Medizin und Gesellschaft. Andreas Kögel

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Medizin und Gesellschaft - Andreas Kögel

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Bedeutung bzw. Reichweite. Die medizinische Heilung ist enger gefasst und kann konkret schon darin bestehen, dass eine DRG19-Einheit abgearbeitet, erfasst und abgerechnet ist. Medizin als Handwerk, Profession und schließlich Wissenschaft entsteht mit der Erkenntnis, dass man durch menschliches Handeln auf Krankheitsverläufe Einfluss nehmen kann und darf.20

      Für eine soziologische Betrachtung ist der Bereich der Pathologien und Dysfunktionen von größerem Interesse. Es soll hier aber nicht vorrangig darum gehen, die moderne Medizin schlecht zu reden, sondern sie als soziokulturelles Phänomen im Rahmen der Gesamtgesellschaft zu analysieren. Konflikte und Probleme haben schlichtweg einen höheren Informationsgehalt – wenn alles läuft und nichts klemmt, gibt es wenig zu bereden. Krankheit liegt vor, wenn Körper und Psyche des Menschen nicht so funktionieren, wie sie sollen, was eine Vorstellung vom Sollzustand erfordert. Dies kann ein Ideal sein oder schlicht die Normalität, der Mittelwert, das Gewöhnliche. Viele Kontroversen um Krankheit und Krankheitsmodelle drehen sich um abweichende Normalvorstellungen, Missverständnisse oder auch absichtliche Unterstellungen. Erschwerend kommt eine mehrdeutige Verwendung des Attributs krank in der Alltagssprache hinzu. Neben dem nüchtern-medizinischen Aspekt transportiert es noch eine ästhetische und moralische Missbilligung bis hin zur totalen Ablehnung. Krank kann auch – ohne medizinischen Bezug – abartig, widerwärtig und verdorben bedeuten, und der Umgang mit Krankheit hängt stark vom Ausmaß dieser moralischen Beigabe ab: Ob das Kranke (als vom Menschen Abgrenzbares) bzw. der Kranke geheilt werden soll oder ob es bzw. er als gefährlich, infektiös, minderwertig und schädlich separiert oder gar ausgemerzt werden soll. Die Unterscheidung von Organismus und Krankheitserreger durch die Entdeckung der Mikroben brachte auch eine moralische Entlastung der Kranken mit sich. Heutige Bestrebungen nach Ganzheitlichkeit muten zunächst harmonisch, fast schon romantisch an. Sie sollten aber mit Vorsicht behandelt werden, denn man kann sich mit der ganzheitlichen Heilung auch die ganzheitliche Krankheit einfangen – eine weniger sympathische Vorstellung. Das viel kritisierte klassische mechanistische Modell von Krankheit als einem Defekt der Körpermaschine, der repariert werden muss und kann, hat seine Vorzüge und reicht für viele Anwendungsfälle aus.

      1.3.3 Gesundheit

      Anschlussfähigkeit

      Die Definition der WHO impliziert (beinhaltet) ein zweistufiges Gesundheitskonzept: Eine Basisgesundheit als Abwesenheit von Krankheit dergestalt, dass keine akuten Krankheitserscheinungen bzw. -symptome vorliegen; und darüber hinaus eine Lebensqualität, die für diesen Zustand eine gewisse zeitliche Stabilität erwarten lässt. Aus soziologischer Sicht ist Gesundheit eine Zuschreibung, die durch ein beobachtendes System (eine andere Person, die Medizin, die soziale Umgebung) vorgenommen wird. Sie muss nicht binär sein (krank oder gesund) sondern kann auf einem Kontinuum erfolgen. Bei mehreren beobachtenden Systemen kann es zu abweichenden Einschätzungen kommen, was im nächsten Abschnitt anhand der komplementären Zuschreibung von Krankheit veranschaulicht wird (image Kap. 1.3.4).

      Gesundheitswissenschaften

      Thema des vorliegenden Buches ist bewusst die Medizinsoziologie, weil das Gesundheitswesen und der gesellschaftliche Umgang mit medizinischen Themen im Vordergrund stehen und nicht der Versuch, neue oder bessere Krankheitsmodelle vorzustellen oder Anregungen zu geben, wie man die Menschen gesünder machen könnte.

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