Die kleine Stadt. Heinrich Mann

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Die kleine Stadt - Heinrich Mann

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glau­be, dass er als Büh­nen­lei­ter heu­te …«

      »Und die Her­ren«, kreisch­te der klei­ne Bar­bier, »bit­te ich, mir nur ein­mal über die Wan­ge zu strei­chen und dann zu sa­gen, ob man ver­mu­ten wür­de, dass dort je ein Bart ge­wach­sen ist. So ra­sie­re ich!«

      »Ah! so ists recht: auch Sie, Herr Nel­lo Gen­na­ri. Das Fräu­lein Ita­lia und der Herr Nel­lo«, rief der Wirt, »das sind die ge­ehr­ten Gäs­te der Her­ber­ge ›Zum Mon­d‹. Ma­set­ti, das Ge­päck der Herr­schaf­ten! Ihr Leu­te, den Weg frei!«

      Die der­be Schwar­ze hieb ei­nem halb Be­trun­ke­nen, der sie be­tas­te­te, den Fä­cher um den Kopf. Dazu lach­te sie mit ih­rer di­cken Kehl­stim­me.

      »Ei, seht, die Lus­ti­ge!« schrie es. »Ist sie sym­pa­thisch!«

      »Aber seht das böse Ge­sicht der an­de­ren! Kann man so böse sein! Sie wird die He­xen spie­len«; – und die Frau­en tra­ten ganz dicht an die Pri­ma­don­na hin­an und starr­ten ihr tie­risch feind­se­lig in die Au­gen.

      »Ich wer­de dich nicht hei­ra­ten«, er­klär­te Alfò, der Sohn des Café­wirts, mit sei­nem tö­rich­ten Lä­cheln. Sie be­trach­te­te ihn ohne Spott, die Hän­de in den Man­tel­ta­schen.

      »Und ich dich nicht, du Schö­ner!«

      »Er ist nicht mehr schön«, sag­te eine Frau und schlug sich auf die Brust. »Der Schö­ne ist jetzt euer Te­nor.«

      »Man wür­de sa­gen, ein jun­ger Hei­li­ger!«

      »Wäre er mein Sohn! Mein Sohn ist häss­lich und schlägt mich.«

      »Zeig uns dein Ge­sicht! Ich will dich küs­sen.«

      »O du Scham­lo­se!«

      Und tief aus der Men­ge schall­te eine Ohr­fei­ge.

      »Bra­vo!« sag­ten Män­ner­stim­men. »Sie sind ver­rückt, die Wei­ber.«

      »Aber auch ich wür­de mich ver­lie­ben!« rief der bie­de­re Bass des Apo­the­kers Ac­qui­sta­pace; und vie­le hel­le Stim­men, auf al­len Sei­ten und weit­hin, ver­stört, se­lig, im Ton des Träu­mens:

      »Ah! sei­ne Au­gen. Er sieht mich an!«

      *

      Er stand al­lein; sei­ne Ka­me­ra­den wa­ren von ihm weg­ge­tre­ten wie auf der Büh­ne, wenn der Bei­fall nur ihm galt; und die Arme ver­schränkt, die Schul­tern hin­auf­ge­zo­gen, führ­te er sein leich­tes und den­noch be­schat­te­tes Lä­cheln über die Ge­sich­ter der Men­ge. Sie ant­wor­te­te:

      »Es lebe der Gen­na­ri!«

      Die Jun­gen kreisch­ten:

      »Er lebe!« – und ein Hän­de­klat­schen, ir­gend­wo aus­ge­bro­chen, griff um sich, sprang über den Platz.

      Es ward zer­ris­sen von ei­nem schwe­ren Glo­cken­schlag; und wie vom Turm nun das Ave stieg, wen­de­ten alle sich ab. Die Men­ge ent­fal­te­te, aus­ein­an­der­rau­schend, zwei wei­te Flü­gel; zwi­schen ih­nen, am Ende ei­ner stum­men Gas­se von Men­schen, lag vor dem jun­gen Sän­ger die kah­le Kir­chen­mau­er. Nur auf ihr noch war ein Streif Son­ne. Die ein­sa­men Klän­ge der Höhe; un­ten das Stau­nen der Stil­le: und da ging dort hin­ten im Son­nen­streif, al­lein und rasch, eine Frau in Schwarz ent­lang. Sie war klein und schlank, ging vor Eile ein we­nig ge­neigt; und in dem schwar­zen Schlei­er, den die letz­te Son­ne durch­leuch­te­te, sah Nel­lo Gen­na­ri ein wei­ßes, wei­ßes Pro­fil, des­sen Lid ge­senkt war und sich nicht hob. Sie lang­te beim Por­tal an, stieg zwi­schen den Lö­wen hin­auf, und schon schwamm vor dem Dun­kel, das sie auf­nahm, nur noch, kup­fer­rot und be­sonnt, ihr großer Haar­kno­ten, – da wen­de­te sie sich um, ganz um und sah von oben die Men­schen­gas­se hin­ab. Er dort am Ende hielt die Arme nicht mehr ver­schränkt, und sein wan­ken­des Lä­cheln such­te in den Schlei­er ein­zu­drin­gen, zu je­nem ver­schwim­men­den Oval aus fer­nem Ala­bas­ter …

