Nordwestpassage. Roald Amundsen
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Als früherer Anführer umgab ihn allerdings eine gewisse Würde, und die anderen bedachten sich zweimal, ehe sie ihn angriffen. Lurven indes spielte seine Rolle ausgezeichnet. In sausendem Galopp fuhr er in gerader Richtung auf Ola los. Bismarck, der glaubte, es handle sich um einen Sturmlauf, schloss sich seinem Kameraden sogleich an, um ihm beizustehen. Ganz dicht vor Ola angekommen, hält Lurven plötzlich inne, worauf Bismarck, der nicht auf diese List vorbereitet ist, in des Feindes Rachen läuft. Er bekam dann auch regelmäßig ordentlich Schläge von dem erfahreneren Ola.
Lurven war der boshafteste von allen Hunden, die mir je begegnet sind. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er mit seinem etwas schiefen Kopf und den kleinen schielenden Augen, den Schwanz nach der einen Seite hinausgestreckt, über das Deck hinjagt, als sei er auf einen neuen Streich aus. Er wurde wegen seiner schlechten Streiche sehr oft von uns durchgewalkt und verlegte seine Taten deshalb gern auf eine Zeit, wo er weniger unter Aufsicht war. Wenn wir zum Beispiel an den Segeln beschäftigt waren, konnten wir eines Kampfes sicher gewärtig sein. In der Dunkelheit und Stille der Nacht, wenn Lurven die beiden aufeinandergehetzt hatte, benutzte er oft die Gelegenheit, Ola in den Rücken zu fallen, und dann konnte der Alte nicht allein fertig werden. Armer Ola! Bei diesen nächtlichen Kämpfen wurde er oft böse zugerichtet. Silla sprang bei solchen Gelegenheiten rings um die Kämpfenden herum; sie vollführte allein einen Spektakel, der den der beiden anderen ganz übertäubte, und biss diese auch von Zeit zu Zeit in die Beine.
Es regnete unentwegt weiter, und wir sammelten das Regenwasser in alle unsere Gefäße, als Waschwasser für uns und als Trinkwasser für die Hunde. Aber für gewöhnlich wuschen wir uns mit Seewasser und konnten es da nicht so genau mit der absoluten Reinlichkeit nehmen.
Von jetzt an hielten wir scharfen Ausguck nach Eis, und am neunten Juli entdeckten wir zwei schmale Streifen, die in der See auf und ab wogten; da wussten wir, dass wir nun bald die Hauptmasse des Eises erwarten konnten. Und ganz richtig, nicht lange danach hatten wir das Packeis mächtig und fest vor uns! In dessen Gefolge kam der Nebel, der treue Begleiter des Eises, der uns während eines großen Teils unserer Reise in den arktischen Gewässern Gesellschaft leistete.
Am elften Juli um halb drei Uhr nachmittags bekamen wir Land in Sicht, etwas westlich vom Kap Farewell. Die hohe zerrissene Felsenküste war ein prächtiger Anblick. Es sah aus, als reiche das Eis bis dicht an das Land heran. Dem Rat der schottischen Walfischfänger Milne und Adams gemäß hielt ich mich weit von der Küste entfernt, um nicht in das Eis hineinzugeraten. Am Dreizehnten begegneten wir den ersten Eisbergen, zwei einsamen Majestäten. Die unter uns, welche noch keine solchen Kolosse gesehen hatten, waren natürlich sehr erregt, und die Fernrohre wurden fleißig benützt.
Beim Anblick des Eises begann sich in den meisten von uns das Jägerblut zu regen. Durch die Ferngläser wurde nach möglicher Beute gespäht, und allerlei Bärenjagdgeschichten waren sehr häufig der Gegenstand der Unterhaltung … Selbstverständlich stand Freund Petz in aller Erwartung obenan, aber nichtsdestoweniger hätte man auch eine »Klappmütze« – die großen prachtvollen Seehunde, die man an den grönländischen Küsten im Eis antrifft – freundlich empfangen. Zwei unserer gewaltigsten Nimrode ließen sogar etwas von der Möglichkeit, einen Walfisch zu morden, verlauten.
Am fünfzehnten Juli endlich konnten die Herren Jäger ihr Mütchen kühlen. Wir fuhren an diesem Tag eine kleine Strecke zwischen das Eis hinein und schossen vier große Klappmützen. Das frische Fleisch mundete uns allen herrlich! Und Lindströms Beredsamkeit floss über von Roulade, Sülze und Würsten, dass allen Bewohnern der Gjöa das Wasser im Mund zusammenlief. Er erzählte von seinen kulinarischen Taten als Küchenchef auf der »Fram«. Leider bewegten sich seine Reden nur in der Vergangenheit, während wir auf seine Taten in der Gegenwart warteten und hofften. Vorläufig freilich vergebens! Nun – Ehre sei dem Gjöa-Koch! Er hat uns trotzdem manches gute Beefsteak vorgesetzt!
