Roadtrips Deutschland. Jochen Müssig
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Im Weserbergland startet die zweite Teiltour in der »Fachwerkmetropole« Hann. Münden und mäandert über Eschwege – mit mehr als 1000 Fachwerkhäusern – via Melsungen und die Brüder-Grimm-Stadt Wolfhagen nach Korbach. Im fürstlichen Bad Arolsen entschied sich die Zukunft der Niederlande, in Korbach schmückt ein Pranger den Markt, während Fritzlar von alter Größe als Dom- und Kaiserstadt träumt. Hoch über Homberg/Efze bietet die Hohenburg einen schönen Altstadtblick, während Rotenburg an der Fulda von mittelalterlichen Mauern und Türmen gerahmt ist. In Bad Hersfeld steht die größte romanische Kirchenruine von Europa, Schwalmstadt hat gleich zwei Fachwerkkerne und Schlitz mehrere Burgruinen. Zum Schluss geht es rund um den erloschenen Vulkan Vogelsberg über Lauterbach, Grünberg, Lich, Butzbach und das wehrhafte Büdingen bis nach Steinau an der Straße – kurz hinter der Domstadt Gelnhausen, von Barbarossa als Kaiserpfalz gegründet.
Die dritte Tour beginnt im Oranierort Dillenburg und führt über Herborn, Wetzlar, Braunfels und Hadamar bis zur Bischofsstadt Limburg an der Lahn. Sehenswert neben Dom und Schloss ist auch das »Haus der sieben Laster«. Kneippen kann man in Bad Camberg, während Idstein mit Burg und Hexenturm im Zentrum lockt. Die Sekt- und Gutenbergstadt Eltville kombiniert Fachwerk mit prunkvollen Patrizierhäusern.
Von hier geht es aufs letzte Teilstück nach Südhessen: Trebur, Dreieich und Dieburg, wichtig im mittelalterlichen Kaiserreich. Malerisch ist die Brüder-Grimm-Stadt Hanau mit Steinheim, beeindruckend Seligenstadt mit Papstbasilika und Kloster. Es folgen die Residenzstadt Babenhausen und die Schlösserstadt Groß-Umstadt, kurz vor dem Odenwald – Heimat der Glas- und Elfenbeinkunst. Wertheim und Miltenberg, Walldürn, Erbach und Reichelsheim erzählen von vergangenem Reichtum.
Persönlicher Tipp
SÜDDEUTSCH VERNAGELT
Das Gotische Haus von Gelnhausen ist eines der ältesten Fachwerkhäuser Hessens.
Am breiten Abstand zwischen den Ständerbalken und den sogenannten doppelten Rähmhölzern ist das oberdeutsche oder alemannische Fachwerk zu erkennen. Zwischen Neckar und Bodensee bis hinunter in die Schweiz und nach Österreich war es verbreitet, vom Schwarzwald bis zum Böhmerwald. Diese Fachwerkbauten gehören zu den ältesten Deutschlands, sie datieren bis zurück ins 14. Jh. und wurden im 16. Jh. sogar verboten. Denn die Balken wurden »verblattet« und mit Holznägeln verbunden, was sich mit der Zeit als weniger stabil herausstellte, besonders wenn ein Haus brannte. Spätestens nach drei Jahrhunderten hatte sich deshalb auch im Süden das fränkische Fachwerk durchgesetzt. Gut erhaltene Beispiele sind selten, etwa das »Nonnenhaus« in Rottenburg am Neckar, das »Gotische Haus« in Gelnhausen, die Rathäuser in Besigheim und Markgröningen, Teile der Altstadt von Esslingen/Neckar, das Frechshaus in Forchheim sowie das prächtige Palmsche Haus im ohnehin sehenswerten Marktplatzensemble in Mosbach.
