Liebst du um Schönheit. Thomas Hampson

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Liebst du um Schönheit - Thomas Hampson страница 5

Liebst du um Schönheit - Thomas Hampson

Скачать книгу

sowie in der Lied-Meisterklasse von Gwendolyn Koldovsky zu studieren. Natürlich habe ich zugesagt. Meine damalige Frau Lisa, mit der ich seit vier Jahren verheiratet war, konnte ihre Karriere in der Werbung ebenfalls in Los Angeles weiterverfolgen. So packten wir fast über Nacht unsere Koffer – und ich studierte tatsächlich an der USC und entwickelte mein Repertoire.

      Damals war der berühmte deutsche Bariton Horst Günter Gastdozent an der USC. Er hatte seine Sängerlaufbahn in den 1920er-Jahren in Leipzig als Thomanerjunge gestartet und neben seiner Bühnentätigkeit Gesangsprofessuren an den Musikhochschulen von Detmold und Freiburg innegehabt. Ich sang ihm vor und wurde genommen – ein großes Glück, denn alle wollten sie bei ihm studieren, vor allem natürlich jeder Bariton. Er war Kollege von Fritz Wunderlich und Elisabeth Schwarzkopf gewesen und damals schon in seinen späten Sechzigern. Während des Zweiten Weltkriegs hatte er vier Jahre in russischer Gefangenschaft verbracht und ein ziemlich aufregendes Leben hinter sich. Ich glaube, ich habe mit dem Leporello begonnen, und er fragte mich, was denn mit der Barbier-Arie sei. Ich druckste ein bisschen herum und sagte, ich hätte angefangen, daran zu arbeiten, es aber nicht geschafft, das gehe mir zu hoch. Das wollte er nicht gelten lassen: »Zu hoch?! Du bist ein junger lyrischer Bariton. Du musst das singen können!« Dann haben wir ein paar Übungen gemacht, und er erklärte: »Morgen fangen wir mit dem Barbier an.« Was tatsächlich geschah.

      Mit dem langjährigen Gesangslehrer und Mentor Horst Günter, um 1990

      © Privatarchiv Thomas Hampson

      Horst Günter war derjenige, der mir die Profischuhe angezogen hat. Die Grundlagen aus Spokane, die mir Schwester Marietta Coyle mitgegeben hatte, waren eine phänomenale Basis. Aber wie ich mein Können auf der Bühne aktivieren, wie ich es in Lebendigkeit überführen und wie die Stimme ihre eigene Resonanz finden sollte, all das brachte mir Horst Günter in den frühen 1980er-Jahren bei. Und er blieb bis zu seinem Tod im Januar 2013 mein Gesangsmentor. Als wir mit der gemeinsamen Arbeit begannen, war er mit meiner Grundtechnik zwar zufrieden, meinte aber, ich müsste bald den nächsten Schritt machen – was aus seiner Sicht bedeutete, möglichst viel Erfahrung auf der Bühne zu sammeln. Natürlich hatte ich große Ehrfurcht vor ihm. Er besaß eine ungeheure Energie und hat fantastisch gesungen. Es hat mich immer beeindruckt, was er bis ins hohe Alter noch leisten konnte und wie klar und einfach er die Dinge auf den Punkt brachte. Das ist wie auf der Bühne: In dem Moment, wo die Arbeit anfängt, muss man alles klar, schnell und gut beisammen haben. Diese Geistesgegenwärtigkeit zu entwickeln habe ich durch ihn gelernt. Er hat mir übrigens auch beigebracht, was »Bühnenfüße« sind, welche Haltung ein Sänger einnehmen muss. Wir haben sehr viel gearbeitet, und ich glaube wirklich behaupten zu können, dass ich mich durch seine Hilfe in kürzester Zeit »gefunden« habe. Außerdem wurde ich dank seiner Denkweise und Vermittlung von Anfang an von der deutschen Ästhetik und dem europäischen Theatersystem der Ensemble- und Repertoirehäuser geprägt.

      In dieser Zeit gewann ich weitere bedeutende Wettbewerbe und sang, so viel ich nur konnte – bis hin zu Beerdigungen, um mein Budget ein wenig aufzubessern. Einen festen Job hatte ich in Los Angeles freilich nicht. Also stand ich irgendwann vor der grund­legenden Entscheidung: Sollte ich mein Musikstudium an einer renommierten Hochschule weiterführen, oder sollte ich versuchen, direkt ins Profigeschäft einzusteigen? Ich fragte alle möglichen Leute um Rat und probierte auf diese Weise meine Perspektiven auszuloten.

