Die Sieben Weltwunder. Johannes Thiele

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Die Sieben Weltwunder - Johannes Thiele marixwissen

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als Ganzes, wie in allen seinen Teilen, den Makrokosmos. Sein Urheber ist also nicht der Mensch, sondern die Gottheit selbst.

      Pythagoras sprach aus, was die Magier und Priester der alten Kulturen irgendwie zu wissen schienen: Zahlen sind mehr als eine Rechenhilfe. Das Gebäude der Welt ist nach einem mathematischen Plan geschaffen.

      Unter den Zahlen spielt die Sieben eine besondere Rolle. Sie ist eine Primzahl, das heißt, sie lässt sich nur durch 1 oder durch sich selbst teilen. Auch 2, 3 und 5 sind Primzahlen; sie lassen sich aber durch Teilung aus der ersten Zehnerreihe im antiken Sinne gewinnen. Die Sieben allein steht für sich; innerhalb dieses Zahlenraumes »zeugt« sie nicht und ist nicht »erzeugt«. Eine magische, eine vollkommene Zahl. Inbegriff der immer sich gleichenden, unwandelbaren Gottheit, die aber zugleich die Veränderung in der Natur und im Leben der Menschen bewirkt.

      DIE SPUREN DER ZEIT

      Wir wissen heute annähernd, wie die Sieben Weltwunder ausgesehen haben, obwohl sie – bis auf die Pyramiden – schon seit vielen Jahrhunderten zerstört oder untergegangen sind. Doch selbst die Große Pyramide von Gizeh vermag uns nur noch eine Andeutung ihrer einstigen Schönheit zu geben. Was wir heute sehen, ist allein der Kern, sozusagen der Rohbau.

      Die Sieben Weltwunder verführen geradezu zum Superlativ, zur Bewunderung ihrer Größe, ihrer Höhe, ihres Wertes. Doch die Zeus-Statue von Olympia ist nicht nur ein tonnenschwerer Klotz aus Elfenbein und anderen kostbaren Materialien, die Große Pyramide nicht nur eine Anhäufung von 2,5 Millionen Steinquadern, der Tempel der Artemis ist nicht nur die Summe ihrer imponierenden Säulen.

      Jedes einzelne der Sieben Weltwunder ist vielmehr ein Spiegelbild seiner Zeit und der Menschen, die es erdachten, planten, bauten und mit ihm lebten. Von ihrer einstigen Existenz zeugen heute gewaltige Fundamente, Mauerbruchstücke, Säulenkapitelle, Torsi, Tontafeln, Abbildungen auf antiken Münzen. Wer sich ihnen nähern will, ist auf Vermutungen angewiesen, auf Spekulationen, auf Rekonstruktionsversuche, selbst wenn er alle vorhandenen schriftlichen Quellen und Überlieferungen einer wissenschaftlichen Prüfung unterzieht. Es bleibt ein undefinierbarer Raum für Geschichten und Gerüchte, für Kontroversen und Kalkulationen. Die Sieben Weltwunder sind das denkbar geeignetste Spekulationsobjekt der Forschung.

      Die ersten Zeugnisse und Berichte verdanken wir griechischen Historikern und Reiseschriftstellern, zum Beispiel dem stets bewunderungsbereiten und erzählfreudigen Herodot aus Halikarnassos, dessen weltgeschichtliches Werk nicht nur eine antike Quelle ersten Ranges ist, sondern zugleich so etwas wie ein Baedeker, ein Reiseführer durch die Zeit des 5. vorchristlichen Jahrhunderts. Herodot verstand sich nicht als Entdecker neuer Dinge, sondern als Historiker, der festhalten wollte, was er auf den großen Handelsrouten, die damals alles andere als unbeschwerlich zu bereisen waren, an Informationen fand. So schrieb er ein neunteiliges, fesselndes, lebendiges Geschichtswerk über Könige und Künstler, Götter und Helden, Philosophen und Feldherren der gesamten damals bekannten Welt – von Ägypten über Griechenland und Kleinasien bis nach Mesopotamien und die angrenzenden Länder. Dass später manche seiner Behauptungen widerlegt wurden, tut zwar bisweilen seiner Glaubwürdigkeit, nicht aber der Aussagekraft seines Werkes Abbruch.

      Ebenfalls skeptisch werden heute die Überlieferungen von Ktesias, Xenophon und Diodorus Siculus beurteilt, vor allem, weil sie sich in ihren Berichten oft einander widersprechen oder gar gegenseitig widerlegen. Die antike Welt war geradezu süchtig nach Geschichten, und es ist nicht auszuschließen, dass so mancher Augenzeugenbericht »aufgepeppt« wurde, um ihn spannender zu machen und um damit dem Publikum entgegenzukommen.

