Medizin und Gesellschaft. Andreas Kögel

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Medizin und Gesellschaft - Andreas Kögel

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abzugrenzen als Krankheit, aber beide Konzepte können ohnehin nicht getrennt voneinander gedacht werden. Es wird eine Unterscheidung gezogen und dann die eine oder die andere Seite betont.29 Das eine Ende der Krankheit ist der Tod, der Zusammenbruch des Organismus, und es werden dazu medizinische Kriterien im Detail diskutiert, die aufgrund spezieller Erfordernisse der Krankenbehandlung aufgestellt wurden – etwa der Hirntod zur Ermöglichung von Transplantationsmedizin. Die Abgrenzung von Krankheit und Gesundheit wird wohl bis zu einem gewissen Grad willkürlich bleiben, sie ist aber im Grundsatz für die meisten Menschen intuitiv; man hat eine Vorstellung davon was krank ist und was gesund, auch wenn die Grenze mal mehr, mal weniger scharf ist. Eine weitergehende Frage ist, ob ein Mensch völlig gesund sein kann oder ob es nicht immer noch ein bisschen gesünder geht – die Verheißung unbegrenzten Wachstums für eine florierende Gesundheitswirtschaft. Schwierig einzuordnen sind spezielle Zonen wie Devianz30, Behinderung, chronische Krankheit und das Altern.

      Der Verfasser ist der Meinung, dass es nicht Aufgabe der Soziologie ist, eine bessere Definition von Krankheit und Gesundheit zu liefern, sondern die Plastizität der Begriffe aufzuzeigen und auch die Plastizität der damit bezeichneten Phänomene, insbesondere in den Rand- oder Grauzonen: Phänomene, die früher als Krankheiten galten wie Homo- und Intersexualität oder neue Krankheitsbilder wie ADHS und Burnout, darüber hinaus das Altern und die daran andockende Anti-Aging-Medizin. Zum Vergleich von Einordnungen kann man an zwei Achsen eine Vier-Felder-Tabelle konstruieren: Früher/heute und hier/woanders. Neben Krankheit gibt es andere, benachbarte Einordnungen: Krankhaft (als moralische Verfehlung), Befindlichkeitsstörung, Abweichung vom Normalen ohne weitere Zuschreibung, Andersartigkeit in einem Feld sozialer Vielfalt.

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      Abb. 1b: Komponenten individueller Krankheit und Gesundheit

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      Abb. 2: Bezugsebenen von Krankheit

      Der analytische Wert einer Unterscheidung von drei Bezugssystemen wird offensichtlich, wenn man sich Beispiele mit widersprüchlichen Diagnosen vor Augen hält. Es lassen sich dabei acht (23) Basiskonstellationen unterscheiden, in folgender Tabelle mit der Klassifikation »krank« markiert (image Tab. 1).

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      Durch eine Ausdifferenzierung der Medizin (Berufshierarchien, verschiedene Fachbereiche oder schlicht die Möglichkeit abweichender Einschätzungen durch andere Ärztinnen und Ärzte) oder der Gesellschaft (Arbeitgeber, Familie, Krankenkasse usw.) lassen sich die Konfliktmöglichkeiten beliebig vervielfachen. Vor allem sagt das Schema zunächst nichts darüber aus, wer Recht hat – gut sichtbar an der Konstellation Subjekt (krank)/Medizin (nicht krank)/Gesellschaft (nicht

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      krank). Haben Medizin und Gesellschaft recht, liegt Hypochondrie vor. Hat das Subjekt recht, wird seine Krankheit nicht korrekt erkannt, ignoriert oder mangelhaft gewürdigt.

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