Entdeckungsfahrten im Pazifik. James Cook
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Dabei – und dies erscheint nicht weniger erstaunlich – bot ihm seine Herkunft praktisch keine Startchancen: Cook wuchs in bitterster Armut in der großen Familie eines Tagelöhners aus Yorkshire auf. Dennoch erwarb er, vorwiegend als Autodidakt, so umfassende Kenntnisse der Mathematik, Astronomie, Navigation, Kartografie und Medizin, dass allein deren wissenschaftlicher Wert die begehrte Beihilfe der „Royal Society“ (der „Königlichen Gesellschaft“) gerechtfertigt hätte – und die Goldmedaille, die diese Gesellschaft eigens für ihn schuf.
Dass seine Leistungen und Verdienste nicht noch größere Anerkennung fanden, ist mehreren Umständen zuzuschreiben. Einmal neigte Cook selbst dazu, seine Verdienste zu verringern und Fehlschläge hervorzuheben; so etwa die Tatsache, dass er Tausende von Seemeilen Ozean statt eines riesigen, fruchtbaren „Südlands“ entdeckt hatte. Bescheiden sagte er nach einer Fahrt, welche die Voraussetzungen für die Besiedlung Australiens und Neuseelands durch Menschen des englischen Sprachraums schuf: „Unsere Entdeckungen, wiewohl gering, werden die lange Dauer der Reise entschuldigen.“ Tatsächlich wurde damals den „Gentlemen der Wissenschaften“, Banks und Solander, weit größere Aufmerksamkeit zuteil; waren sie doch „beladen mit den größten Schätzen der Naturgeschichte, welche je zwei Männer zur gleichen Zeit einem Volke darbrachten“. Neben ihnen verblasste der einfache Seemann, der die Expedition leitete und ihre größten Erfolge verantwortete.
Zum Zweiten unternahm Cook seine drei Reisen als gewöhnlicher britischer Seeoffizier ohne höheren Rang. Seine Beförderung verlief keineswegs rasch; die Anerkennung seiner Taten hielt sich durchaus in Grenzen. Als er Neusüdwales entdeckte, lag sein Tagessold bei bescheidenen fünf Shillingen; und erst nach Cooks Tod erkannte die Krone seiner Familie ein Wappen zu – vielleicht das letzte, das in Anerkennung geleisteter Dienste verliehen wurde.
Zum Dritten besudelten spätere Missionare Hawaiis aus eigensüchtigen Motiven seinen Namen, nannten ihn sitten- und gottlos – Verleumdungen, deren Haltlosigkeit führende Gelehrte wie Sir Holland Rose nachgewiesen haben.
Der Hauptgrund war jedoch, dass Cook gewissermaßen in der Stille wirkte und um seine Taten keine großen Worte machte. Die Stirn eines gewöhnlichen britischen Seeoffiziers namens Cook, Ehemannes der Krämerstochter Elizabeth Batts, konnte schwerlich ein so strahlender Glorienschein umgeben wie das Haupt Cristóbal Colóns, Admirals von Kastilien, Vizekönigs und Gouverneurs des Festlands und der Inseln, die seiner Entdeckung harrten; oder wie Jean François Galaup, Comte de La Pérouse, dessen erfolgreiche Heirat unterhalb seines Standes die gleiche Romantik verklärte wie seine ruhmreichen Forschertaten und sein tragischer Tod. Cooks Schiffe trugen zwar bezeichnende Namen – Endeavour, Resolution, Discovery und Adventure (Wagnis, Entscheidung, Entdeckung und Abenteuer) –, doch die Tugenden, die sich mit solchen Namen verbinden, waren so selbstverständliche Bestandteile seiner Natur, dass wir bei der Lektüre seiner schlichten Berichte im unverblümten Stil des Seefahrers kaum bemerken, wie hier eine Fülle erregender Abenteuer als belangloser Entdeckeralltag geschildert wird. Einer von Cooks Biografen, G. Arnold Wood, hat es so ausgedrückt: „In keiner Zeile finden wir Cook als strahlenden Helden. In manchen Zügen erinnert sein Charakter an den seines größten Zeitgenossen, George Washington, der einen Krieg gewann, ohne in einer einzigen Schlacht zu siegen. Seine Größe ist – so meinen wir – nicht die des Augenblicks; sie spiegelt sich vielmehr in seinem ganzen Dasein.“
II
Über Cooks Kindheit weiß man wenig. Er war ein Junge vom Land, das zweite von sieben Kindern, geboren am 27. Oktober 1728 in einer winzigen Zwei-Zimmer-Lehmhütte des entlegenen Dörfchens Marton-cum-Cleveland, Yorkshire. In der Dorfschule Ayton – sie steht heute noch – erwarb er bescheidene Grundkenntnisse; dann sollte er in dem kleinen Fischereihafen Staithes in die Geheimnisse des Krämergewerbes eindringen. Es geht das Gerücht, dass ihn der Krämer eines Diebstahls wegen feuerte – Cook soll einen glänzenden neuen Shilling durch eine schäbige alte Münze ersetzt haben –, doch wahrscheinlich lügt der Klatsch: Der Krämer verhalf ihm zu einer Fortsetzung seiner „Karriere“ im Kohlenhandel, bei der Quäkerfamilie Walker in Whitby, mit der er sein Leben lang freundschaftlich verbunden blieb.
