Die kleine Stadt. Heinrich Mann

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Die kleine Stadt - Heinrich Mann

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das­sel­be. Und im­mer gehe ich ih­nen auf den Leim. Es fängt an, mich zu ekeln … Aber sie? Wer war sie?«

      »Hö­ren Sie, Herr Sa­vez­zo, ich sah vor­hin …«

      Aber die schwa­che wü­ten­de Stim­me, die Stim­me je­ner in der Luft ste­hen­den, rück­wärts ge­krampf­ten Hän­de fuhr da­zwi­schen; sie klang, als renn­te sie in ei­nem hek­ti­schen An­sturm al­les nie­der.

      »Fort mit ih­nen, ehe es zu spät ist! Sonst frisst die Sün­de um sich, ihr ver­brennt dar­in! Wehe de­nen, die die­se Leu­te ge­ru­fen ha­ben! Und ver­dammt sei, wer sie bei sich auf­nimmt!«

      Meh­re­re Frau­en­stim­men ant­wor­te­ten:

      »Recht hat er, wir wol­len nicht ver­dammt wer­den.«

      Der jun­ge Sa­vez­zo hob die Schul­tern.

      »Was will denn der? Wa­rum soll­te ein Bie­der­mann wie der Herr Gad­di …«

      »Herr Sa­vez­zo, ich sah vor­hin eine Frau in den Dom tre­ten, wer war sie?«

      »In den Dom? Es tre­ten so vie­le in den Dom …«

      »Ein schwar­zer Schlei­er, ein kup­fer­ro­ter Haar­kno­ten.«

      »Wir ha­ben hier kei­nen kup­fer­ro­ten Haar­kno­ten. Wie die­ser Pries­ter schreit! und im­mer das­sel­be, man ver­steht ein­an­der nicht.«

      »Sehr schlank, von sehr wei­ßer Haut«, sag­te fle­hend der Te­nor. Die Mie­ne des an­de­ren blieb ver­schlos­sen. Plötz­lich wen­de­te er sich ab und mach­te zwi­schen den Zäh­nen »oho!«

      »Was steht ihr und reibt euch am Las­ter! Packt euch! Oh! möch­te doch der Him­mel euch ein Zei­chen ge­ben der Ge­fahr, ihr Blin­den!«

      Und die Hän­de dort über den Köp­fen schie­nen mit dem Him­mel zu rin­gen in letz­ter Not, wie hei­li­ge Jung­frau­en beim Ster­ben.

      »Solch ein Fa­na­tis­mus wirkt ab­sto­ßend«, sag­te der Ad­vo­kat Be­lot­ti er­stickt. »Die Da­men zwei­feln doch nicht, dass uns trotz die­sem trau­ri­gen Herrn aus der Sa­kris­tei sehr wohl be­kannt ist, was wir der Kunst schul­den. Ich für mei­nen Teil wer­de mir jetzt erst recht die Frei­heit neh­men, Ih­nen, Fräu­lein Flo­ra Gar­lin­da, mein Haus zur Ver­fü­gung zu stel­len.«

      Die Pri­ma­don­na er­wi­der­te:

      »Ich dan­ke Ih­nen. Aber es wür­de sich für mich nicht zie­men.«

      Da wag­te der Apo­the­ker Ac­qui­sta­pace sich vor.

      »Wenn das Fräu­lein denn zu ei­nem Jung­ge­sel­len nicht ge­hen will: ich bin ver­hei­ra­tet, wir sind eine sehr ehr­ba­re Fa­mi­lie, und wir wis­sen wohl, dass die Kunst und das Las­ter zwei­er­lei ist …«

      »Ro­mo­lo!« rief es sehr scharf hin­ter ihm.

      »Mei­ne Lie­be?« – und die Stim­me des al­ten Krie­gers ver­such­te tap­fer zu blei­ben.

      Plötz­lich kreisch­te al­les auf; die Men­ge schwank­te und be­kam Ris­se; ei­ni­ge Jun­gen lie­fen heu­lend da­von.

