Robert Koch. Barbara Rusch
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Robert Koch - Barbara Rusch страница 4
Wie so viele andere drückten auch die Kochs in den 1840er-Jahren Zukunftssorgen, obwohl Hermann Koch in seinem Beruf erfolgreich war und dank seines umfassenden Fachwissens ab 1847 zudem an der Bergschule lehrte. Als hoher Beamter war er ein politisch informierter und interessierter Mensch – 1849 wurde er außerdem zum Stellvertreter des Deputierten in der Zweiten Kammer der Allgemeinen Ständevertretung in Hannover gewählt –, und wahrscheinlich brachte er der Situation in den Jahren um die gescheiterte Deutsche Revolution von 1848 eine gewisse Skepsis entgegen. Letztendlich hatten die politischen Ereignisse im Königreich Hannover nur einige wenige Veränderungen bewirkt, darunter die Abschaffung der Zensur und die Gleichstellung der Juden. Ganz sicher erfüllten ihn jedoch die wirtschaftlichen Probleme jener Jahre mit Sorgen über das wirtschaftliche Wohl seiner Familie. Denn in Clausthal konnten der Bergbau und das Hüttenwesen nicht mehr die ökonomische Sicherheit vergangener Jahrzehnte bieten, und immer mehr Menschen verloren ihre Arbeit.
Der Clausthaler Marktplatz auf einem Aquarell von Wilhelm Ripe von 1856. Links die Holzkirche Zum Heiligen Geist, daneben Oberbergamt, Zehntgebäude und Hauptgebäude der Bergakademie und späteren Technischen Universität.
In dieser Krisenzeit wanderten im Harz wie überall in Europa ab Mitte des 19. Jahrhunderts immer mehr Menschen in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft aus. Ihr Ziel war Amerika oder Australien, wohin etwa einige Familien aus dem Harzer Bergbauort Lautenthal geschlossen emigrierten. Die »Alte Welt« Europa war zu einer Auswanderungsregion geworden, und in manchen Gebieten setzte in den folgenden Jahrzehnten ein wahrer Exodus ein. Angesichts der unsicheren Lage war Emigration auch ein Thema bei den Kochs – ein Gedanke, der Mathilde Koch eher mit Schrecken erfüllte. Übersee war eine Option, eine andere war Frankreich, denn Hermann Koch hatte seine alten Verbindungen nicht aufgegeben. Dies kam auch seinen Gästen zugute, denn er hatte immer einen guten französischen Wein im Haus, den er sich von Freunden besorgen ließ. Mathilde Kochs Ängste waren jedoch erst einmal ausgestanden, als ihr Mann bald eine steile Karriere machte: 1851 übertrug man ihm die Aufsicht über den gesamten Bergbau des Oberharzes und 1853 wurde er zum Bergrat, später zum Geheimen Bergrat, befördert. »Adieu, Australien! Adieu, Hamburg! Clausthal soll nun unsere Heimath, auch unsere liebe Heimath bleiben«, schrieb Mathilde Koch erleichtert an ihre Schwägerin. Dank seiner neuen, gut bezahlten Position konnte sich Hermann Koch einen besonderen Wunsch erfüllen: Er kaufte sein Elternhaus am Kronenplatz zurück, in das die Familie 1854 einzog.
Auf dem Naturtrip
KINDERJAHRE UND SCHULZEIT IM HARZ
Das Haus war geräumig, der dazugehörige Garten riesig. 19 Personen lebten darin: Die Kochs mit ihren elf Kindern, Robert »Roë« Biewend, der Neffe von Mathilde Koch, zwei unverheiratete Tanten, die bei der Haushaltsführung halfen, und drei Bedienstete. Im 19. Jahrhundert nicht ungewöhnlich, führte Mathilde Koch das Anwesen als landwirtschaftlichen Betrieb.
