Fettnäpfchenführer USA. Kai Blum
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25. JULI, MITTEN ÜBER DEM ATLANTIK
Torsten | Heute fliegen wir zum ersten Mal in die USA, genauer gesagt nach Detroit im Bundesstaat Michigan. Wir werden dort unsere amerikanischen Freunde Mark und Sarah besuchen, die wir vor zwei Jahren auf der Buchmesse in Leipzig kennenlernten und die letztes Jahr mit uns an der Ostsee Urlaub gemacht hatten.
Die beiden wohnen in einer Stadt mit dem etwas merkwürdigen Namen Ann Arbor, die 64 Kilometer westlich von Detroit liegt. Auf Wikipedia habe ich gelesen, dass es dort eines der größten Sportstadien der Welt gibt, in das praktisch die gesamte Bevölkerung der Stadt hineinpasst, nämlich rund 113.000 Menschen. Die müssen ganz schön sportbegeistert sein!
Mark und Sarah werden uns am Flughafen abholen und wir bleiben zunächst ein paar Tage bei ihnen, damit wir uns an die USA gewöhnen können, besonders was die Sprache betrifft. Mein Englisch ist ja eigentlich ganz gut und ich war in den letzten Jahren auch ein paar Mal in London gewesen, aber wer weiß, ob das mit der amerikanischen Aussprache hinhauen wird. Susanne kann nicht so gut Englisch, glaube ich, da sie in der Schule hauptsächlich Russisch gelernt hat.
Nach der Eingewöhnungsphase in Ann Arbor fahren wir dann mit dem Zug nach Chicago im Bundesstaat Illinois und bleiben drei bis vier Tage dort. Eigentlich wollten wir ja unseren gesamten Urlaub in Michigan verbringen, aber Mark und Sarah hatten mehrmals betont, dass Chicago eine ganz tolle Stadt sei, die wir uns unbedingt ansehen sollten. Die Zugfahrt von Ann Arbor nach Chicago dauere außerdem nur fünf Stunden.
Und da so eine amerikanische Großstadt bestimmt ganz hektisch ist, wollen wir uns danach so richtig in der Natur erholen. Mark hatte uns erzählt, dass es im Norden von Michigan sehr schön sei. Viel Wasser und Natur. Sogar Bären, Wölfe und Elche soll es da geben. Klingt doch super! Wir werden uns ein Auto mieten und quer durch Michigan dorthin fahren. So ein Roadtrip ist sicher auch ganz spannend.
Unsere Freunde zu Hause hatten gesagt, dass wir sie auf Facebook über unsere Reise auf dem Laufenden halten sollen. Aber ich finde es ehrlich gesagt blöd, auch im Urlaub dauernd online zu sein. So haben Susanne und ich dann beschlossen, mal ein paar Wochen ohne Internet zu leben und unsere Erlebnisse in einem altmodischen Tagebuch per Hand aufzuschreiben. Ich komme mir jetzt schon wie Jack London vor …
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FLIEGENGITTER UND KONDOME
25. JULI, ANN ARBOR, MICHIGAN
Torsten | Jetzt sind wir in den USA! Die Landung war perfekt, und auch bei der Passkontrolle gab es keine Probleme. Man hört ja immer, dass mit den amerikanischen Grenzbeamten nicht zu scherzen sei. Die Frau am Schalter wollte zwar genau wissen, wo ich hinwill und wie lange ich in den USA bleibe, war aber insgesamt gar nicht unfreundlich. Auch Susanne kam am Nachbarschalter ohne Probleme durch. Am Ausgang warteten Mark und Sarah auf uns. Sie waren braun gebrannt und frohgemut. Sarah war im achten Monat schwanger und kugelrund. Wir freuten uns alle riesig über das Wiedersehen.
Um zu ihrem Auto zu gelangen, führten Mark und Sarah uns durch ein Labyrinth aus Rolltreppen und Fahrstühlen in dem sehr modern aussehenden Flughafen. Die Wanderung endete jedoch in einem extrem schlecht beleuchteten Parkhaus, dem zu entkommen dann wegen der verwirrenden Ausschilderung auch gar nicht so einfach war. Mark fuhr erst einmal einige Runden im Kreis, ohne den Weg zum Ausgang zu finden. Aber schließlich ging es über verschiedene Rampen einige Stockwerke hoch zur Kasse und nach dem Bezahlen wieder hinab und durch einen Tunnel unter den Landebahnen hindurch, bis wir das Flughafengelände endlich verlassen konnten. Während unserer Irrfahrt spekulierten wir, ob der Architekt des Parkhauses Kafka-Fan war.