      Als zuverlässig gilt der Geograph Strabon, der zahlreiches Material zusammentrug, mit dessen Hilfe versunkene oder verschüttete Städte, Heiligtümer oder Tempel wiedergefunden und rekonstruiert werden konnten.

      Und schließlich Pausanias, ein Reiseschriftsteller, der im 2. Jahrhundert n. Chr. einen »Führer durch Griechenland« für römische Reisende schuf und darin einen ausführlichen Überblick über allerlei Wissenswertes gab.

      Mit dem Untergang des Römischen Reichs ging auch das Interesse an den Wundern der antiken Welt verloren. Die Christen entdeckten die Weltwunder erst auf ihren Kreuzzügen, sahen sie jedoch als heidnisch an und verwendeten sie zum Teil als Steinbrüche.

      Erst die Renaissance erinnerte sich im 15. Jahrhundert wieder an das antike Erbe. Doch noch weitere zweihundert Jahre vergingen, bevor sich der Wiener Architekt Johann Fischer von Erlach (1656–1723) dem genauen Studium der vorhandenen Quellen über die Weltwunder widmete. Er verglich die vorhandenen Münzabbildungen mit den schriftlichen Überlieferungen für seinen »Entwurf einer historischen Architektur«. Seine Rekonstruktionen sind jedoch eine Mischung aus zeichnerischer Akribie und blühender Phantasie.

      Erst im vorletzten Jahrhundert, mit dem Aufschwung der Archäologie und der wissenschaftlichen Erforschung der klassischen Antike, wurden die Rekonstruktionen zuverlässiger. Ganze Städte wurden ausgegraben, in Griechenland, in Kleinasien. Tempel, Mauern, Paläste, Theater wurden freigelegt, eine Unzahl Statuen, Keramiken, Schmuck, Waffen und Gebrauchsgegenstände des Alltags ans Tageslicht befördert. Aus dem geheimnissüchtigen und nicht selten raffgierigen Ausgräber der ersten Stunde wurde ein Fährtensucher, ein Gelehrter, ein »Wissenschaftler des Spatens«. »Die einzigen Siege sind die, welche der forschende Geist über die Unwissenheit erringt«, sagte Napoleon Bonaparte.

      Durch die Entzifferung der Hieroglyphen und der Keilschrift erfuhr man, dass es vor Griechenland und Rom große Kulturen gegeben hatte – Ägypten, Mesopotamien und die angrenzenden Länder des östlichen Mittelmeerraumes. Kulturen, in denen sich einst die Traditionen, Wissenschaften und Künste entwickelt hatten, in denen die westliche Kultur wurzelt.

      Völker und Herrscher vergingen, die großartigsten Zeugnisse der Kultur und der Kunst wurden zertrümmert, zerstört oder gänzlich vernichtet.

      Heute können die wenigen Reste, die von den Sieben Weltwundern geblieben sind, nur in zumeist dunklen Museumsräumen bei künstlichem Licht bewundert werden. Sie geben nur mehr eine Ahnung von ihrer einstigen Farbenpracht, ihrer Umgebung im gleißenden Licht, in ihrem Klima und ihrer Landschaft, belebt von den Menschen ihrer Zeit. Wir erhalten nur noch einen rudimentären Einblick in Städte und Länder, die einst den Mittelpunkt der Welt bildeten.

      Was blieb, war und ist das Traumbild des menschlichen Bemühens, die Erinnerung an die Gipfelpunkte menschlicher Zivilisation und Kultur; die Erkenntnis, dass die Entwicklungen von gestern, die einer alten, längst vergangenen Welt, uns heute noch immer beeinflussen und prägen.

       Kupferstich von Johann Fischer von Erlach

ERSTES KAPITEL DIE GROßE PYRAMIDE VON GIZEH

      Jahrtausende haben die ägyptischen Pyramiden überdauert. Sie sind das einzige Weltwunder, das noch zu besichtigen ist, und doch sind sie noch immer geheimnisumwittert und von ungelösten Rätseln umgeben. Mag sein, dass die Phantasie das, was endgültig versunken und verschwunden ist, sich prächtiger ausmalt, als es in Wirklichkeit war. Die Pyramiden jedenfalls sind ein großartiger Maßstab für die untergegangene Großartigkeit der übrigen Weltwunder. Was immer an den Pyramiden gemessen werden konnte, was man in einem Atemzug mit ihnen nannte, muss in der Tat staunenswert gewesen sein.

      EIN UNLÖSBARES RÄTSEL

      Das Kulturland Ägyptens ist nur sechsundzwanzigtausend Quadratkilometer groß, also kleiner als Belgien. Zu beiden Seiten des Nils,

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