      Ein Au­gen­blick, dann en­de­te das Läu­ten, die Men­ge schloss sich wie ein Tor, und auf­schre­ckend sah der Te­nor all die Ge­sich­ter zu­rück­ge­kehrt, die er ver­ges­sen hat­te.

      Sein Ka­me­rad, der Ba­ri­ton, stand vor ihm und sag­te:

      »Ich war im Ort um­her, nach Woh­nun­gen für uns. Wer sich be­gnügt, zahlt we­nig.«

      »Gad­di, wer war jene Frau?«

      »Schon eine Frau? Im­mer Frau­en! Ah, die­ser Nel­lo. Er ver­liert sei­ne Zeit nicht.«

      »Wer war sie?«

      »Ich habe nichts ge­se­hen, mein ar­mer Nel­lo. Was willst du: ich bin ein Fa­mi­li­en­va­ter vol­ler Sor­gen. Gleich wer­den die Mei­nen hier sein, vier Köp­fe, und es heißt ih­nen Ob­dach schaf­fen. Ich su­che einen ge­wis­sen Sa­vez­zo, der Zim­mer ha­ben soll.«

      »Nichts ge­se­hen! Und du musst – nein, blei­be! Dies ist wich­tig: ganz nahe musst du an ihr vor­bei­ge­kom­men sein.«

      »An wie vie­len Frau­en bin ich vor­bei­ge­kom­men! Auch du, Nel­lo, wirst glück­lich an die­ser vor­bei­kom­men, wie noch an je­der. Ge­hab dich wohl.«

      Und der Mann mit dem Cäsa­ren­pro­fil nahm ge­setz­ten Schrit­tes sei­nen Weg wie­der auf. Der Te­nor drang plan­los in die Men­ge ein. »An ihr vor­bei­kom­men«, dach­te er. »Nie­mals wer­de ich an ihr vor­bei­ge­lan­gen. Wenn ich sie wie­der­fin­de, wer­de ich sie lie­ben: im­mer, im­mer.« Da schlug ein rie­si­ger Fe­der­fä­cher ihm eine par­fü­mier­te Luft ins Ge­sicht. Mama Pa­ra­di­si, flan­kiert von ih­ren bei­den Töch­tern, ver­sperr­te dem jun­gen Man­ne den Weg.

      »Das ist er!« flüs­ter­ten sie laut, alle drei; sa­hen ihn starr lo­ckend an aus ih­ren brei­ten, wei­chen, ge­pu­der­ten Ge­sich­tern, lie­ßen die Fä­cher ru­hen und die durch­sich­ti­gen Blu­sen sich he­ben und quel­len. Der jun­ge Mann hat­te, be­vor er’s wuss­te, ent­ge­gen­kom­mend ge­lä­chelt. Mit Stim­men wie Fe­der­kis­sen ver­si­cher­ten sie ihm, dass sie um sei­net­wil­len ins Thea­ter zu ge­hen ge­däch­ten.

      »Wir lie­ben so sehr die Kunst. Wer­den Sie, wenn wir recht laut klat­schen, uns zu Ge­fal­len eine Arie wie­der­ho­len?«

      Er ver­sprach es, hin­ge­ris­sen, die Hand auf dem Her­zen, mit tie­fen Bli­cken in alle drei Au­gen­paa­re.

      Ein schreck­haf­ter Ruck in der Men­ge trenn­te ihn von den Da­men. Da­hin­ten, wo ein Paar wachs­blas­ser Hän­de durch die Luft schwan­gen, brach ein ho­hes, zor­ni­ges Jam­mern an.

      »Ihr wer­dets be­reu­en! Geht nach Hau­se, geht! Ah! ihr Ge­sin­del, den Ko­mö­di­an­ten lauft ihr nach, als hiel­tet ihr euch am Schwan­ze Sa­t­ans fest, um de­sto si­che­rer zur Höl­le zu fah­ren.«

      »Don

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