Und das war tatsächlich auch bitter nötig: Denn die Großfamilie war dank Hermann Kochs Stellung im Bergbau zwar gut situiert und zudem gesellschaftlich hoch angesehen, aber keinesfalls reich. An allen Ecken und Enden wurde gespart und hausgehalten. Bei den Kindern stieß die strenge Haushaltsführung nicht immer auf Gegenliebe. In einem Brief an seine Mutter, die sich für einige Zeit nicht zu Hause aufhielt, beschwerte sich der 13-jährige Robert über die Sparsamkeit seiner Tante: »Ich hoffe (und alle andern auch) daß Du bald widerkömst, denn Tante Doris streicht nicht dick genug auf und knört immer, daß Du schilst wenn Du wiederkömst, und es ist so viel aufgegessen.«
»Wie wird Robert mit seinen vielen Geschichten fahren, der muß immer neue und andere Bedürfnisse haben.«
MATHILDE KOCH
Der große Haushalt und die dazugehörige Landwirtschaft bedeuteten für die ganze Familie ein enormes Arbeitspensum. Zum Anwesen gehörten rund 20 Morgen Land, versorgt werden mussten Pferde, Kühe, Schweine und Geflügel, auf Wunsch von Mathilde Koch, die »immer größte Tierfreundin war, wurden noch zwei Hunde, Katzen, Meerschweinchen und Kaninchen gehalten«, schrieb Roberts Bruder Hugo Koch später in seinen Erinnerungen. Die Kinder hatten alle ihren Beitrag zu leisten. Robert, von seiner Mutter zum »Hühnermeister« ernannt, war für die Hühner verantwortlich. Im selben Brief, in dem er sich über den strikten Sparkurs seiner Tante beschwerte, erstattete er seiner Mutter pflichtbewusst Bericht über die Lage im Hühnerstall: »Du wolltest gern wissen, wie es meinen Küken geht, sie sind noch alle munter außer daß 4 Küken von den jüngsten weggekommen und 2 chinesische vorgestern ertrunken sind.«
Trotz aller finanzieller Einschränkungen wurde in der Familie Bildung als Mittel zum wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufstieg großgeschrieben, und man legte deshalb Wert auf eine gute Ausbildung der Kinder. Sowohl die Kochs als auch die Biewends gehörten dem wachsenden Bürgertum an, das im Lauf des 19. Jahrhunderts in Verwaltung, Handel, Justiz und Industrie zunehmend an Bedeutung gewann und mit steigendem Selbstbewusstsein auch nach politischer Mitsprache drängte. Darüber hinaus brachte es die Familientradition im Bergbau mit sich, dass man den Naturwissenschaften und technischen Neuerungen gegenüber aufgeschlossen war. Ehrgeiz, Leistungsbereitschaft, Interesse für praktische Bildung, Technik, Naturwissenschaften und eine gewisse Naturverbundenheit – der Blick in die Familiengeschichte von Robert Koch zeigt, dass diese Faktoren, die später für seine Karriere von entscheidender Bedeutung sein würden, schon in seinem frühesten Umfeld eine wichtige Rolle spielten.
Robert Koch 1854 als Zehnjähriger auf einer Fotografie seines Onkels Eduard Biewend. Zu jener Zeit besuchte er mit wechselnder Begeisterung das Clausthaler Gymnasium.
Roberts Vater machte sich über die Ausbildung seiner Kinder von Anfang an Gedanken. Bereits 1850, Robert war knapp sieben Jahre alt, stellte er einen »Erziehungsplan« für seine Söhne auf. Hermann Koch, ganz ein Mann der Bildung und der Praxis, wollte, dass jeder Sohn ein »Brotfach« und dazu ein Handwerk erlernen sollte. Der Älteste, Adolf, sollte Landwirtschaft studieren und Zimmermann werden. Für den zweiten Sohn, Wilhelm, sah der gläubige Protestant ein Studium der Theologie und eine Ausbildung zum Tischler vor. Da die finanziellen Mittel der Familie zu jener Zeit, vor dem Karrieresprung des Vaters, noch begrenzt waren, beinhaltete der Plan für die jüngeren Söhne kein Studium. So sollte Robert zwei Jahre nach seiner Konfirmation die Schule verlassen, eine kaufmännische Ausbildung absolvieren und nebenbei das Schusterhandwerk erlernen. Doch Hermann Koch erging es ebenso wie vielen anderen Eltern, die für ihre Kinder einen bestimmten Lebensweg planen: Die Söhne zeigten wenige bis gar keine Ambitionen, die beruflichen Vorstellungen ihres Vaters umzusetzen. Tatsächlich absolvierte nur Adolf wenigstens zum Teil die Ausbildung, die sich sein Vater für ihn gewünscht hatte: Er studierte Landwirtschaft in Göttingen und war einige Jahre auf verschiedenen Gütern tätig. 1864 wanderte er zuerst nach Uruguay aus, wo er als Verwalter einer großen Schaffarm arbeitete. Später bewirtschaftete er erfolgreich seinen eigenen großen Grundbesitz im US-Bundesstaat Iowa.
Robert Kochs Geburtshaus in Clausthals Osteröder Str. 13 gehörte zwei unverheirateten Schwestern, die mit den Kochs verwandt waren. Sie betrieben im Erdgeschoss eine Drogerie. Die schöne Sandsteintreppe ist bis heute geblieben.
Dem zweiten Sohn, Wilhelm, schien ein Theologiestudium wenig interessant. Er