeigte man mir einen Maler, der zwei Fiaschi trinken konnte. Freilich war er ein Deutscher.«
»Wozu auch«, schloss der Advokat, »da sie spielend mehr Geld verdienen, als sie brauchen, und keine Sorgen haben. Für uns Bürger ists anders eingerichtet auf der Welt. Aber es ist nicht übel, dass es auch Menschen gibt, die ein so leichtes Leben haben, nach Herzenslust über die Stränge schlagen dürfen und immer guter Laune sind. Haben wir erst einige der Art hier bei uns, wird es lustig werden.«
»Das kann nicht schaden!« rief der Apotheker. Gleich darauf hielt er sich den Mund zu und schielte nach seinem Hause hinauf. Man lächelte. Er entschuldigte sich.
»Immer sind Leute in der Nähe, die es mit den Priestern halten.«
Der Advokat behauptete: »Wenn wir uns die Komödianten nicht zu unserem Vergnügen kommen ließen, sollten wir es tun, um die Priester zu ärgern.«
Der Gemeindesekretär hob die Schultern, der Wirt aber sagte dröhnend:
»Sind wir denn noch immer unter dem Papst?«
Man schrie: »Bravo, Achille!« – und dahinten sah man aus der Kathedrale über den Corso und in den Palazzo Torroni eine schwarze Gestalt huschen. Der Apotheker seufzte.
»Armer Baron! Auch ihn halten sie mittels der Frau. Da kann man sich dann nicht rühren, ohne dass es weh tut. Glaubt mir, ihr Jungen, nehmt nie eine Frau, die es mit den Priestern hat!«
Der Advokat stellte die Hand an den Mund.
»Und dennoch ist Don Taddeo betrogen, und der Baron hat mir heimlich, Sie verstehen: unter einem Decknamen seinen Beitrag geschickt für das Theater.«
Funkelnd betrachtete er seine Wirkung, legte sich den Finger auf die Lippen und machte eine Pause. Dann:
»Der Beitrag ist sogar bedeutend genug, dass wir den des alten Nardini verschmerzen können.«
»Eine schöne Familie, die Nardini« – und der Apotheker stieß den Stock aufs Pflaster.
»Ihre Mitbürger halten sie ihres Verkehrs nicht würdig, nie wollten sie dem Klub beitreten, und die Enkelin stecken sie ins Kloster!«
»Noch ist sie nicht darin«, sagte der junge Savezzo, mit plumper Eleganz an das Haus gelehnt. »Und als ich im Klub meinen Vortrag über die Freundschaft hielt, hat sie ihre Magd hingeschickt und sich darüber berichten lassen.«
»Ah, Totò möchte sie draußen behalten.«
Unter den spöttischen Blicken begann das linke Auge des jungen Menschen auf seine pockennarbige Nase zu schielen.
Der schöne Alfò, des Wirtes Sohn, sagte:
»Ist sie schön, die Alba!«
Dann sah er unbeirrt und eitel umher.
»Ihr beide werdet keinen Erfolg haben« – und der Gemeindesekretär lachte auf. »Hat doch nicht einmal der Severino Salvatori sie bekommen, obwohl er mit einem Korbwagen umherfährt. Vielleicht, wenn ihr keine Mitgift verlangt. Denn der Alte will sie billig los sein. Er ist noch geiziger als fromm.«
»Auch fromm ist er«, versicherte Savezzo. »Und wohltätig. Der alte Brabrà lebt ganz vom Nardini, seit dreißig Jahren bald. Jeden Sonntag nach der Messe wird dort unten in Villascura den Armen das Mehl ausgeteilt. Alba selbst tut es.«
»Alba selbst«, wiederholte Alfò.
»Aber als ich ihm die Liste brachte«, sagte der Advokat mit steilem Finger, »wissen Sie wohl, was der Nardini mir geantwortet hat?«
Alle wussten es, ließen sich aber gern zum zehnten Mal dadurch aufbringen.
»Er hat mir geantwortet: wenn er dafür zahlen solle, dass die Komödianten fortbleiben, dann wolle er zahlen.«
Der Apotheker schlug auf den Tisch; das Schweigen der anderen war stürmisch. Da sagte der schöne Alfò, und das einfältigste Lächeln legte seine weißen Zähne frei:
»Dennoch will ich Alba heiraten.«
Niemand würdigte ihn einer Entgegnung.
»Auch seinen Wasserfall«, erinnerte sich der Gevatter Achille, »hat er der Stadt ein wenig teuer verpachtet.«
»Unsere Schuld« – und der Gemeindesekretär hob die Schultern; »ich war gegen die Elektrizitätsanlage und bin es noch. Aber man hört nicht auf mich«, sagte er mit einem Blick auf den Advokaten, der die Arme in die Luft warf.
»Wollen wir, ja oder nein, den Fortschritt?« schrie der keuchend.
»Und wem verdanken wir ihn«, antwortete der junge Savezzo, »als einzig dem Advokaten?«
»Ist es einer Stadt wie der unsrigen würdig«, fragte der Advokat weiter, »die öffentlichen Plätze mit Petroleum zu erleuchten? Und wie sollen wir vor den Fremden dastehen, die uns besuchen werden, wenn unsere Theatersaison begonnen hat?«
»Versteht sich«, machten die anderen; nur der Sekretär schüttelte die zusammengelegten Hände.
»Da haben wirs. Weil wir eine Theatersaison haben, müssen wir elektrisches Licht anlegen, und weil wir wie Venedig oder Turin das Verfassungsfest feiern, mussten wir in einem Feuerwerk fünftausend Lire abbrennen. So zieht eine Tat des Größenwahns die andere nach sich, und das Ende, das ich voraussehe, ist der Bankrott. Ah, Ihr Herren, unsern Bürgermeister, den würdigen Herrn Augusto Salvatori, der das Haus nicht mehr verlässt, trifft keine Schuld: sie trifft nur einen!«
Und er stieß mit dem Finger nach dem Advokaten, der sich auf dem Stuhl umherwarf.
»Wollen wir, ja oder nein, den Fortschritt?«
Da rundete