Fettnäpfchenführer USA. Kai Blum

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Fettnäpfchenführer USA - Kai Blum Fettnäpfchenführer

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es einmal genauer betrachtet, wird man feststellen, dass viele Situationen dadurch eine positivere Atmosphäre haben und dass Kinder in richtigen Verhaltensweisen bestärkt werden. Damit wird die in Amerika vorherrschende Einstellung, dass sich jedes Problem bewältigen lässt, wenn man es nur will, schon von Kindesbeinen an entwickelt. Wie realistisch und lebensnah ein solches Herangehen ist und ob den Kindern damit wirklich ein Gefallen erwiesen wird, darüber kann man sich natürlich streiten. Aber hier soll es ja in erster Linie darum gehen, Dinge zu erklären, die man in den USA beobachten kann, und nicht darum, ob sie letztendlich auf der Grundlage unserer eigenen Maßstäbe wirklich Sinn machen. Also sparen Sie nicht mit Lob, auch wenn Sie sich dabei anfangs vielleicht ein wenig merkwürdig vorkommen.

      Eine andere Sache, die sich für Sie als Neuling in den USA möglicherweise als gewöhnungsbedürftig erweisen wird, ist die Abneigung der Amerikaner gegenüber dem Nase ausschnauben in Gemeinschaft – und besonders am Esstisch. Hier erwartet man eine gewisse Diskretion. Falls Ihnen nur die Nase läuft, können Sie ohne Weiteres ein Taschentuch benutzen, ein lautes Ausschnauben sollten Sie jedoch, anders als Torsten das tat, vermeiden. Gehen Sie am besten kurz auf die Toilette oder zumindest aus dem Raum.

       Trennung von Staat und Kirche – oder doch nicht?

      In der amerikanischen Verfassung sind sowohl Religionsfreiheit als auch Trennung von Staat und Kirche verankert. Beide Prinzipien überschneiden sich jedoch in vielen Bereichen. So steht z. B. auf amerikanischen Geldscheinen und Münzen In God We Trust (Wir vertrauen auf Gott). Auch kann man Geldbeträge, die man religiösen Organisationen spendet, von der Steuer absetzen. Anders als in Deutschland treibt der Staat jedoch keine Kirchensteuer ein; man gibt vielmehr das Geld, oft zehn Prozent seines Einkommens, selbst an die jeweilige religiöse Vereinigung bzw. Kirche, in der man Mitglied ist.

      Die Trennung von Staat und Kirche untersagt organisiertes Gebet und Religionsunterricht an öffentlichen Schulen. Wer diese Dinge jedoch für wichtig hält, kann sein Kind auf eine private Schule schicken, die von einer Religionsgemeinschaft getragen wird. Insbesondere katholische Schulen sind aufgrund ihrer starken Ausrichtung auf Disziplin und Unterrichtsqualität auch bei nicht- oder andersreligiösen Eltern beliebt. Der Besuch dieser Schulen ist aber oft mit recht hohen Gebühren verbunden.

      Die bereits erwähnte Trennung von Staat und Kirche trifft auf den Unwillen einiger sehr konservativer Christen. Diese einflussreiche politische Strömung, die als sogenannte Christian Right in der Republican Party beheimatet ist, hat u. a. die Zulassung von Gebeten in staatlichen Schulen und das landesweite Verbot von Abtreibungen zum Ziel. Für die meisten Amerikaner ist Religion jedoch eine Privatangelegenheit, über die außerhalb der Familie und der Glaubensgemeinschaft nicht gesprochen wird.

       RELIGIONSLANDSCHAFT IM UMBRUCH

      Die religiöse Landschaft der Vereinigten Staaten hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Während 2007 die Bevölkerung in 37 Bundesstaaten mehrheitlich aus weißen Christen bestand, war das laut einer Studie des Public Religion Research Institute 2016 nur noch in weniger als der Hälfte der Staaten der Fall. Über einen längeren Zeitraum betrachtet sind die Veränderungen noch dramatischer: 1976 identifizierten sich 81 Prozent der US-Bevölkerung als weiße Christen, 2016 nur noch 43 Prozent.

      Die Katholische Kirche in den USA ist dem stärksten Wandel unterworfen. Zum einen ist ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung in nur zehn Jahren (2006-2016) von 16 Prozent auf 11 Prozent gefallen, zum anderen ist die Zahl der weißen Katholiken innerhalb von 25 Jahren von 87 Prozent auf 55 Prozent gesunken. Bei den Katholiken unter 30 stellen Hispanics mittlerweile die Mehrheit.

