Mirroring Hands. Richard Hill
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Milton H. Erickson hat die Bedeutung der uralten philosophischen Erkenntnis, dass alles nur im Hier und Jetzt stattfindet, ins Zentrum der therapeutischen Aufmerksamkeit gerückt. Sowohl das, was als Vergangenheit erinnert wird, als auch die Hochrechnung, die Zukunft genannt wird, sind individuelle Konstrukte im gegebenen Moment. Deren Ideodynamik ist weitestgehend unbewusst. Jeder Zustand ist damit kausal begründet, so wie er ist, und kann nicht anders sein. Wie es jedoch weitergeht, ist mehr oder weniger offen. Leidvoll erlebte Beschränkungen und Hindernisse sind oft durch die im impliziten Gedächtnis abgespeicherten biografischen Erfahrungswerte bzw. durch automatische und blitzschnelle Rückgriffe darauf in neuronalen Netzwerken mitverursacht – mit entsprechenden Annahmen, was möglich ist und was nicht. Solche Grenzen sind zwar äußerst wirkmächtig, aber auch zugänglich für Veränderungen (u. a. durch Epigenetik und Neuroplastizität) – selbstverständlich nicht zu jedem Zeitpunkt und nicht für jeden. Insbesondere bei Instabilität des Systems, d. h. in einer Krise oder in der Wachstumszone (growing edge), sind Risiko und Chance die zwei Seiten derselben Medaille. Eine klientenresponsive therapeutische Unterstützung kann für die Entwicklung in diesen Momenten sehr hilfreich sein.
Sicherlich gibt es auf diesem Planeten und im Leben jeder Person objektive und subjektive Grenzen, auch für mögliche Entwicklungen. Es lohnt sich jedoch vermutlich immer, genauer zu untersuchen, wo genau diese verlaufen. Der Vorteil einer therapeutischen Begleitung besteht aus systemischer Sicht schlicht und einfach darin, dass ein zugewandtes Gegenüber zur Verfügung steht. Diese weitere Perspektive ist eine andere und nicht per se besser. Bei leidvollen Erfahrungen und Konflikten oder in Sackgassen des Lebens stehen mit therapeutisch kompetenter Unterstützung sehr wohl mehr Optionen zur Verfügung, als wenn man sich alleine mit alldem befassen würde. Mittels Mirroring Hands kann es gelingen, wesentliche Zusammenhänge zu entdecken, sie zu hinterfragen und zu verändern und/oder sogar Probleme durch Wachstumsschritte einfach hinter sich zu lassen. Ein Segen für die Begleiteten. Hill und Rossi betonen, dass die Begleitenden grundsätzlich darauf achten sollten, ihre eigene Sichtweise nicht bevormundend überzustülpen.
Mirroring Hands leistet zwei wichtige Beiträge zur Fachdiskussion der therapeutischen Hypnose: Erstens erweitert dieser klientenresponsive Ansatz den auf Pathologie und Störungen ausgerichteten Macher- und Reparatur-Ansatz in Medizin und Richtlinienpsychotherapie durch die salutogenetische Perspektive (A. Antonovsky). Nicht nur für Millionen chronisch Kranke sollte sich die therapeutische Begleitung an Optionen zu Gesundung und Heilung ausrichten, am Gärtner-Prinzip von kundigem Hegen und Pflegen. (Dazu habe ich den Vorschlag einer Resonance Based Medicine unterbreitet – ergänzend zur Evidence Based Medicine.4)
Zweitens beziehen Hill und Rossi überzeugend Stellung in der uralten Auseinandersetzung »Technik versus Beziehung« bzw. in der Frage, wie es am ehesten gelingt, Hypnosephänomene für therapeutische Ziele zu verwenden (utilisieren). Sind die erstaunlichen Veränderungen eine Folge mächtiger Techniken, oder wird individuelles Potenzial durch die therapeutische Beziehung zugänglich? Als Kronzeuge sei hier Jay Haley angeführt:
»Nach traditioneller Anschauung war Hypnose ein Zustand des Individuums. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Suggestibilität der Versuchsperson, auf der Tiefe ihrer Trance usw. Erickson ist nun hingegangen und hat sowohl die hypnotisierte Person als auch den Hypnotiseur in die Beschreibung mit einbezogen. Wenn er von ›Hypnose‹ spricht, meint er damit nicht nur Prozesse, die sich im Inneren des Hypnotisierten abspielen, sondern er meint den gesamten Austausch zwischen zwei Menschen. Folglich legt er in seiner Arbeit besonderen Wert darauf, die Kooperation der Versuchsperson bzw. des Patienten zu gewinnen, sich mit Widerstand auseinanderzusetzen, die Bestätigung dafür zu erhalten, dass etwas geschieht usw.«5
Rossis Blick auf das ideodynamische Geschehen in und mittels Hypnose war von Neugier geprägt. Ständig war er auf der Suche nach dem »Aha!« und dem, was er als NNNE (novelty-numinosum-neurogenesis-effect) benannt hat. In vielem war er seiner Zeit visionär voraus. Vermutlich trifft das auch zu auf seine Suche nach einem kleinsten, gemeinsamen Nenner, einem Quantum der existenziellen Dimension. Ähnliche Gedankengänge haben viele Physikerinnen und Physiker beflügelt und sie zu immer neuen Erkenntnissen geführt bzw. mit jeder Antwort zu weiteren wichtigen Fragen.
