Nordwestpassage. Roald Amundsen

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Nordwestpassage - Roald Amundsen страница 6

Nordwestpassage - Roald Amundsen Edition Erdmann

Скачать книгу

angebunden und sahen in dem Regen jammerwürdig aus – denn Regen ist das Schlimmste, was man einem Polarhund bieten kann. Schon auf der Herreise hatten sie eine Seefahrt in Regen- und Nebelwetter durchmachen müssen, und jetzt war ihnen auf der Rückkehr eine zweite beschieden. Aber nun ging es ja auch wieder dahin, wo die armen Schelme daheim waren!

      Um sechs Uhr morgens erreichten wir den Hafen von Horten, wo wir zweihundert Kilogramm Schießbaumwolle einnahmen. Sprengstoff kann bei einer Polarexpedition von großem Nutzen sein, und ich würde es als einen entschiedenen Fehler betrachten, wollte man ohne solchen ausziehen, selbst wenn es geschieht – wie das bei uns der Fall war –, dass man keine Verwendung dafür bekommt.

      Um elf Uhr vormittags waren wir bei Färder. Das Wetter hatte sich gebessert und der Regen aufgehört. Als wir eben die Bugsiertrosse losmachen wollten, riss diese von selbst ab und ersparte uns dadurch die Arbeit. Mit vollen Segeln fuhr die Gjöa nun bei dem Wind südwärts und senkte ihre Flagge zu einem letzten Gruß an die Lieben daheim. Lange verfolgten wir das Bugsierboot mit dem Fernrohr, lange schwangen wir unsere Mützen und beantworteten die erst mit dem Boot in weiter Ferne verschwindenden Grüße.

      Nun waren wir also allein und jetzt begann die Expedition im Ernst.

      Schwer beladen, wie die Gjöa war, ging es nicht sehr schnell vorwärts. Da alles zum Voraus seeklar gemacht worden war, konnten wir sogleich unseren festen Dienst antreten. Die Wache wurde bestimmt und die Freiwache zog sich zurück. Wie herrlich war es! Kein Umtrieb, keine widerwärtigen Gläubiger, keine langweiligen Menschen mit schlechten Prophezeiungen oder zum Mindesten mit spöttischen Gesichtern … Nur wir sieben vergnügten, zufriedenen Menschen, die da waren, wo sie sein wollten, und nun in froher Hoffnung und festem Glauben der Zukunft entgegensteuerten. Der Welt, die so lange düster und traurig vor mir gelegen hatte, sah ich jetzt wieder mit Mut und Lust entgegen.

      Der Leuchtturm von Lister war das Letzte, was wir vom Festland sahen. In der Nordsee jagten ein paar Windstöße daher, die für die nicht Seefesten unter uns weniger behaglich waren. Die Hunde waren jetzt losgebunden und liefen frei umher. An den Tagen, wo die See hochgeht und die Gjöa schlingert – denn das kommt vor –, laufen sie von einem zum anderen und studieren unsere Mienen. Die ihnen zugemessene tägliche Kost – ein getrockneter Fisch und ein Liter Wasser – befriedigt ihren Appetit durchaus nicht, und sie versuchen es daher auf alle mögliche Weise, sich eine Extramahlzeit zu ergattern. Alle miteinander sind alte Bekannte, und sie kommen ziemlich gut miteinander aus, wenigstens was den männlichen Bestand anbetrifft. Bei den beiden Damen – Karli und Silla – hält dies schwerer. Karli ist die Ältere von den beiden, und sie verlangt unbedingten Gehorsam, worein sich Silla, die ja auch schon eine erwachsene Dame ist, sehr schwer findet. Die beiden liegen sich daher gar nicht selten in den Haaren. Ola, der als Oberhaupt anerkannt wird, sucht diese Art Kämpfe so viel wie möglich zu verhindern. Es ist ein unbezahlbarer Anblick, wenn der alte Ola – klug, wie ich nur wenige Hunde gesehen habe – mit diesen zwei Hündinnen, einer auf jeder Seite, umherspringt und einen Kampf zwischen ihnen zu verhindern sucht.

      Das tägliche Leben geht bald seinen gewiesenen Weg, und jeder von den Teilnehmern macht den Eindruck, als passe er gerade für den ihm zuerteilten Posten ausgezeichnet. Wir haben eine kleine Republik auf der Gjöa eingerichtet. Es gibt da keine strengen Gesetze, denn ich weiß selbst, wie unangenehm einen eine solche strenge Disziplin anmutet in dem Augenblick, wo man sich auf offener See befindet. Man kann sehr gut seine Arbeit leisten, auch wenn die Rute der Disziplin nicht immer drohend geschwungen ist.

      Meinen eigenen Erfahrungen gemäß hatte ich beschlossen, so weit wie möglich an Bord Freiheit walten zu lassen – jeder sollte das Gefühl bekommen, dass er in seinem eignen Bereich unabhängig sei. Dadurch entsteht – bei vernünftigen Leuten – von selbst eine freiwillige Disziplin, die einen viel größeren Wert hat als die erzwungene. Dabei bekommt jeder Einzelne das Bewusstsein, ein Mensch zu sein, mit dem man als mit einem denkenden Wesen rechnet, und nicht nur wie mit einer Maschine, die aufgezogen wird. Die Arbeitslust wird vervielfacht, und damit die Arbeit selbst. Ich möchte das auf der Gjöa angewendete System jedermann empfehlen.

