Liebst du um Schönheit. Thomas Hampson

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Liebst du um Schönheit - Thomas Hampson

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bestimmt einer der bedeutendsten Förderer und Entdecker junger amerikanischer, aber auch internationaler Sänger der letzten Jahrzehnte. 1985 – ich erinnere mich noch daran, als wäre es gestern gewesen – rief mich mein Management an, um mir zu sagen: »Es ist so weit!« Der Maestro sei in Salzburg, arbeite an der Zauberflöte und wolle mich an einem seiner freien Nachmittage zu einem Vorsingen einladen. Dass ich keine Sekunde lang zögerte, meine erste Reise nach Salzburg zu planen, versteht sich von selbst. Drei Tage später stand ich auf der Bühne der Felsenreitschule und sang die Barbier-Arie, Korngolds Die tote Stadt und die Arie des Grafen aus Le nozze di Figaro. Ich habe dieses Vorsingen noch heute in wunderbarer Erinnerung, da James Levine außerordentlich freundlich, aufmerksam und unterstützend zugehört hat. Drei Monate später fand ich mich in der Metropolitan Opera wieder, da er immer darauf beharrte, Sänger nochmals auf der »großen« Bühne gehört zu haben. Also flog ich nach New York und sang für ihn. Die Met war menschenleer, auf der Bühne stand einzig und allein ein Klavier. Das war’s. Für mich damals eine beängstigende Erfahrung. James Levine war allerdings auch in dieser Situation äußerst liebenswürdig: »Denk dir hier alles weg, bleib ruhig und lass mich einfach deine Stimme in diesem Haus hören.« Wenige Wochen später bekam ich aufgrund einer Umbesetzung meinen ersten Vertrag. Und am 9. Oktober 1986 hatte ich mein Met-Debüt: als Conte Almaviva in Le nozze di Figaro. Dass die Möglichkeit, dem Maestro überhaupt vorzusingen, vergleichsweise schnell zustande kam, verdanke ich der Empfehlung Ponnelles – was ich natürlich erst Jahre später erfahren sollte …

      Conte Almaviva in Le nozze di Figaro,

      Salzburger ­Festspiele, 1988

      © Foto Schaffler, Salzburg

      Mit den Sängerkollegen Ferruccio Furlanetto und Sam Ramey sowie Maestro James Levine, Salzburger Festspiele, 1988

      © Privatarchiv Thomas Hampson

      In der Zeit meines ersten Engagements an der Met arbeitete Leonard Bernstein in New York an einigen internationalen Projekten wie einer Bohème in Rom, für die er junge amerikanische Sänger suchte. Ich wurde eingeladen, ihm vorzusingen. Es sollte eigentlich nur ein viertelstündiges Kennenlernen werden. Also machte ich mich auf zu seiner Wohnung, sang mich ein und wartete angespannt auf den Maestro, der wenig später rauchend das Zimmer betrat und fragte: »Was hast du dabei?« Ich zählte auf, was ich vorbereitet hatte: »Opernarien von Mozart, Gounod und Rossini.« Daraufhin Bernstein: »Dass du Mozart singen kannst, nehme ich fast an, sonst hättest du wohl kaum an der Met gesungen. Lass uns mal mit der Valentin-Arie aus dem Faust beginnen.« Also sang ich diese Arie. »Was hast du sonst noch vorbereitet?« – »Ich habe auch ein Mahler-Lied dabei.« – »Welches?« – »Zu Strassburg auf der Schanz.« – »Ja, selbstverständlich, gerne«, knarzte Bernstein und zündete sich die nächste Zigarette an. Ich sang Zu Strassburg auf der Schanz. Diesen Moment werde ich mein Lebtag nicht vergessen: Auf einmal hörte Lenny auf zu rauchen und starrte mich an. Ich dachte: Um Himmels Willen, was ist denn jetzt los? Tapfer sang ich weiter. Bei der hohen Phrase drückte er theatralisch seine Zigarette aus, starrte mich weiterhin unverwandt an, hob die Hand und sagte: »Mach das noch mal!« Verunsichert fragte ich zurück: »Mach was noch mal?« Er wurde fast unwirsch: »Mach’s einfach noch mal!« Also habe ich die leise hohe Phrase noch einmal gesungen. »Woher weißt du, wie man das macht?« Ich war noch immer völlig von der Rolle: »Wie man was macht?« Ich wusste tatsächlich nicht, worauf er hinauswollte. »Das mit der Kopfstimme.« – »Verzeihung, Maestro, aber in den Noten steht ›pppp – mit Kopfstimme‹.« – »Ja, aber sonst macht das keiner. Warum singst du das so?« Ich entgegnete: »Wie soll ein junger Mann, ein Deserteur, der genau weiß, dass er gleich erschossen wird, denn anders singen, wenn Mahler das so geschrieben hat?« Bernstein schmunzelte wissend, schenkte sich einen zweiten Scotch ein und murmelte: »Jetzt schauen wir uns das Ding mal ganz genau an.« Auf diese Weise bekam ich eine einstündige Meisterklasse zu Mahlers Strassburg-Lied. Lenny waren alle nachfolgenden Termine egal. Das Telefon klingelte: »Lasst mich, ich komme dann schon.« Am Schluss fragte ich noch schüchtern, was denn nun mit der Bohème sei. »Ach, die Bohème machst du schon. Ich will mit dir an Mahler weiterarbeiten.« Damals konnte ich nicht ahnen, dass ich bereits im Herbst 1988 Teil des legendären Mahler-Zyklus von Leonard Bernstein in New York, Amsterdam und Wien werden sollte.

