Fettnäpfchenführer USA. Kai Blum

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Fettnäpfchenführer USA - Kai Blum Fettnäpfchenführer

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»Wie soll ich denn das wissen, wir sind doch schon seit Jahren nicht mehr bei McDonald’s gewesen«, gab ich zurück. »Pommes heißen hier übrigens French Fries«, sagte Mark, bevor er sich an Susanne wandte: »Und was möchtest du?«

      »Ich nehme einen Ördbörshake«, sagte sie, stolz auf ihr bescheidenes Englisch. »One strawberry milkshake, please«, sagte Mark in Richtung Wechselsprechanlage, während ich mich kaputtlachte. »Öördböörshake!«, imitierte ich Susanne und äußerte den Wunsch nach einem Bier, nachdem ich dieses auf der Leuchttafel mit dem Speise- und Getränkeangebot erspäht hatte. »Na, dich hätte hier auch keiner verstanden«, erwiderte sie trotzig. Damit hatte sie vielleicht recht, aber nicht weil mein Englisch so schlecht war wie das ihre, sondern weil die Sachen hier einfach anders heißen.

      Das Bier war dann auch kein Bier, sondern irgendwas Abscheuliches, das wie eine Mischung aus Hustensaft und Geschirrspülmittel schmeckte und das ich einfach nicht hinunterwürgen konnte. Mir blieb nichts anderes übrig: Ich spuckte es aus dem Autofenster. »Stimmt was nicht?«, fragte Mark schmunzelnd, während ich den eben erlebten Geschmacksgau noch verarbeitete und innerlich debattierte, ob ich vielleicht eine jener Biermarken erwischt hatte, die den schlechten Ruf des amerikanischen Bieres begründeten oder ob da jemand was verwechselt hatte. Ich entschied mich für Letzteres, denn so abscheulich konnte nun wirklich kein Bier auf der ganzen Welt schmecken.

      »Ich glaube, das ist kein Bier«, sagte ich, vor Ekel zitternd und kaum in der Lage zu sprechen. Mark brach in schallendes Gelächter aus. »Das ist root beer!« Nachdem er sich beruhigt hatte, erklärte er mir, dass das so eine Art Malzbier ist – und dass man damit aufgewachsen sein muss, um es zu mögen. »Das schmeckt ganz lecker mit einer Kugel Vanilleeis drin«, meinte er. Das glaubte er doch wohl selber nicht!

       Was ist diesmal schiefgelaufen?

      Das Missgeschick mit dem Wassertreter hat sicher nichts mit den USA zu tun, das hätte woanders auch passieren können. Und dass man eine Schwimmweste anlegen muss, liegt nicht an der drohenden Materialermüdung, sondern daran, dass Amerikaner sehr sicherheitsbewusst sind und lieber vorbeugen, als sich dann mit den gesundheitsschädigenden bzw. tödlichen Folgen eines Unfalles oder mit einem Rechtsstreit herumschlagen zu müssen. Dies hat zur Folge, dass beinahe jeder Fahrradfahrer in den USA einen Helm trägt, ebenso wie Kinder auf Tretrollern und Leute auf Rollschuhen. Der schriftliche Verzicht auf eine Klage im Schadensfall ist ebenfalls die Norm, wenn man Boote, Wassertreter, Fahrräder oder Ähnliches ausleiht.

      Dass Susanne mit dem Rollschuhläufer zusammengestoßen war, der in dem Moment sicher in Sachen Helmtragen bestärkt wurde, lag wohl in erster Linie daran, dass sie nicht aufgepasst hatte. Spaziergänger, Fahrradfahrer und Rollschuhläufer benutzen in amerikanischen Parkanlagen oft dieselben Wege, ohne dass es zu nennenswerten Zwischenfällen kommt. Fahrräder haben in den USA normalerweise keine Klingel und Fahrradfahrer machen sich daher einfach durch den Zuruf »On your left!« bzw. »On your right!« bemerkbar, wenn sie jemanden von hinten überholen wollen. Rollschuhläufer machen auf die gleiche Weise auf sich aufmerksam, falls das notwendig sein sollte. Susanne ist also entweder plötzlich in die Bahn des älteren Herren gesprungen, als sie mit dem Hündchen spielte, oder sie hat seinen Warnruf nicht gehört. Möglicherweise traf sogar beides zu.

       Guten Appetit: Root beer und Filet-O-Fish

      Im Großen und Ganzen ähneln sich die Filialen von McDonald’s natürlich weltweit. Bei den Details kann es aber eine Menge kleine und große Unterschiede geben. Z. B. kann man bei McDonald’s in den USA, im Gegensatz zu den deutschen Niederlassungen, kein Bier bekommen.