      Die Entscheidung fiel dann wie von selbst: Ich nahm an einem Wettbewerb teil, dessen Hauptjuror ein Agent aus Deutschland war: Wolfgang Stoll, der Chef einer berühmten Theateragentur aus München. Der große Preis war ein Jahresvertrag an einem kleinen Stadttheater in Deutschland. Ich wurde Zweiter. Wolfgang Stoll war ausgesprochen nett zu mir und sagte: »Junge, der Preis gehört deiner Kollegin. Aber wenn Deutschland dich wirklich interessiert: Bist du bereit? Willst du dort arbeiten?« Meine Antwort muss in seinen Ohren etwas wirr geklungen haben. »Ich glaube, das macht mehr Sinn für mich, als weiterhin die Schulbank zu drücken. Aber ich weiß nicht, ob ich tatsächlich Opernsänger werden will. Ich weiß gar nicht, was das bedeutet, auch wenn es eine tolle Sache zu sein scheint.« Er versprach, eine kleine Vorsingtournee für mich zu organisieren; wir würden dann schon sehen, was dabei herauskäme.

      Das Ende vom Lied: Mein allererstes Vorsingen fand in Düsseldorf statt. Anfang der 1980er-Jahre war die Düsseldorfer Oper das größte Ensemble- und Repertoirehaus in Zentraleuropa. Ein un­­glaublicher Betrieb mit einem entsprechend vielfältigen Repertoire, von der Henze-Uraufführung bis zu Rossini und Mozart. Jean-Pierre Ponnelle und alle großen Regisseure jener Jahre arbeiteten an diesem Haus, und die Gefahr, in einem derartigen Ensemble verloren zu gehen, war nicht unbeträchtlich. Aber der großartige Intendant Grischa Barfuss war ein »alter Hase« und wusste nur zu gut, wie er sein Schiff zu steuern hatte. Er war selbst Musiker und führte sein Haus am Rhein bewusst mit einem riesigen Sängerensemble. Wolfgang Stoll, clever wie er war, hat Barfuss einen Vertrag abgerungen, der mir eine künstlerische Entwicklung garantierte. Zwei wirklich kluge alte Männer! Im Nachhinein klingt das alles wie eine wundersame Verkettung von Zufällen und glücklichen Umständen, in Wahrheit ging es aber darum, Schritt für Schritt den Beginn meiner beruflichen Laufbahn zu planen.

      »Fortune favours the prepared mind« – mein absoluter Lieblingsspruch – bedeutet so viel wie, dass Glück kein blinder Zufall ist, sondern das, wozu du bereit bist, um die nächste Etappe deines Lebens anzugehen. Wenn du dich mit Fleiß darauf vorbereitet hast, wird das Glück eher eintreffen. Wolfgang Stoll und viele andere, die in meinem Leben wichtig waren, hatten offenbar eine gewisse Ernsthaftigkeit in mir erkannt und trauten mir wesentlich mehr zu als ich mir selbst. Gleichzeitig haben sie mir mit großem Bedacht bei der Repertoireentwicklung zu- oder abgeraten. Das ist damals wie heute eine immense Verantwortung – für alle Gesangslehrer, Coaches, Regisseure, Intendanten, Sängerkollegen. Wir dürfen Talente niemals verheizen, missachten oder unterschätzen!

      Lehrjahre in Düsseldorf: Così fan tutte, 1982

      © Privatarchiv Thomas Hampson

      Natürlich war mein Umzug nach Düsseldorf von ziemlich gemischten Gefühlen begleitet. Ich freute mich auf die Herausforderung, Europa zu entdecken, aber alles war sehr neu und fremd für mich. Alleine die Amtswege in einer Sprache, die ich nicht richtig beherrschte, zu absolvieren, bereitete mir zu Beginn große Sorgen. Aber ich bekam gleich eine erste Aufgabe am Theater, eine kleinere Rolle in einer Oper, von der ich nie zuvor gehört hatte – Les mamelles de Tirésias von Francis Poulenc. Ich hatte die Rolle des Gendarmen sorgfältig gelernt, und als ich zur ersten Probe kam, waren alle überrascht, dass ich meine Partie bereits auswendig konnte. Andere kleine Rollen folgten. Ich brachte ja schon einige Erfahrung von professionellen Engagements aus Amerika mit: Ich hatte den Marcello in La Bohème und einen jungen Sharpless in Madame Butterfly gesungen.

      Als Belcore in L’elisir d’amore, Düsseldorf, 1983

      © Privatarchiv Thomas Hampson

      Düsseldorf hatte den Vorteil, dass ich den Betrieb langsam und von der Pike auf kennenlernen durfte. Ich war zum Beispiel zwölf, dreizehn Vorstellungen lang der Namen rufende Sergeant im dritten Akt von Manon Lescaut – das sah nun nicht gerade nach einem gewaltigen Karrieresprung aus, aber ich sammelte Erfahrung. Es gab Schminke, Disziplin und große Künstler zu sehen, es gab ein Ensemble und die Verheißung oder Verlockung großer Partien sowie die Idee von Anstrengung und Arbeit dahinter. Man wurde hellhörig auf der Bühne und probierte aus, wie es sich anfühlte, dort zu stehen, wo einen das Publikum anschaute. Es war auch in Düsseldorf, dass ich neben dem ebenso jungen Peter Seiffert, der den ersten Gralsritter verkörperte, als zweiter Gralsritter die ungeheure Bühnenpräsenz eines

Скачать книгу