Liebst du um Schönheit. Thomas Hampson
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Liebst du um Schönheit - Thomas Hampson страница 6
In dieser Zeit bekam ich auch ein Angebot aus St. Louis, im frisch gegründeten Opernhaus den Guglielmo in einer neuen Così fan tutte zu singen. Die Besetzung war hochkarätig, mit Jerry Hadley als Ferrando und Ashley Putnam als Fiordiligi. Besonders aufregend war aber allen voran der Regisseur: Der britische Mediziner, Neuropsychologe, Autor, Fernseh- und Theatermann Jonathan Miller hatte mit dieser Produktion sein amerikanisches Debüt. Dazu noch der damalige Shootingstar unter den Dirigenten, der Afroamerikaner Calvin Simmons, der zwei Monate nach der Premiere viel zu früh, mit gerade einmal 32 Jahren, tödlich verunglückte. Er und Simon Rattle waren Anfang der 1980er-Jahre die zwei absoluten hot shots. Tolle junge Musiker! Das war eine besonders aufregende Produktion. Und sehr erfolgreich. St. Louis zeigte, dass meine berufliche Entwicklung auf zwei Beinen stand: Ich hatte einerseits eine Karriere in Deutschland begonnen und erarbeitete mir andererseits in Amerika ein wachsendes Ansehen.
Als Guglielmo in Così fan tutte in einem BBC-Film von 1986 mit
Ashley Putnam und Jonathan Miller
© Privatarchiv Thomas Hampson
Mit Così fan tutte-Regisseur Jonathan Miller bei einer Probe, St. Louis, 1982
© Privatarchiv Thomas Hampson
In meiner zweiten Düsseldorfer Saison gab es eine Wiederaufnahme des Barbier von Sevilla, danach folgte eine Neuproduktion der Così fan tutte. Ebenso kam ein Engagement in einer Neuproduktion von Hans Werner Henzes Der Prinz von Homburg in Darmstadt hinzu. Das war die schwierigste Musik, die ich bis dahin gelernt hatte. So was von schwierig und fremd!
In dieser Phase meines Lebens hatte ich auch das Glück, Nikolaus Harnoncourt kennenlernen zu dürfen, als er gemeinsam mit dem Intendanten des Opernhauses Zürich, Claus Helmut Drese, ein Mozart-Ensemble gründen wollte. Drese, der das Haus seit 1975 leitete und mich schon von einem früheren Vorsingen her kannte, hatte Harnoncourt von mir erzählt. Im Dezember 1982 – ich war inzwischen Vater einer kleinen Tochter namens Meghan geworden – kam ich mit meiner Familie nach Zürich und habe dem Maestro vorgesungen. Was den Beginn einer jahrzehntelangen Zusammenarbeit und Freundschaft markieren sollte, ganz nach Claus Helmut Dreses ursprünglichem Plan.
Mit Nikolaus Harnoncourt, Mitte der 1990er-Jahre
© Doris Wild, Wildbild
Mit Alice Harnoncourt, Ende der 1990er-Jahre
© Privatarchiv Thomas Hampson
Ein paar Monate danach klingelte eines Tages das Telefon im Betriebsbüro der Düsseldorfer Oper. Ein Anruf aus Österreich für den Herrn Hampson! Ganz aufgeregt hat man mich aus einer Probe herausgeholt: Frau Professor Harnoncourt sei am Apparat. Sie wollte wissen, ob ich bei den Einspielungen der Bach-Kantaten durch den Concentus Musicus dabei sein und übers Wochenende nach Wien kommen könne. Wie aus heiterem Himmel! Es wurde meine allererste Platte …
Damals ging tatsächlich alles Schlag auf Schlag. Aber: Stein um Stein. Ich habe unbekannte Haydn-Opern gesungen, bin nach Karlsruhe gefahren, um dort ein Avantgarde-Stück zu singen. Ich konnte Geld verdienen, ich konnte gastieren. Ich hatte die Zeit dafür, und die Aufgaben waren interessant. Und natürlich war ich ehrgeizig! Ohne einen gesunden Ehrgeiz geht es nicht.
