Fettnäpfchenführer Schweden. Cornelia Lohs
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»Ach was, das ist überhaupt kein Problem. Komm wenigstens auf ein Stündchen dazu, okay? Du sitzt hier schon den ganzen Nachmittag und brütest über deinen Büchern – eine Pause tut dir sicher gut! Meine Freundinnen sind schon da und ganz gespannt auf meine neue deutsche Untermieterin.«
Katharina lässt sich überreden und folgt Emma in die geräumige Küche am anderen Ende des Flurs. Um den runden Holztisch sitzen drei junge Frauen in Emmas Alter und schauen den Neuankömmling hinter ihrer Freundin neugierig an. »Hej, ich bin Stine«, sagt die erste, deutet auf die anderen und fügt hinzu: »Das sind Åsa und Janne.«
»Ich bin Katharina, die neue Untermieterin, aber das wisst ihr sicher schon von Emma«, wirft Katharina in die Runde und setzt sich.
»Na klar, wir haben schon viel von dir gehört«, antwortet Åsa. Die anderen grinsen. Oh je, hoffentlich hat sie ihnen nicht erzählt, dass ich sie mit den Dänen über einen Kamm geschoren habe, huscht es Katharina durch den Kopf. Sie lächelt verlegen und fragt: »Seid ihr Kolleginnen von Emma?«
»Ja und nein«, erklärt Janne, »wir kennen uns schon seit dem Gymnasium und haben nach dem Abitur zusammen studiert. Åsa, Stine und ich sind Designer und haben unser eigenes Studio.«
»Mode oder Möbel?«, fragt Katharina.
»Weder noch«, antwortet Stine. »Wir sind Kommunikationsdesigner. Das ist Emma auch, aber sie hat sich dann für die Fotografie entschieden. Ab und zu übernimmt sie aber Aufträge für uns. Und du bist Wissenschaftlerin?«
»Ja, Molekularbiologin. Künstlerisch bin ich leider überhaupt nicht begabt«, sagt Katharina seufzend.
In der Mitte des Tisches steht eine typische schwedische Erdbeertorte (jordgubbstårta) mit viel Sahne. »Wow, frische Erdbeeren im Herbst!«, ruft Katharina begeistert.
»Leider nur importierte«, erklärt Emma und schiebt die Torte samt Kuchenmesser mit den Worten »Die Ehre gebührt dir« Katharina zu.
Schon wieder etwas über die Sitten in Schweden gelernt, denkt sie, nicht die Gastgeberin schneidet die Torte an, sondern der Ehrengast, und das bin wohl ich. Sie nimmt das Messer in die Hand und fängt an, die Torte zu vierteln, um sie dann in zwölf gleich große Teile zu schneiden. »Passt, für jeden zwei Stück und zwei bleiben übrig«, kalkuliert sie in Gedanken. Als sie aufschaut, bemerkt sie, wie die anderen sich seltsame Blicke zuwerfen. Habe ich die Torte ungleich aufgeteilt? Hätte ich sie in zehn Teile schneiden sollen?, fragt sie sich.
»Du zuerst«, sagt sie zu Emma, schiebt den Tortenheber unter das erste Stück und legt es ihr auf den Teller. Emma schaut ihre Untermieterin irritiert an.
Was habe ich denn jetzt falsch gemacht? Hätte ich zuerst den Gästen Torte geben sollen? Klar, Emma hat eingeladen, die Gäste werden zuerst bedient. Wie dumm von mir!
Sie geht mit der Torte um den großen runden Tisch herum, um Åsa, Janne und Stine je ein Stück auf deren Teller zu geben. Die drei schauen sich amüsiert an, und Katharina kommt es so vor, als müssten sie mühsam ihr Lachen unterdrücken.
Katharina ist ratlos. Irgendetwas hat sie wohl falsch gemacht, aber sie weiß beim besten Willen nicht, was. Und da die anderen nichts sagen und sich nur vielsagende Blicke zuwerfen, muss es wohl etwas sehr Dummes gewesen sein. Schweigend isst sie ihr Stück Torte und wünscht sich zurück in ihr Zimmer.
