Die bedeutendsten Grabreden. Bruno Kern

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Die bedeutendsten Grabreden - Bruno Kern marixwissen

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David von Schimi aus der Sippe des Hauses Saul verflucht, mit Steinen beworfen, der „Blutschuld am Haus Sauls“ beschuldigt und des Mordes bezichtigt. Vor diesem Hintergrund darf die Aufrichtigkeit der Totenklage Davids und ihres starken Pathos des Verlustes und der liebenden Zuneigung bezweifelt werden.

      Zu ergänzen bleibt noch, dass zu jener Zeit der Jahweglaube keine Jenseitshoffnung kannte. Eine irgendwie geartete Hoffnung auf ein individuelles Weiterleben nach dem Tod wird in anderen alttestamentlichen Texten (etwa den Psalmen) sogar ausdrücklich negiert. Erst nach dem babylonischen Exil bilden sich Vorstellungen einer leiblichen Auferstehung und eines Endgerichts heraus, wie sie in jüngeren alttestamentlichen Büchern (besonders deutlich in den beiden Makkabäerbüchern) dokumentiert sind. Und nicht alle Strömungen des Judentums haben diesen Auferstehungsglauben rezipiert.

      Zu ergänzen bleibt ferner, dass das hier zitierte Lied seine relative Bekanntheit dem Vers 26, der Klage um Jonatan, verdankt. Dass David dessen Liebe mehr galt als Frauenliebe, kann wohl kaum anders als im Sinne einer homoerotischen Beziehung gedeutet werden.

      Die literarische Gattung des Leichenliedes zeichnet sich durch ein bestimmtes metrisches Versmaß aus (Qinavers), das natürlich nur im hebräischen Original nachzuvollziehen ist. Ein anderes typisches Merkmal hebräischer Lyrik bleibt aber auch in der Übersetzung erkennbar: der sog. „Parallelismus membrorum“, das heißt die Wiederholung eines Gedankens in zwei aufeinanderfolgenden, etwa gleich langen Satzgliedern mittels einer variierenden Formulierung. Dieses poetische Stilmittel hebräischer Dichtkunst mag vielen aus den Psalmen vertraut sein.

      Das Lied

      2 Sam 1,17 – 27

      Und David sang dieses Klagelied für Saul und dessen Sohn Jonatan; er sagte, man möge es den Söhnen Judas als Bogenlied beibringen; es steht im „Buch des Aufrechten“.

      Erschlagen liegt dein Stolz auf deinen Hügeln, Israel.

      Ach, gefallen sind die Helden.

      Macht davon keine Meldung in Gat,

      verkündet dies nicht auf den Straßen Aschkelons,

      damit die Töchter der Philister sich nicht freuen,

      damit der Unbeschnittenen Töchter nicht frohlocken.

      Oh ihr Berge Gilboas, weder Tau noch Regen mögen auf euch fallen,

      ihr trügerischen Gefilde.

      Denn dort wurde der Helden Schild befleckt,

      Sauls Schild, als wäre er nicht der Gesalbte.

      Der Bogen Jonatans kehrte nie zurück ohne das Blut von Getöteten,

      ohne das Mark von Helden.

      Auch Sauls Schwert kam nie zurück ohne Erfolg.

      Saul und Jonatan, geliebt und teuer, weder im Leben noch im Tod sind sie getrennt.

      Schneller waren sie als der Adler, stärker als der Löwe.

      Ihr Töchter Israels, weinen müsst ihr um Saul,

      denn er hat euch gekleidet mit prächtigem Purpur und mit goldenem Schmuck eure Gewänder verziert.

      Ach, gefallen sind die Helden mitten im Kampf.

      Erschlagen liegt Jonatan auf deinen Hügeln.

      Wie weh ist mir ums Herz um dich, mein Bruder Jonatan. Sehr lieb warst du mir.

      Deine Liebe war für mich viel wunderbarer als die Liebe von Frauen.

      Ach, gefallen sind die Helden,

      verloren sind die Waffen des Kampfes.

      „… dem Gesetz gemäß die Gebliebenen betrauert“

       Die Leichenrede der Aspasia

      (5./4. Jh. v. Chr.)