      »Der Pries­ter hat sie ins Ge­säß ge­tre­ten«, sag­te der Ad­vo­kat. »Er geht zu Ge­walt­ta­ten über. Soll man sei­ne Kin­der von die­sem Elen­den miss­han­deln las­sen?«

      Da­bei zog er selbst sich ganz lei­se ge­gen den La­den des Bar­biers No­nog­gi zu­rück. Der Apo­the­ker war fort, und vie­le der nächs­ten hat­ten sich un­auf­fäl­lig in das ge­lich­te­te Volk ge­mischt. Vor den Sän­gern lag ein frei­er Halb­kreis. Der Schnei­der Chia­ra­lun­zi durch­maß ihn al­lein. Er trat vor die Pri­ma­don­na hin; aber ohne den letz­ten Schritt zu be­en­den, halb schwe­bend, als woll­te er ihr sei­ne Ge­gen­wart leicht ma­chen, be­gann er zu spre­chen. Er rieb sei­ne großen wei­ßen Hän­de mit den Bal­len an­ein­an­der, und sein Lands­knecht­schnurr­bart schau­kel­te.

      »Weil näm­lich doch das Fräu­lein, wie es heißt, die ein­zi­ge un­ter den Herr­schaf­ten ist, die noch nicht ge­mie­tet hat, und ob­wohl ich na­tür­lich nicht wür­dig bin, aber was mei­ne Frau kocht, lässt sich es­sen, denn sie kocht auf Ge­nue­ser Art, denn sie hat­te eine Tan­te in Ge­nua …«

      »Und ich soll bei Ih­nen woh­nen?«

      »Ja, Fräu­lein, ja, das woll­te ich sa­gen.«

      »Das tue ich gern. So ge­hen wir! Hier ist al­les, was ich bei mir habe.«

      Der Schnei­der hob den leich­ten Kof­fer auf sei­ne Schul­tern, wie auf einen Turm, und ging vor der klei­nen zer­zaus­ten und schnel­len Per­son her über den Platz, von dem das Volk ab­lief.

      »Frei­lich bla­se ich das Te­nor­horn«, sag­te er. »Doch wer­de ich, um dem Fräu­lein nicht läs­tig zu fal­len, da­mit auf die Akro­po­lis stei­gen.«

      »Ihr spielt hier wohl je­der ein In­stru­ment! Und der Mae­stro übt euch?«

      »Oh! mich braucht er nicht zu üben. Denn ich selbst bin Chef ei­ner klei­nen Ban­de und spie­le des Sonn­tags in den Dör­fern. Man lebt, wie man kann. Wäre nur nicht die schlech­te Kon­kur­renz! Denn das Fräu­lein hat wohl ge­hört, was der Bar­bier No­nog­gi über mich sag­te. Denn er ist mein Feind. Denn auch er hat solch eine klei­ne Ban­de …«

      »Aber der Mae­stro, wie ists mit ihm?«

      »Der Mae­stro, das ist et­was an­de­res. Er hat auf dem Kon­ser­va­to­ri­um stu­diert.«

      »Ah, er hat stu­diert.«

      »Er ist ein sehr großer Mu­si­ker und ein gu­ter Mann.«

      »Vi­el­leicht ist er ein sehr großer Mu­si­ker, – aber ein gu­ter Mann? Er hat mir nicht ge­fal­len. Er sieht aus wie ei­ner, der kei­nem an­de­ren et­was gönnt. Ich wür­de ihm nicht zu sehr trau­en.«

      Über­rascht wand­te sich der Schnei­der um und späh­te von sei­ner Höhe nach dem Ge­sicht, das sol­che un­ge­ahn­te Din­ge sprach. Sie nick­te ihm so fest und streng in die Au­gen, dass ihm ein Schau­er über den Na­cken lief.

      »Wenn das Fräu­lein meint«, sag­te er ge­hor­sam. »Man kennt die Men­schen nie­mals ganz. Einst, beim Mi­li­tär, hat­te ich einen Freund …«

      *

      Sie be­tra­ten die Gas­se der Hüh­ner­lu­cia. Der Platz blieb fast leer zu­rück. Eine letz­te schwat­zen­de Grup­pe wur­de von Frau­en zer­teilt: »Kommt es­sen!« und rings­um in die Dun­kel­heit ge­trie­ben. Ein Al­ter trip­pel­te nach dem Rat­haus, zün­de­te zwei Öl­lam­pen an und mach­te sich quer über den Platz an die drit­te beim Palaz­zo Tor­ro­ni. Zur vier­ten am Dom ge­lang­te er nicht: der Te­nor Nel­lo Gen­na­ri war plötz­lich da und er­schreck­te den Al­ten.

      »Hört!

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