Doch nicht allein den Menschen mundet das frische Fleisch gar köstlich, die Hunde liefern alle erdenklichen Beweise, dass auch sie keine Kostverächter sind. Sie fressen sich toll und voll, ihre Leiber stehen hervor wie ausgestopfte Ballons, und namentlich Lurven zeichnet sich dabei aus. Er zeigt sich jetzt als ein besonderes Ferkel, und sein ganzer Körper ist mit Fett und Blut eingeschmiert. Das auf der Wache hart arbeitende Reinigungsamt ist nach solchen Festmahlzeiten vollauf beschäftigt. Jeder Seemann kennt diese Seite der Sache, dass man Hunde an Bord hat. Man denke sich dann vier auf einmal, die aller Stubendressur bar sind!
Am nächsten Tag waren wir wieder im Eis drin und schossen noch sieben Seehunde.
Während dieser Zeit der Seehundjagd sind die Harpunen und Messer in voller Tätigkeit. Unser erfinderischer Maschinist ist indes so schlau gewesenen, der mit der Transmission in Verbindung stehenden Lotmaschine einen Schleifstein anzubringen, der nun das Schleifen ganz allein besorgt.
Lindström findet, Seehundleber sei der delikateste Leckerbissen, den es gebe, und er bewirtet uns früh und spät damit. Sie schmeckt übrigens auch gar nicht schlecht. Als wir uns der »Kleinen Hellefiskbank« näherten, setzte der Maschinist, der ein ebenso eifriger Fischer wie Jäger ist, seine Fischgeräte instand und richtete sich droben im Heckboot ein, von wo aus er das Fischen im großen Stil betrieb. Er war selbst sehr hoffnungsvoll und wurde darin von dem Koch unterstützt, während wir anderen uns etwas skeptisch verhielten. Groß war daher sein Triumph, als er eines Morgens wirklich einen kleinen Heilbutt fing, der uns übrigens herrlich schmeckte.
Am zwanzigsten Juli bekamen wir den »Sukkertoppen« (Zuckerhut) in Sicht. Übrigens behält die Küste ihren Charakter mit hohen zerrissenen Gipfeln bei. Sonst war es hier lebendiger – mit ganzen Schwärmen von Walfischen dicht vor uns. Das Wetter war in der Nähe des Landes auch besser als weiter draußen; bei einer leichten Brise aus Süden blieb es hell und klar. Die Temperatur des Wassers stieg bis zu vier Grad Celsius. Eis sahen wir merkwürdigerweise gar keines, obgleich man hätte denken sollen, der beständige Nordwind, den wir die ganze Zeit entgegen gehabt hatten, hätte eine Menge Eis südwärts getrieben. Es war vielleicht gar kein Eis mehr da –?
Jetzt machten wir zum ersten Mal die Entdeckung, dass wir uns nicht mehr auf den Kompass verlassen konnten. Dies ist überhaupt an der Westküste von Grönland eine recht wohlbekannte Erscheinung. Noch weiter draußen im Meer ist er dagegen ganz zuverlässig. Die Ursache davon sind wahrscheinlich die stark eisenhaltigen Gebirge.
Der vierundzwanzigste Juli war ein wundervoller Tag, ganz still und leuchtend hell. Es war seit unserer Abreise der erste wirkliche Sommertag. Wir benutzten diese Gelegenheit, um alles Brot, das wir in neubackenem Zustand von zu Hause mitgenommen und drunten im Schiffsraum ausgebreitet hatten, an die Luft zu bringen. Ein großer Teil davon war verdorben, aber wir schnitten das Verschimmelte weg und lüfteten das andere, sooft es angezeigt schien.
»Segel voraus!«, ertönte es plötzlich. Und da wird es lebendig an Bord! Alle Ferngläser – und wir haben viele auf der Gjöa – werden herausgeholt.
»Ein Vollschiff!«, heißt es.
»Oh nein, wir begnügen uns mit einem Schoner!«, denke ich.
»Ich sehe ganz deutlich, dass es eine Brigg ist!«
»Wahrscheinlich ist es eines der königlich-dänischen Grönlandhandelsschiffe, das auf dem Heimweg ist!«
»Da ist noch eins!«, rief einer von uns, mit dem Fernrohr vor dem Auge.
Na, es begann ja ordentlich bevölkert zu werden hier draußen in der Eiswüste! Wir wandern auf Deck hin und her und plaudern seelenvergnügt darüber, welch eine Überraschung wir für die Entgegenkommenden sein würden. Ich kann auch nicht leugnen, dass wir das Deck ein klein wenig festlich herrichteten … Es