      Ein starker Zuwachs bei anderen Religionen ist jedoch nicht zu verzeichnen: 2 Prozent der Bevölkerung sind Juden, und Muslime, Buddhisten und Hindus machen jeweils nur rund 1 Prozent aus. Nichtchristliche Religionen haben allerdings einen wesentlich größeren Anteil an jungen Menschen als christliche Glaubensgemeinschaften, die Mormonen, deren Zahlen auch insgesamt stabil sind, einmal ausgenommen.

      Vielmehr hat sich die Zahl der Menschen, die keiner Glaubensgemeinschaft angehören, seit Anfang der Neunzigerjahre verdreifacht und liegt jetzt bei 24 Prozent. Die Tendenz ist steigend, denn unter jungen Leuten (18-29 Jahre) beträgt diese Zahl sogar 38 Prozent. Allerdings bezeichnen sich nur ein Viertel derjenigen, die in keiner Glaubensgemeinschaft Mitglied sind, als Atheisten oder Agnostiker.

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       WASCHBÄREN UND DIE PEST

       27. JULI, ANN ARBOR, MICHIGAN

      Susanne | Unsere Gastgeber sind, und das hat mich sehr überrascht, leider nicht sehr tierlieb, von ihrem eigenen Hund einmal abgesehen. Ich hatte mich heute Morgen, Torsten schlief noch, mit einer Tasse Kaffee auf die Veranda hinterm Haus gesetzt. Als ich mir gerade eine Zigarette anstecken wollte, rannten plötzlich vier kleine Waschbären durchs Gras. Die waren bestimmt erst ein paar Wochen alt und sahen sehr putzig aus. Ich bin natürlich gleich hin zu ihnen. Das Gras war noch ganz kühl und nass unter meinen nackten Füßen. Die kleinen Waschbären waren ganz lieb und sind um meine Füße herumgetollt. Max hat wie verrückt hinter der Verandatür getobt. Wahrscheinlich wollte er mitspielen.

      Plötzlich stand jedoch Sarah mit ärgerlichem Gesicht auf der Veranda und rief nach Mark. Ich sagte ihr, dass ich noch nie wilde Washbears gesehen hatte. »Washbears?«, fragte Sarah zurück und sagte dann noch etwas von der Pest. Übertragen Waschbären etwa die Pest? Das war mir neu und außerdem waren wir doch nicht mehr im Mittelalter! Mark kam mit dem Handy in der Hand nach draußen. Er bedeutete mir, auf die Veranda zu kommen. Wir gingen alle ins Haus, Sarah schloss die Tür und sprach wieder von der Pest, vor der sie anscheinend ganz schön Angst hatte, womöglich weil sie schwanger war. Eine halbe Stunde später kam dann tatsächlich ein Pick-up mit der Aufschrift Pest Control vorgefahren. Ein uniformierter Mann stieg aus und nahm Gitterkäfige von der Ladefläche, die er dann im Garten aufstellte und in die er etwas Weißes hineinlegte. Wahrscheinlich Gift!

      Heute Abend, gleich nach Einbruch der Dunkelheit, werde ich mich in den Garten schleichen und die giftigen Köder aus den Käfigen nehmen. Ich habe jedenfalls keine Angst vor der Pest und die kleinen Waschbären sind viel zu niedlich, um einfach vergiftet zu werden!

      Torsten | Nun ja, diese Angst vor der Pest ist wirklich etwas übertrieben, aber ich glaube, wir sollten uns da nicht einmischen. Trotzdem frage ich mich, warum wir in Deutschland noch nie etwas von der Pestgefahr in Amerika gehört haben.

       Was ist diesmal schiefgelaufen?

      Die Bezeichnung Waschbär kennen die Amerikaner nicht; bei ihnen heißt dieses Tier raccoon. In der Regel finden sie diese nachtaktiven Vierbeiner auch nicht besonders putzig, sondern betrachten sie eher als lästige Plagegeister. Das liegt in erster Linie daran, dass sich Waschbären im menschlichen Umfeld sehr wohl fühlen und ihre Bevölkerungsdichte in Städten bis zu 20 Mal höher als in der Natur ist. Zudem sind Mülltonnen, die sie mit ihren Pfoten geschickt öffnen können, ihre Hauptnahrungsquelle. Die meisten Leute haben leichte Plastiktonnen hinter ihrem Haus stehen, die von den Waschbären einfach umgeworfen, geöffnet und dann nach Essbarem durchsucht werden. Dabei wird der Inhalt der Mülltonnen im Umkreis verstreut und muss dann am nächsten Morgen wieder eingesammelt werden. Zusätzlich nisten sich Waschbären gerne auf Dachböden und in Zwischenwänden ein und machen dort mitunter viel Lärm, insbesondere zur Paarungszeit.

      Da das englische Wort für Plage pest ist, hatte Sarah jedoch nicht Angst vor der mittelalterlichen Seuche,

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