Was ist schiefgelaufen?
Was Katharina nicht wissen konnte, und was auch in keinem Schweden-Reiseführer zur Etikette erwähnt wird, ist die Tatsache, dass weder Kuchen noch Torten in zwölf gleiche Teile geschnitten werden, es sei denn in einer Konditorei. Ist man bei schwedischen Nachbarn, Kollegen oder Freunden zu Kaffee und Kuchen eingeladen und bekommt die Torte zugeschoben, ist das die Aufforderung, sich selbst ein Stück abzuschneiden, nicht, diese zu vierteln oder gar in zwölf wie mit dem Lineal gezogene gleich große Stücke zu teilen. Anders als in vielen anderen europäischen Ländern steht es jedem Gast frei, sich ein Stück in beliebiger Größe herauszuschneiden. Ob das nun ein Dreieck oder ein Viereck ist, spielt keine Rolle. Im Gegensatz zu Deutschland, wo man es unhöflich fände, wenn sich jeder nach Lust und Laune bedienen würde, gilt in Schweden das Gegenteil. Dort fände man es eher komisch, einen Kuchen in gleiche Teile zu schneiden – übrigens eine Erfindung der Engländer.
Der aufmerksame Leser fragt sich an dieser Stelle wahrscheinlich, wo bei so viel Freiheit das berühmte schwedische Gleichheitsprinzip bleibt. Denn eine Torte in zwölf gleiche Teile zu schneiden, ist doch nur gerecht. Keiner bekommt mehr, keiner weniger als die anderen. Die Schweden sehen das anders: Sie finden, dass alle die Freiheit haben sollten, sich so viel vom Kuchen abzuschneiden, wie sie möchten. Und das Beste daran: Dabei kommt keiner zu kurz; denn bei großen Feiern stehen ausreichend viele Kuchen und Torten auf dem Tisch. Also, zugreifen!
Katharina kann’s besser
Jetzt, da sie von Emma erfahren hat, wie es die Schweden mit Torten handhaben, kann bei künftigen Einladungen zu Kaffee und Kuchen nichts mehr schiefgehen. Nicht noch einmal wird Katharina während ihres Schweden-Aufenthalts den Fehler begehen, einen Kuchen oder eine Torte in gleiche Teile zu vierteln. Im Gegenteil: Sie wird beherzt und ohne falsche Scham ein Stück nach ihrem Appetit abschneiden und ihren Gastge-bern mit einem Augenzwinkern erklären, wie freudlos man in Deutschland Kuchen aufschneidet.
WARUM DIE SCHWEDEN SO VERSESSEN AUF ERDBEERTORTE SIND
Erdbeeren verkörpern für die Schweden den Geschmack des Sommers, und der ist in dem Land im hohen Norden nicht sehr lang. Kein Wunder ist die Erdbeertorte ein wichtiger kulinarischer Bestandteil des Mittsommerfests. Das nutzen die Händler aus – die Preise für Erdbeeren schnellen in den Tagen vor Mittsommer in schwindelerregende Höhen. Gekauft werden sie trotzdem, denn keiner möchte auf die leckere Torte verzichten. Sie besteht aus einem dreistöckigen Tortenboden, der mit einer Schicht aus Vanillecreme und einer Schicht Erdbeeren oder Erdbeermarmelade versehen wird. Danach wird die Torte komplett mit Schlagsahne überzogen und mit frischen Erdbeeren garniert.
Rezept Jordgubbstårta (Schwedische Erdbeertorte)
Die Lieblingstorte der Schweden ist gar nicht so kompliziert zuzubereiten. Die Zutatenliste für Emmas vegane Variante finden Sie unter dem Hauptrezept.
Zutaten:
4 Eier
180 g Zucker
80 g Weizenmehl
80 g Kartoffelmehl
1 TL Backpulver
Für die Füllung:
500 ml Schlagsahne
200 g Erdbeermarmelade
800 g Erdbeeren
1 EL Zucker