Roadtrips Deutschland. Jochen Müssig
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HIGHLIGHTS
Burg Hornberg, Neckarzimmern. Originalgemäuer des Ritters Götz von Berlichingen
Faguswerk Alfeld. Schuhfabrik von Gropius, heute UNESCO-Welterbe
Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel. Bücherschätze vieler Jahrhunderte
Blautopf Blaubeuren. Tiefste und größte Quelle Deutschlands
Adventskalenderhaus Gengenbach. Jeden Dezember wird das Rathaus zum weltgrößten Adventskalender
FESTE UND VERANSTALTUNGEN
Fasend. Gengenbach ist die Hochburg der schwäbisch-alemannischen Fastnacht.
Bad Hersfelder Festspiele. Oper, Theater und Musicals, Juni bis August
Uracher Schäferlauf. Alle zwei Jahre zeigen Schäfer im Juli ihr Können – seit 1723.
Schmalkalder Hirschessen. Alter Brauch von 1379 – heute Ende August als kulinarisches Stadtfest gefeiert
Christkindchenwiegen. Fackeln und Choralgesang an Heiligabend in Korbach
Ein Kopfsteinpflasterbummel wie hier in Hann. Münden gefällt Jung und Alt.
Holz, Stein und Lehm zum Kunstwerk
Wenn Häuser erzählen könnten! Gerade Fachwerkhäuser hätten viel zu berichten über den Lauf der Geschichte – sind die meisten doch viele Hundert Jahre alt und stehen mitten im Ortszentrum oder stattlich in der Landschaft als Heim eines Grundbesitzers. Oft sind ganze Ortskerne denkmalgeschützt, ist das nicht irgendwann immer gleich? Nie, sagen Fans: Neben diversen Stilrichtungen ist jedes einzelne Haus anders. Beschnitzt, bemalt oder mit »Neidköpfen« gegen böse Blicke: echte Handwerkskunst. Um dieses kulturelle Erbe zu betonen, haben sich rund 100 Fachwerkorte zusammengetan – in mehreren Teilen zieht sich die »Deutsche Fachwerkstraße« mitten durch die Republik.
Norden: Zwischen Meer und Harz
Sie beginnt mit der Qual der Wahl zwischen West- und Ostroute – oder dem Entschluss zur Rundtour, von der Elbmündung über Weserbergland und Harz und anschließend durchs Wendland zurück.
Im Westen beginnt die Strecke zum Weserbergland in Stade, wo die Elbe die Nordsee küsst: im historischen Zentrum rund um den Hansehafen. In Nienburg mit Stockturm locken Giebelhaus und Rathaus, in Bad Essen Kirchplatz und Alte Wassermühle, in Stadthagen das viele Fachwerk rund um den Markt. In Alfeld besticht die »Lateinschule«, in der Hanse- und Bierstadt Einbeck die Häusermenge. Und in Northeim steht ein ganzes Ensemble innerhalb alter Stadtmauern.
Die östliche Route beginnt in der Elbtalaue: In Bleckede sind die Gefache meist mit Backstein ausgemauert, in Hitzacker hingegen oft verputzt. Viele nordische Fachwerkhäuser bieten auch Lüchow und Dannenberg im Wendland sowie die Hansestadt Salzwedel, übertrumpft nur von der Residenzstadt Celle mit Welfenschloss. Königslutter lockt mit zwei Rathäusern und Kaiserdom. Wolfenbüttel gehört mit Schloss und »Klein-Venedig« zu Niedersachsens schönsten Städten, kurz vor Hornburg und Osterwieck, »Perle von Sachsen-Anhalt«. Im alten Bischofssitz Halberstadt sticht die Fachwerkkirche St. Johannis hervor, in Wernigerode das Rathaus und das »Kleinste Haus«. Der bunte Zielort Duderstadt gehört zu den beliebtesten der ganzen Straße.
Persönlicher Tipp
FACHWERK AUF NIEDERDEUTSCH
Typisch niedersächsisch sind die großen Tore der Fachwerkhöfe, hier im Wendland.
Geradlinig, schlicht und fast streng, aber mit reichem Schnitzwerk: Quer durch den Norden, von Holland bis Ostpreußen, findet man meist den niederdeutschen oder (nieder-)sächsischen Baustil – die Balken in sehr regelmäßigen Abständen, die Zwischenräume mit Ziegeln ausgemauert. Typisch sind große Hallenhäuser mit mittiger Diele und Vieh in den Seitenschiffen, besonders schön zu sehen im Freilichtmuseum Hitzacker. In den Orten und Städtchen hingegen rückten die Häuser als Bürgerhäuser enger zusammen. Große Ställe waren weniger wichtig, doch »Utluchten« und andere Erker schmücken viel häufiger die Fassaden – etwa in Lüchow, Worbis, Einbeck oder Wernigerode. Auch vorkragende Giebel waren mehr eine Sache der Städter, etwa in Stade oder Bothfeld. Ganze Kirchen aus Fachwerk stehen in Groß Vielen oder Pinnow (Breesen), einzelne Türme beispielsweise im Kloster Loccum und in Detzel (Haldensleben), der Taubenturm im Kloster Marienrode und der Glockenturm der Brandenburger Dorfkirche Prenden.
Mitte: Hessen, Thüringer Wald und Odenwald
Der mittlere Teil der Fachwerkstraße gliedert sich in drei parallele Strecken durch Hessen und Thüringen, bevor die vierte bis an den Odenwald führt. Im Osten geht’s los in der ersten »Historischen Europastadt«, Stolberg, über Bleicherode mit Bergbauanlagen bis Worbis im Eichsfeld. Die Hansestadt Mühlhausen genoss schon Johann Sebastian Bach, in Wanfried lockt der historische Werrahafen und in Treffurt die knuffige Burg Normannstein. Vacha mit herrlichem Rathaus ist das »Tor zur Rhön«, und in Schmalkalden bietet das Fachwerkerlebnishaus alte Baukunst zum Anfassen.
Neben Fachwerk stehen frühklassizistische Bauten, wie das Rathaus von Gengenbach.
Auf vielen Markplätzen locken lauschige Cafés am Brunnen, hier in Bad Camberg.
Persönlicher Tipp
MITTELDEUTSCH VERZAPFT
Frankfurts Rathausplatz, der Römerberg, ist seit dem Mittelalter Zentrum der Stadt.
Lebhafter und ein wenig rebellisch wirkt das mitteldeutsche oder fränkische Fachwerk: Die Balken stehen in unregelmäßigen Abständen, mal weiter, mal enger, gern mit diversen Ziervarianten wie dem Andreaskreuz oder dem »Wilden Mann«. Aber immer sicher verzapft. Meist stehen die Häuser mit dem Giebel zur Straße hin – in den Mittelgebirgen bis an den Neckar und Odenwald, vom Elsass im Westen bis nach Polen, aber auch in Franken. Deutlicher als im Norden scheint das Haus in die Höhe zu streben, der Giebel ragt eher steil auf – ideal für dicht besiedelte, wachsende Orte. Vorn lag die