1980 hatte ich die Ehre gehabt, am legendären Merola Opera Program in San Francisco teilzunehmen. 1957 ins Leben gerufen und benannt nach dem Gründer der San Francisco Opera Gaetano Merola, bietet diese Sommerakademie seit nunmehr über einem halben Jahrhundert einige Wochen lang jungen Opernsängern Meisterkurse bei berühmten Kollegen an. Ich war dort Elisabeth Schwarzkopf begegnet, die damals erst seit wenigen Jahren ihre herausragende Soprankarriere beendet hatte und nun weltweit ihre ebenso begehrten wie gefürchteten Meisterklassen gab. Sie hatte mich eingeladen, mit ihr im Anschluss an den Kurs weiterzuarbeiten. Sobald ich daraufhin in Düsseldorf ein bisschen Freizeit hatte, ging ich ins Betriebsbüro, füllte meinen Urlaubsschein aus und meldete mich für fünf Tage ab. Dann setzte ich mich in den Zug nach Zürich und arbeitete mit Elisabeth Schwarzkopf an Werken von Wolf, Schubert oder Mahler. Für diese Sitzungen hatte sie immer einen Pianisten organisiert. Nie berechnete sie mir auch nur einen Pfennig für ihren Unterricht. So war sie. Mit ihr arbeiten zu dürfen, das hieß: Sie war davon überzeugt, dass man das Zeug zu einem großen Sänger hatte. Von Anfang an hat sie an mich geglaubt, ohne jedes Wenn und Aber. Sie hat mir ihre Zeit und ihr Wissen in einem schier unfassbaren Ausmaß geschenkt. Und ich habe dafür wirklich schwer gearbeitet, lange, lange Stunden. Als ich endgültig von Düsseldorf ans Opernhaus Zürich wechselte, haben wir unsere Arbeit fortgesetzt.
Neben Horst Günter und Elisabeth Schwarzkopf auf ihrem jeweiligen Gebiet hatte ich das unschätzbare Glück, früh mit anderen begnadeten Musikern zusammenzukommen, die mir ihre Erfahrung weitergaben und mich an ihrem Können teilhaben ließen. Bei großen Musikern oder auch Regisseuren habe ich immer das Gefühl, dass sie eine besondere Antenne besitzen: Sie hören und verstehen Musik in einer anderen Dimension.
Mitte der 1980er-Jahre hatte ich nicht nur meine erste Begegnung mit Nikolaus Harnoncourt, sondern auch meine erste Zusammenarbeit mit dem legendären Regisseur Jean-Pierre Ponnelle. Ich durfte im ebenfalls legendären Mozart-Zyklus in den Jahren 1984 bis zu Ponnelles Tod 1988 – mein Debüt bei den Salzburger Festspielen 1988 war in seiner Inszenierung von Le nozze di Figaro – in allen drei Da-Ponte-Opern mitwirken. Diese Zusammenarbeit veränderte für mich alles – es begann eine neue Zeitrechnung in meinem Kosmos. Bis heute würde ich sagen, dass es eine Zeit vor Harnoncourt / Ponnelle und eine danach in meiner Karriere und in meinem Leben gibt. Und dabei denke ich, dass es gar nicht so sehr »nur« um das Ergebnis ging, das die beiden durchaus mit Besessenheit mit einem Stück an einem gewissen Ort zu einer gewissen Zeit erzielen wollten. Es war die Art, wie von der Musik her gearbeitet wurde, die ich nie mehr vergessen werde. Ponnelle lehnte mit passionierter Vehemenz jede vordergründige Aktualisierung eines Stücks ab – ob man das tatsächlich als konservativ bezeichnen mag, bleibt jedem selbst überlassen. Er war davon überzeugt, dass die großen Werke für sich selbst sprechen könnten. Für ihn hatten sie in sich und aus sich heraus genug Aussagekraft. Diese Demut vor dem Schaffen der Komponisten hat bei mir bis heute tiefe Spuren hinterlassen.
Jean-Pierre Ponnelle (hinten Mitte) probiert Così fan tutte mit Lucia Popp, Ann Murray, Julia Hamari, Gösta Winbergh, Thomas Hampson und Claudio Nicolai, Zürich, 1985
© Privatarchiv Thomas Hampson
Während einer Probe mit Jean-Pierre Ponnelle anlässlich des
Don Giovanni-Debüts am Opernhaus Zürich, 1987
© Privatarchiv Thomas Hampson
Als ich in den 1990er-Jahren beginnen sollte, intensiver mit dem deutschen Schauspiel- und Opernregisseur Michael Hampe zu arbeiten, wurde mir übrigens schnell klar, dass ich das, was ich von Jean-Pierre Ponnelle gelernt hatte, mit Michael Hampe bei Mozart und Monteverdi fortsetzen und vertiefen konnte.
Der