Süden: zum Schwarzwald und zum Bodensee
Die südlichste Route beginnt am Neckar, im Fachwerkstädtchen Mosbach mit dem Palmschen Haus. Durch Eppingen führt gar ein Fachwerklehrpfad, durch Besigheim ein Skulpturenpfad, in Bietigheim-Bissingen locken Eisenbahnviadukt und Hornmoldhaus. In Vaihingen wacht Schloss Kaltenstein über das Fachwerkensemble, in Markgröningen die trutzige St.-Bartholomäus-Kirche. In Marbach am Neckar steht Schillers Geburtshaus, in Schorndorf das von Gottlieb Daimler und die prächtige Palmsche Apotheke, und Esslingen punktet mit der ältesten Fachwerkzeile Deutschlands. Kirchheim unter Teck gilt auch als Fliegerstadt. In Bad Urach – mit Wasserfall und Fachwerkschloss – teilt sich die Strecke.
Richtung Schwarzwald geht es nach Herrenberg mit Fachwerkpfad, über Calw – mit Hermann Hesses Geburtshaus, Klosterruine und Wasserrad – bis in die Flößerstadt Altensteig. Dornstetten bietet einmaliges Rundfachwerk, Schiltach ein Apothekermuseum am Bilderbuchmarktplatz. Nach Haslach mit dem Schwarzwälder Trachtenmuseum folgen Gengenbachs Türmesilhouette und das Blumen- und Weindorf Sasbachwalden.
Ostwärts führt der Weg ab Bad Urach zunächst durch Blaubeuren mit Fachwerkkloster, gefolgt von Riedlingen, Biberach – Station der »Schwäb’schen Eisenbahne« – und Pfullendorf. Ziel ist Meersburg am Bodensee, »Juwel europäischen Städtebaus«.
Deutsche Fachwerkstraße
Infos und Adressen
Tübingens »Nonnenhaus« von 1488 war bis Mitte des 16. Jh. Heimstatt von Ordensfrauen.
REISEROUTE
Zusammen rund 3000 km, wird noch erweitert. Nordstrecken: von Stade bzw. Bleckede nach Duderstadt. Mittelstrecken: von Stolberg nach Schmalkalden, von Hann. Münden nach Steinau, von Dillenburg nach Frankfurt-Höchst und von Trebur nach Wertheim. Südstrecken: von Mosbach nach Bad Urach, ab dort westlich bis Sasbachwalden, östlich bis Meersburg
BESTE REISEZEIT
ganzjährig, besonders schön im Frühjahr und Sommer
SEHENSWERT
Rundlingsmuseum Lubeln. Das Freilichtmuseum im Wendland zeigt die uralte Siedlungsform, mit noch 13 historischen Höfen – im Sommer mit Aktionstagen.
Wolfcenter Dörverden. Ziel ist, dass Wölfe nicht als Bestien behandelt werden. Hier erlebt man sie artgerecht. Auch Übernachten und Speisen möglich.
Natur- und Geopark TERRA. vita, Bad Essen. UNESCO-gelisteter Geopark mit 300 Millionen Jahren Erdgeschichte.
Bockbier in Einbeck. Im 13. Jh. kreierten hiesige Brauer das Bockbier – heute führt ein Bierpfad durch den Ort, samt Stadtmuseum mit Bockbierabteilung.
Alte Posthalterei, Stolberg. Mit der historischen Postkutsche durch den Südharz, rund um den Erlebnishof mit Café, Bioscheune und Deutschlands einzigem Holzwurmmuseum.
Hessenpark, Neu-Anspach. Rund 100 Baudenkmäler aus ganz Hessen sind hier original wieder aufgebaut. Mit altem Handwerk und Freilichttheater.
Mikwe, Rotenburg. Informatives jüdisches Museum rund um ein rituelles Tauchbad im kleinen Fachwerkhaus.
Märchenbrunnen Wolfhagen. Verkörpert das Stadtmärchen vom Wolf und den sieben Geißlein. Lesungen in »Grimms Märchenkeller« sind ein Erlebnis.