      Meine Gefährten schienen dieses Vorgehen auch sehr zu schätzen, und die Überfahrt auf der Gjöa glich viel eher einer Ferienreise von Kameraden als der Einleitung zu einem ernsten, jahrelangen Kampf.

      Am fünfundzwanzigsten Juni fuhren wir zwischen Fair Isle und den Orkney-Inseln hinaus in den Atlantischen Ozean.

      Und nun hätten sie uns sehen sollen – die vielen, die uns hier schon den Untergang prophezeit hatten! Mit vollen Segeln und einer frischen Brise aus Südost ging es mit Windeseile westwärts. Sie tanzte auf den Wogenkämmen – die Gjöa –, sie wetteiferte an Schnelle mit den Möwen!

      Übrigens zeigte sich merkwürdig wenig Leben in unserem Fahrwasser. Wir sahen weder Vogel noch Fisch, von Schiffen überhaupt nicht zu reden. Seitdem wir bei Lister gepeilt hatten, war nur einmal ein Vollschiff in der Ferne aufgetaucht.

      Der Motor war uns mehrere Mal sehr nützlich. Ich hatte bestimmt, dass er in Gang gesetzt werden solle, sobald der Wind so abflaute, dass wir weniger als zwei Knoten in der Stunde zurücklegten.

      Übrigens mussten wir sehr auf einen sparsamen Verbrauch des Petroleums bedacht sein, da wir ja nicht wissen konnten, wie lange die Reise dauern würde.

      Es war jetzt alles in Ordnung gekommen und ging seinen ruhigen Gang. Der ganze Tag war in vier sechsstündige Wachen eingeteilt, immer drei Mann auf jeder Wache. Der Dienst war unter allen gleichmäßig verteilt. Wenn der Motor im Gang war, blieben die Maschinisten meistens im Maschinenraum. Doch waren sie jederzeit bereit, uns Deckleuten, wenn es nottat, hilfreiche Hand zu leisten. Den alten Streit zwischen Deck- und Maschinenleuten gab es auf der Gjöa nicht. Wir arbeiteten alle für ein gemeinsames Ziel und nahmen willig und gerne an allem teil. Gewöhnlich waren zwei Mann auf Deck und wir teilten uns gleichmäßig in die Führung des Steuers.

      Ende Juli stellte sich unter den Hunden eine Krankheit ein. Augenscheinlich wurde ihr Verstand zuerst angegriffen; sie wanderten teilnahmslos auf dem Verdeck umher und sahen und hörten nicht. Das Futter schmeckte ihnen nicht oder sie fraßen auch gar nichts. Nachdem dies ein paar Tage gedauert hatte, wurden sie im Hinterteil gelähmt und konnten sich nur noch mit großer Mühe weiterschleppen. Schließlich stellten sich Krämpfe ein und dann erlösten wir sie vollends mit einer Kugel. Auf diese Weise verloren wir zwei prächtige Tiere – Karli und Josef –, übrigens zur großen Freude von Silla, die nun die einzige Henne im Korb war.

      Unsere Fahrt wurde die ganze Zeit so viel wie möglich nach dem Großkreis geführt. Das Wetter war bisher günstig und unsere Fahrt tadellos gewesen. Am fünften Juli hatten wir einen kleinen Sturm aus Südsüdost. Wir hatten gereffte Segel und durchschnitten das Wasser mit einer Geschwindigkeit von zehn Meilen. Der große Luvbaum war gut abgefiert und Stopper aufgesetzt. Es regnete sacht, als ich mich am Abend in meine Koje legte. Nachts um ein Uhr sprang der Wind nach Osten um, dadurch stürzte das Großsegel herab. Der Baumstopper zerbrach und der Luvbaum flog mit furchtbarer Kraft daher. Dies hätte ernsthafte Folgen haben können, aber in dem Augenblick, wo der Stopper brach, zerbrach bei allem Unglück zum guten Glück auch der Karveelnagel, wodurch der Piekfall festgemacht wurde, und zwar mit dem Erfolg, dass der Piek sich von selbst bog und den Stoß dämpfte, der uns sonst unseren Baum hätte kosten können. Dies war ein verhältnismäßig billiges Lehrgeld. Von da an waren wir bei Nacht vorsichtiger.

      Unsere vier überlebenden Hunde begannen indes, sich sichtbar zu langweilen. Im Anfang konnten sie Wind und Wetter studieren und damit die Zeit totschlagen; aber jetzt wirkten die meteorologischen Zerstreuungen nicht mehr zerstreuend, und deshalb suchten ihre Gedanken sich ein neues Feld. Müßiggang ist aller Laster Anfang, sagt das Sprichwort, und dieser Ausspruch passt ebenso gut für Tiere wie für Menschen. »Lurven« und »Bismarck«, die bis dahin »Ola« ganz ergeben und untertänig gewesen waren, fingen jetzt an, sich zu widersetzen und den Gehorsam

Скачать книгу