      Einführung

      Die im Folgenden dokumentierte Leichenrede ist in einem der Dialoge Platons enthalten, dessen Echtheitscharakter nicht bestritten wird. Menexenos, nach dem dieser Dialog benannt ist und der hier als fiktiver Dialogpartner des Sokrates auftritt, ist wie Platon selbst ein Schüler des Sokrates. Im Lauf des Dialogs lässt Platon Sokrates – als zentrales Stück dieses Dialogs – die Leichenrede der Aspasia zitieren, einer äußerst bemerkenswerten Frau. Aspasia (ca. 470 bis 420 v. Chr.) stammte aus Milet und war die zweite Frau des Perikles, der die kulturelle Blütezeit Athens nach den Perserkriegen wesentlich prägte. Gelegentlich wird Aspasia als die Mätresse oder Hetäre des Perikles bezeichnet (so bereits bei Antisthenes von Athen). Dies ist einerseits Teil der üblen Nachrede, der Aspasia ausgesetzt war, andererseits dem attischen Recht geschuldet, das die Ehe zwischen einem Athener und einer Milesierin als Konkubinat betrachtete. Aspasia war von hoher philosophischer Bildung und hatte vermutlich enge Beziehungen zu Sokrates, Sophokles und Euripides. Platon nennt unter den Lehrern des Sokrates zwei Frauen: neben Diotima ist es eben jene Aspasia, von der Sokrates seine rhetorische Bildung erhalten haben soll. Die Athener unterstellten ihr einen starken Einfluss auf Perikles, und dies war wohl letztlich der Grund dafür, dass man sie der Gottlosigkeit und Kuppelei anklagte. Sie entkam nur knapp einer Verurteilung.

      Die von Sokrates zitierte Rede der Aspasia ähnelt in Vielem der berühmten Gefallenenrede des Perikles, wie sie uns der griechische Geschichtsschreiber Thukydides überliefert hat. Im Menexenos wird dies damit erklärt, dass Aspasia die Rede des Perikles verfasst und in ihrer eigenen Rede „Übriggebliebenes“ daraus „zusammengekittet“ habe. Nach Meinung vieler ist die Leichenrede der Aspasia als Parodie aufzufassen. Der Text der Rede selbst bietet hierfür keinen Anhaltspunkt, sehr wohl jedoch der Kontext dieses platonische Dialogs, in dem Sokrates den Brauch von Leichenreden mit beißendem Spott bedenkt: „Es ist doch von gar vielen Seiten eine herrliche Sache, Menexenos, im Kriege zu bleiben. Denn ein schönes und prachtvolles Leichenbegängnis bekommt, wer auch als ein armer Mann gestorben ist, und gelobt wird ebenfalls, wer auch nichts taugt, und das von kunstreichen Männern, die nicht aufs Geratewohl loben, sondern schon lange vorher ihre Reden angeordnet haben, und die so vortrefflich loben, dass sie, was jeder an sich gehabt hat, und was auch nicht, ihm nachrühmend, mit dem herrlichen Schmuck der Worte verziert, unsere Seelen bezaubern […] ja, auch uns selbst preisen, die wir noch leben: so dass mir wenigstens, o Menexenos, ganz erhaben zumute ist, wenn ich von ihnen gerühmt werde, und ich stehe jedes Mal ganz versunken im Zuhören, bezaubert, meinend, ich sei zusehends größer und edler und trefflicher geworden […] Und dieses Selbstgefühl bleibt mir wohl länger als die drei Tage; so einsiedeln kann sich der Ton des Redners in den Ohren, dass ich mich kaum am vierten oder fünften Tage besinne und merke, wo in der Welt ich bin, so lange aber fast glaube, in der Seligen Inseln zu wohnen, so geschickt sind unsere Redner.“ (Platon, Menexenos, 226 – 227)

      Die Leichenrede der Aspasia wurde zu keinem bestimmten Anlass gehalten, Sokrates bezeichnet sie im Dialog selbst als „Standrede“ vor dem Hintergrund, dass die Wahl eines Totenredners bevorstand. In den letzten Lebensjahren des Perikles befand sich Athen im Krieg mit Sparta (Pelopponesischer Krieg, 431 – 404).

      Für die literarische Gattung der antiken Leichenrede insgesamt bedeutsam ist, wie Aspasia gleich zu Beginn den dreifachen Zweck der Rede benennt:

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