Draußen schien die Sonne, und wir sogen erst einmal die ersten Eindrücke von Amerika in uns auf. Alles war irgendwie größer: die Fahrspuren, die Autos und Laster sowie die Werbetafeln am Rand der Autobahn. Da sahen wir Werbung für eine Uni, ein Krankenhaus, ein Waffengeschäft und mehrere Anwaltskanzleien. Und von wegen in den USA wird langsam gefahren … Stimmt nicht! Auf der Autobahn rasen hier auch alle wie die Verrückten und überholen zudem rechts genauso wie links und ohne zu blinken. Auch die riesigen Brummis hielten sich nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Selbst einer dieser typisch amerikanischen Schulbusse war bei der Raserei auf der recht holprigen Fahrbahn dabei. Mark fluchte einmal lautstark, als er beinahe auf einen Langsamfahrer auffuhr, der sein Handy am Ohr hatte und ganz in ein Gespräch versunken war.
Dann ging’s plötzlich runter von der Autobahn und wir fuhren nach Ann Arbor hinein. Die Stadt gefiel uns auf den ersten Blick. Schöne Häuser und gepflegte Grünanlagen, wohin wir schauten. Im Stadtzentrum lag ein Restaurant neben dem anderen und die zahllosen Freisitze davor waren alle besetzt. Kellner balancierten mit gefüllten Biergläsern zwischen den Tischen hindurch. Die Leute schienen den Sommer in vollen Zügen zu genießen.
Mark und Sarah wohnten in einem sorgfältig restaurierten alten Holzhaus in der Nähe vom Stadtzentrum. Beim Betreten des Hauses wurden wir von einem Schäferhund namens Max stürmisch begrüßt. Der Hund war erst ein Jahr alt und deshalb immer noch sehr verspielt. Nachdem er sich etwas beruhigt hatte, führten uns Mark und Sarah durch das Haus. Es war ihnen anzumerken, dass sie sehr stolz darauf waren. Sie hatten es erst letztes Jahr gekauft und dann mehrere Monate lang renoviert.
Die riesige Küche sah aus wie aus dem Ikea-Katalog, und als ich dies erwähnte, lachte Sarah und sagte, dass es hier in der Gegend tatsächlich ein ei-kie-a-Kaufhaus gäbe und dass sie die Kücheneinrichtung dort gekauft hätten. Susanne meinte, sie hätte auch gerne so eine Küche – nur kleiner natürlich, denn alle Geräte sind hier viel größer als bei uns. Besonders der Kühlschrank, der gute zwei Meter hoch und beinahe genauso breit war und zwei gleich große Türen hatte: links für den Gefrierschrank und rechts für die normalen Lebensmittel. An der Gefrierschranktür gab es eine Vorrichtung, die Eiswürfel ausspuckte. Mark hatte damit unmittelbar nach unserer Ankunft bereits einige Gläser gefüllt und uns dann Cola eingegossen. Mir gefiel das, aber Susanne fand die Cola viel zu kalt und wollte am liebsten die Eiswürfel herausfischen. Irgendwie schmeckte die Cola auch anders als zu Hause.
Der Kühlschrank war mit einem Speisevorrat gefüllt, der sicher ein halbes Jahr reichen würde. Dass er so gigantisch ist, liegt sicher auch daran, dass die Verpackungen hier ebenfalls wesentlich größer sind als bei uns. Die Milch kommt hier z. B. in riesigen Plastikbehältern mit Griff. One gallon steht auf dem Etikett. Das sind beinahe vier Liter! Auf der Milch, auf den Eiern und auf den Äpfeln waren Sticker mit dem Wort organic aufgeklebt. Als ich fragte, was das bedeutet, erklärte Sarah, dass es sich dabei um Bioprodukte handelt und dass sie jetzt, da sie schwanger sei, auf gesunde Ernährung besonderen Wert legt. »Aber manchmal sündige ich auch.« Mit diesen Worten öffnete sie den Gefrierschrank und deutete auf einen kleinen Eimer, der sich bei näherer Betrachtung als eine riesige Packung Schoko-Eis herausstellte.
KENNZEICHNUNG VON (BIO-)OBST UND GEMÜSE
Obst aus Bio-Anbau kann man außer an der Kennzeichnung organic an einer aufgeklebten Nummer, dem sogenannten PLU code erkennen. Er hat eine fünfstellige Nummer, die mit einer neun beginnt, z. B. 94011. Normales Obst und Gemüse hat dagegen eine vierstellige Nummer, z. B. 4011. Aber Vorsicht: Der PLU code für genmanipuliertes Obst und Gemüse hat ebenfalls fünf Stellen, beginnt jedoch mit einer acht, also z. B. 84011.
Als wir in den Raum neben der Küche traten, dachte ich wegen des riesigen Flachbildschirms an der Wand zuerst an ein Kino, aber es war dann natürlich doch nur das Wohnzimmer. Ein kleiner Flur führte zu Sarahs Arbeitszimmer, das