In diesem Sinne wünsche ich diesem Buch viele Leserinnen und Leser – und diesen viele Aha-Momente.
Hansjörg Ebell
München, im Februar 2021
2»Tribute«-Zoom-Meeting mit Kathryn Lane Rossi u. v. A. (initiiert von Kris Klajs am 20. November 2020).
3The Locksmith Model: Accessing Hypnotic Responsiveness. In: S. J. Lynn a. J. W. Rhue (eds.) (1991): Theories of Hypnosis. Current Models and Perspectives. New York (Guilford).
4Ebell, H. J. (2017): Hypno-Therapeutische Kommunikation: Kernelement einer auf Resonanz basierten Medizin (»Resonance Based Medicine«). Hypnose-ZHH 12 (1+2): 173–202.
5Haley, J. (1996): Typisch Erickson. Muster seiner Arbeit. Paderborn (Junfermann), S. 55.
Einleitung
Richard Hill lernt Ernest Rossi kennen
Ich habe Ernest Rossi das erste Mal im Dezember 2005 »mirroring hands« demonstrieren sehen. Ich war von seiner unbestreitbaren intellektuellen Kompetenz und seinen vielfältigen Ideen regelrecht umgehauen. Mir war klar, dass dies ein wichtiger Wendepunkt in meinem Leben war. Es musste einen Grund dafür gegeben haben, dass ich 7500 Meilen weit geflogen war, um an der Evolution of Psychotherapy Conference teilzunehmen. Ich hätte mir im Traum nicht vorstellen können, dass diese Reise eine zehnjährige Auseinandersetzung mit Ernest Rossi nach sich ziehen würde, die in unserer gemeinsamen Arbeit an diesem Buch gipfelte.
Aber Dinge geschehen nun einmal, und es entspricht ihrer Eigenart, uns über alles, was wir wissen müssen, aufzuklären. Manchmal merkt man schnell und leicht, worauf es ankommt, in anderen Fällen muss man mehrmals unsanft aufgeschreckt werden, bis man endlich versteht, worum es geht und was im Gange ist. Was also hat mich unsanft aufgeweckt? Das waren im Laufe der vergangenen zehn Jahre eine ganze Menge Ereignisse. Ich werde Ihnen nun ein Erlebnis schildern, das einige Jahre zurückliegt und durch das mir völlig klar wurde, warum ich mich zu Mirroring Hands so sehr hingezogen fühlte. Ich hoffe, dass ich es Ihnen durch die Beschreibung dieser Fallgeschichte erleichtere, eine Weile »in meinen Schuhen zu gehen«.
Hills Fallgeschichten: Eine Besichtigungstour
Ich öffnete auf ein unerwartetes Klopfen hin die Tür zu meinem Behandlungsraum. Eine Frau Mitte oder Ende 30 stand vor mir und fragte, ob sie mich sofort konsultieren könne. Das ist zwar ein ziemlich ungewöhnlicher Einstieg, aber ich hatte tatsächlich gerade etwas Zeit und bat sie deshalb einzutreten. Sie sprach schnell und starrte mich ziemlich unumwunden an, was mir etwas auf die Nerven ging; allerdings kam mir ihr Blick nicht psychotisch