      Das von Torsten irrtümlicherweise bestellte root beer ist ein alkoholfreies Getränk aus Kräuter- bzw. Wurzelextrakten, an dem wohl nur die wenigsten Europäer Gefallen finden. Es ist in den USA und Kanada beliebt und wird oft mit dem deutschen Malzbier verglichen.

      Dieser Vergleich, den auch Mark gezogen hatte, ist jedoch nicht richtig. Malzbier wird aus Gerstenmalz, Hefe, Zucker und Kohlensäure hergestellt und schmeckt ganz anders als root beer, das ursprünglich aus den Wurzeln des Lorbeergewächses Sassafras hergestellt wurde. Heutzutage wird der Sassafras-Geschmack jedoch künstlich erzeugt und oft durch andere Geschmacksstoffe, wie z. B. Vanille oder Muskat, ergänzt.

      In Nordamerika gibt es Hunderte Wurzelbier-Marken, die alle nach verschiedenen Rezepten hergestellt werden. Die Bekannteste ist A&W, die es schon seit 1922 gibt. In den USA gibt es auch mehr als 200 A&W-Restaurants, die für ihre sogenannten root beer floats bekannt sind. Dabei handelt es sich um ein Glas root beer, in dem, wie Mark erwähnt hatte, eine Kugel Vanille-Eis schwimmt. Eine andere beliebte Version mit Schoko-Eis wird chocolate cow oder brown cow genannt. Soweit die Fakten. Warum die Amerikaner root beer köstlich finden, bleibt unerklärlich.

      Pommes Frites heißen in den USA French fries. Bemühungen konservativer Politiker, die frittierten Kartoffelstreifen wegen der mangelnden Unterstützung des Irak-Krieges durch die französische Regierung in freedom fries umzubenennen und die (ahnungslosen) Franzosen auf diese Weise zu »bestrafen«, fruchteten allerdings nicht.

      Der Fishmäc, der in den USA schon immer und seit einiger Zeit nun auch, wie Susanne richtig bemerkte, in Deutschland Filet-O-Fish heißt, wurde 1962 von Lou Groen erfunden, der eine McDonald’s-Filiale in Cincinnati (im Bundesstaat Ohio) betrieb und dessen Kundschaft hauptsächlich aus Katholiken bestand. Da diese am Freitag keine Hamburger kauften, kreierte er zum Ausgleich des Umsatzverlustes an diesem Tag einen Fisch-Burger.

      Die Konzernleitung von McDonald’s hatte sich zu dieser Zeit auch schon Gedanken über eine fleischlose Alternative gemacht: Der hula burger hatte statt Fleisch eine Ananas-Scheibe in der Mitte. Im Testverkauf setzte sich das Fisch-Sandwich allerdings auf Anhieb durch und begann damit seinen weltweiten Siegeszug.

      Der Hamburger wurde übrigens nicht von McDonald’s erfunden. Die älteste Hamburger-Fastfood-Kette ist vielmehr White Castle. Das Unternehmen wurde 1921 in Wichita (Kansas) gegründet und hat heute 420 Filialen, die hauptsächlich im Mittleren Westen und im Großraum New York zu finden sind.

      Die Gründer, der Koch Walter Anderson und der Versicherungsverkäufer Billy Ingram, mussten anfangs aber erst einmal die Hackfleisch-Abneigung der amerikanischen Bevölkerung überwinden. Der Schriftsteller Upton Sinclair hatte nämlich 1906 in seinem Roman The Jungle einem Massenpublikum die hygienischen Missstände in den Schlachthöfen und Konservenfabriken Chicagos vor Augen geführt. Um den Eindruck kompletter Reinlichkeit zu vermitteln, wurden die White-Castle-Restaurants, die damals wie heute ein wenig wie kleine mittelalterliche Festungen aussehen, außen mit weißer Emaille verkleidet und innen mit viel Edelstahl versehen. Die Angestellten waren in makellos saubere Uniformen gekleidet. Die Restaurants maßen nur 8,5 mal 8,5 Meter und wurden als Bausätze geliefert.

      Walter Anderson erfand nicht nur den Hamburger, sondern entwickelte auch die Fließbandmethode in der Küchenarbeit, die sich schnell und ohne großen Aufwand an unausgebildete Arbeitskräfte vermitteln ließ. Damit einher ging eine Standardisierung der Speisen, sodass die Kunden in jedem White-Castle-Restaurant das Gleiche erwarten konnten. Damit war das moderne Fast Food geboren.

      A&W, der oben erwähnte Root-Beer-Hersteller, entwickelte dann 1924 das Franchise-Konzept, d. h. die Eröffnung von Lizenzbetrieben durch selbständige Betreiber, die den Markennahmen, die Ausstattung und die Produkte der Mutterfirma nutzen. Bald schossen überall Fast-Food-Restaurants aus dem Boden. Heutzutage gibt es z. B. mehr als 30.000 McDonald’s-Restaurants in den USA, die als Franchise betrieben werden.

      

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