      Mit Leonard Bernstein während einer Aufführung von Mahlers Kindertotenliedern im Wiener Musikverein, 1988

      © Privatarchiv Thomas Hampson

      1986 war also ein äußerst bedeutendes Jahr mit meinem Met-Debüt unter Levine, dem ersten Engagement mit Bernstein, meinem Vorsingen für Herbert von Karajan und meiner Auszeichnung mit dem Maria-Callas-Preis. 1987 fand dann mein Debüt an der Wiener Staatsoper in Così fan tutte statt mit dem damals noch unbekannten Christian Thielemann am Pult, mit dem mich heute nicht nur eine langjährige Zusammenarbeit, sondern auch eine echte Musikerfreundschaft verbindet. Ich bin davon überzeugt, dass Christian Thielemann einer der wichtigsten Dirigenten der Gegenwart ist.

      Mit Christian Thielemann in Dresden, 2013

      © Matthias Creutziger, Semperoper

      Auf Levine und Bernstein folgte bald Wolfgang Sawallisch: Elisabeth Schwarzkopf hatte mich begeistert nach München empfohlen, wo er seit 1971 Generalmusikdirektor und später auch Intendant und Staatsoperndirektor war. Der Maestro vertraute ihr und engagierte mich ohne reguläres Vorsingen ebenfalls als Guglielmo für die Così fan tutte. Also gab ich 1987 mein ordentliches Debüt an der Bayerischen Staatsoper (nachdem ich vorher schon einmal dort eingesprungen war). Diese Begegnung war indirekt der Auftakt einer jahrzehntelangen und tiefgreifenden musikalischen Zusammen­arbeit insbesondere im Bereich Konzert- und Liedrepertoire.

      So waren es die Giganten Nikolaus Harnoncourt, Jean-Pierre Ponnelle, James Levine, Leonard Bernstein und Wolfgang Sawallisch, die in meinen Anfangsjahren gleichsam das Fundament meiner späteren Entwicklung legten. Sie zeigten mir, was möglich sein kann, wenn man hart arbeitet. Die unterschiedliche Art, in der sie die Sprache Musik hörten und dachten, hat mich ohne Zweifel umfassend und bis heute als Künstler geprägt. Es klingt so fürchterlich idealistisch, aber sie lehrten mich, dass die Musik dein Lebenselixier sein muss und dass es am Ende immer um die Magie der Erfahrung geht. Um sonst nichts.

      Mit Nikolaus Harnoncourt, 1986

      © Privatarchiv Thomas Hampson

      Aber die zweite Hälfte der 1980er-Jahre markierte nicht nur beruflich, sondern auch persönlich einen Wendepunkt in meinem Leben. Ich hatte ja schon recht früh, mit gerade einmal 20 Jahren, meine erste Frau Lisa geheiratet. Fünf Jahre später ist unsere Tochter Meghan zur Welt gekommen. Aber irgendwie hatten wir uns in Europa auseinandergelebt. Und Lisa kehrte schließlich mit Meghan wieder in die USA zurück. Es war eine schwierige Zeit. Trennungen sind niemals einfach, und der Gedanke, dass meine Tochter auf einem anderen Kontinent leben würde, brach mir fast das Herz.

      Allerdings lernte ich in dieser Zeit jenen Menschen kennen, ohne den mein Leben seit vielen Jahren für mich undenkbar wäre: meine jetzige Frau, Andrea Herberstein. Sie war damals die Leiterin der Styriarte, eines alljährlich im Sommer stattfindenden Festivals für klassische und Alte Musik in Graz und der Steiermark, und hatte mich auf Wunsch von Nikolaus Harnoncourt engagiert.

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