Medizin und Gesellschaft. Andreas Kögel
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Der Autor
Nach einer Ausbildung zum Industriekaufmann und dem Abitur auf dem zweiten Bildungsweg absolvierte Dr. Andreas Kögel das Studium der Soziologie, Psychologie und Erziehungswissenschaften an der Universität Tübingen. Er ist Mitgründer eines privaten Forschungsinstituts und lehrte an der Universität Tübingen, der Hochschule Esslingen und beim IBB. Von 2013 bis 2016 promovierte er über das Thema »Tod und Sterben als Risiken«, seine Studie wurde 2016 in der Schriftenreihe der Universität Münster veröffentlicht. Seit 2017 ist Andreas Kögel wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bayreuth. Seine Schwerpunkte sind Methoden der Empirischen Sozialforschung, Wissenschaftstheorie, Medizinsoziologie und Systemtheorie.
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1. Auflage 2021
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-037294-8
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-037295-5
epub: ISBN 978-3-17-037296-2
mobi: ISBN 978-3-17-037297-9
Vorwort
Der größte Teil dieses Buches entstand im Jahr 2020, während der Covid-19-Pandemie. Die Pandemie kommt aber nur am Rande vor. Das Interesse der Soziologie ist grundsätzlicher, tagesaktuelle Geschehnisse interessieren eher als Testfälle für übergreifende Konzepte und Theorien – z. B. die systemtheoretische Beschreibung der Massenmedien im Schlusskapitel. Zunächst ist es wichtig, sich einen Überblick zu verschaffen, was mit diesem Buch versucht werden soll. Als kompakte Einführung ist es zwangsläufig lückenhaft, vieles muss gekürzt wiedergegeben oder ganz weggelassen werden. Ich möchte erste Einblicke in die Denkweisen und Theorien der Soziologie geben und Interesse wecken an einer weiteren, vertieften Beschäftigung.
Neben Theorie, Grundbegriffen und medizinsoziologischem Basiswissen finden sich in diesem Buch statistische Daten, u. a. zur Demografie, Epidemiologie und Gesundheitssystemanalyse. Die neuesten Zahlen sind für 2019 und beschreiben die Situation unmittelbar vor der Pandemie. In normalen Zeiten wären die Zahlen bei Erscheinen des Buches schon merklich gealtert; aber durch die Ausnahmesituation fallen die Jahre 2020 und 2021 aus dem Rahmen, z. B. bei der Todesursachenstatistik. Erst ab 2022/2023 dürften wieder vergleichbare Daten zur Verfügung stehen, die einen Normalzustand ohne eine massive Störung durch ein Pandemiegeschehen beschreiben; dieser wird sich hoffentlich im Laufe dieses Jahres allmählich wieder einstellen.
Noch eine grundsätzliche Anmerkung: Aufgabe der Medizinsoziologie ist in erster Linie die Beobachtung und Beschreibung der Medizin (als sozialem System, kultureller Praxis, gesellschaftlichem Phänomen) bzw. des Gesundheitswesens, aber nicht aktiver Eingriff oder Verbesserung. Sie weiß es nicht besser als die Akteure im Medizinsystem oder in anderen involvierten Bereichen. Die Soziologie ist auf die Erkenntnisse ihrer Bezugswissenschaften angewiesen und auf das Wissen, das die Gegenstände soziologischer Forschung über sich selbst erzeugen. Sie hat aber anders gelagerte Interessen und Themenschwerpunkte – und andere Voreingenommenheiten. Es wäre vermessen, für die Soziologie einen objektiven oder objektiveren Standpunkt zu beanspruchen. Die Soziologie ist Teil der Gesellschaft und damit in gesellschaftliche Bezüge verstrickt wie die anderen Wissenschaften auch. Es ist daher ausdrücklich kein Anliegen dieses Buches, eine allgemeine Medizinkritik zu üben, auch wenn die Art der Betrachtung und Beschreibung auf Manche wie Kritik wirken mag.
Die zunehmend sichtbare Wissenschaftsskepsis erschwert dies. Öffentliche Diskurse neigen zu Polarisierungen, die durch die Möglichkeiten digitaler Medien und Kommunikationskanäle befördert werden; Kritik, die bisher gängig und etabliert war, läuft plötzlich Gefahr, von der Anhängerschaft schillernder Weltanschauungen und Verschwörungstheorien aufgegriffen zu werden. Das liefert wiederum den Kritisierten Munition für Versuche, Kritik zu diskreditieren und Diskurse abzuwürgen (z. B. am Einfluss privater Geldgeber auf die WHO oder an den wirtschaftlichen Interessen der Gesundheitswirtschaft). Ich beobachte selbst, dass ich mich bei vielen Themen mittlerweile im Diskurs zurückhalte, weil ich bestimmten Personen oder Gruppen nicht als Stichwortgeber dienen möchte. Das ist eine ungute Entwicklung; ich hoffe aber weiterhin auf die Eigendynamik und Überzeugungskraft von Wissenschaft. Und dass wir bald wieder in ruhigeres Fahrwasser kommen.
Bayreuth im Januar 2021
Dr. Andreas Kögel
(kein Mediziner; aber gelegentlich Patient, potentieller Kunde der Gesundheitswirtschaft, Ziel von Gesundheitsmarketing und Gesundheitsförderungsmaßnahmen; nicht krank, aber auch nicht gesund)
1 Soziologie, Medizin und Gesellschaft
Grundbegriffe
Bezugswissenschaft, Bindestrichsoziologie, soziales Handeln, Medizinsoziologie, Sozialmedizin, Public Health, Gesundheitswissenschaften, Biomedizin, Enhancement, Anschlussfähigkeit
1.1 Die Soziologie und ihre Bezugswissenschaften
Die Soziologie ist die Wissenschaft von der menschlichen Gesellschaft. Sie entstand im Laufe des 19. Jahrhunderts und etablierte sich an den Universitäten zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Wichtige Vordenker der Soziologie waren der französische Philosoph Auguste Comte (1798–1858) und der Ökonom bzw. Philosoph Karl Marx (1818–1883). Comte hat erstmals die Bezeichnung Soziologie verwendet. Die Soziologie ist daher ein Kind der Aufklärung, übrigens ebenso wie die moderne wissenschaftliche Medizin. Im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert gerieten die bisherigen Weltdeutungen, die von einer festen, wohlgefügten göttlichen Weltordnung ausgingen, ins Wanken. Zahlreiche Umwälzungen – z. B. die Französische Revolution oder die Industrialisierung – zeigten, dass die menschliche Gesellschaft durch Menschen veränderbar ist. Machtstrukturen und Besitzverhältnisse mussten nun neu erklärt und gerechtfertigt