Bei den Walkers erwarb Cook das Wissen, das dann die Hauptgrundlage seiner Erfolge bildete – in den Tagen, da die europäische Befahrung und Erforschung des Pazifiks ausschließlich Segelschiffen vorbehalten war. An windgeschützten Nordseeküsten lernte er, mit den trägen, aber robust gebauten Kohlenschiffen umzugehen. Vor den pazifischen Inseln, vor Neuseeland, zwischen den Riffen der gefährlichen Wasser des nordaustralischen Barriereriffs überwand er immer wieder Schwierigkeiten, vor denen manche Navigatoren – wie De Bougainville – kapitulieren mussten und die andere – wie La Pérouse – ihre Schiffe und ihr Leben kosteten.
Cooks Offiziere behaupteten, er hätte das Land gerochen; oft sei er plötzlich an Deck aufgetaucht und habe den Kurs geändert, als kein anderer auch nur die leiseste Ahnung einer Gefahr verspürte. Nur einmal, als die Endeavour vor der Küste Queenslands auf ein verborgenes Riff lief, trog ihn sein Instinkt; und selbst dann eilte er in Unterwäsche an Deck, um kaltblütig die Befehle zu erteilen, die das Schiff retteten. Von John Buchan wissen wir, dass kleine Ursachen auch in der Weltgeschichte große Wirkung erzielen können; und der Korallenblock, der den Riss in den Planken der Endeavour verstopfte, hat vielleicht nicht nur das Schiff, sondern auch die Kolonisation Australiens durch Menschen des englischen Sprachraums gerettet.
Cook verfügte nicht nur über Geistes- und Charakterstärke; er war auch körperlich sehr kräftig und robust. Nur einmal während seiner Reisen erkrankte er ernsthaft – weil er in Neukaledonien giftigen Fisch gegessen hatte. Rettung brachte ihm der Hund des Wissenschaftlers, den er als Brühe verzehrte. Doch die Kapitulation vor einem Fisch schmeckte ihm so wenig, dass ihn nur der Sarkasmus seiner Freunde daran hinderte, sich nochmals an das gefährliche Gericht zu wagen.
Cooks Offiziere und Mannschaften, durch ständig wachsende Erfahrungen bereichert, führten ein hartes, doch keineswegs freudloses Dasein – und immer wieder heuerten sie auf seinen Schiffen an. Mitentscheidend dafür war, dass Cook in einem gnadenlosen Zeitalter relativ milde Strafen aussprach und für warme, saubere Kleidung plädierte. Kaum einmal befahl er die damals üblichen brutalen Prügel; keinen Seemann ließ er kielholen, der auf der langen Fahrt in feuchten Tropen seine Kleider wechselte – im Gegenteil: Er ermutigte seine Männer, die verdreckten Fetzen fortzuwerfen. In vollen Zügen genossen sie die Tage auf Tahiti – obwohl sich die Eingeborenen oft als gefährliche Diebe erwiesen, die mit erstaunlicher Raffinesse ans Werk gingen. Einer stahl einmal Cook die Strümpfe unter dem Kopfkissen; der Captain schwor, dass er kein Auge zugetan hatte. Ein andermal entdeckten die Verfolger eines Halunken nach sechs mühsamen Meilen, dass sich der Gesuchte frühzeitig in die Büsche geschlagen hatte und unbeschwert in einem Bächlein badete.
Nicht einmal Cook konnte verhindern, dass seine Männer dem Liebreiz junger Polynesierinnen erlagen; doch er kannte die Gefahr und tat sein Möglichstes, um seine Mannschaft und die Eingeborenen vor Krankheiten zu schützen. Ebenso wichtig war der Schutz der Schiffe; als Nägel zu Tausch- und Wertobjekten wurden, musste Cook hart durchgreifen – sonst hätten sich die Segler schnell in einen Bretterhaufen verwandelt.
Der Leser der Logbücher verfolgt fasziniert die Entwicklung von Cooks Charakter, seiner Kenntnisse und Anschauungen während der langen Reisen mit Männern vom Kaliber eines Solander oder Banks. Sein wissenschaftliches Interesse wuchs, sein schlichter, unverblümter Stil wurde noch bildkräftiger. Selbst anthropologische Grundkenntnisse