Die bedeutenden Historiker. Lars Hoffmann
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Aus diesen Ausführungen geht hervor, dass das vorliegende Buch allenfalls eine bestimmte Auswahl an Historikern vorstellen will und kann. Dabei ist es jeder Leserin und jedem Leser natürlich anheim gestellt, bestimmte Personen für ergänzenswert zu halten oder sich ein Urteil zu bilden, warum dieser oder jener Geschichtsforscher in die Reihe aufgenommen wurde, ein anderer aber nicht. Wenn das erreicht werden könnte, wäre der Zweck dieses Buches bereits erfüllt.
Mainz, im Januar 2008 Lars Martin Hoffmann
Herodot aus Halikarnassos
Herodot (gr. Heródotos) aus der antiken Stadt Halikarnássos, die sich auf dem Gebiet des modernen türkischen Bodrum an der westlichen Ägäisküste befand, setzt man im allgemeinen an den Beginn der Geschichtsschreibung, als deren »Vater« ihn kein geringerer als Cicero bezeichnet hatte. Seine Heimatstadt war zu seinen Lebzeiten weithin bekannt, und sollte später durch das Grabmal des karischen Königs Maussolos, das zu den sog. Sieben Weltwundern der Antike gehörte, einen hohen kulturgeschichtlichen Stellenwert erlangen. Es ist natürlich immer mit Schwierigkeiten verbunden, will man für ein bestimmtes literarisches Genre einen festen Ausgangspunkt markieren, und ganz gewiss kam Herodot dabei der glückliche Zufall zu Hilfe, dass gerade sein Geschichtswerk als erstes der Nachwelt überliefert wurde, während von ihm benutzte schriftliche Quellen – wie etwa der Periodos des Hekataios von Milet (ca. 550 – ca. 480 v. Chr.) – gar nicht oder nur in spärlichen Auszügen erhalten sind. Geboren wurde Herodot um das Jahr 485 v. Chr. Seine Teilnahme an einem zunächst erfolglosen Umsturzversuch gegen Lygdamis, einen Tyrannen seiner Heimatstadt, zwang ihn vorübergehend ins Exil auf die Insel Samos, doch war er am gelungenen Sturz dieses propersischen Tyrannen im Jahr 454 v. Chr. wieder beteiligt. Aufgrund politischer Spannungen in Halikarnassos wanderte er etwa zehn Jahre später in die erst 444 v. Chr. gegründete athenische Kolonie Thurioi am westlichen Ende des Golfs von Tarent aus, soll aber nach einem unsicheren literarischen Zeugnis des Eusebios von Kaisareia bereits gut ein Jahr später in Athen gelebt haben, wo ihm die Gruppe der politischen Reformer um Perikles (ca. 490-429 v. Chr.) eine neue geistige Heimat bot. Zu seinen Freunden gehörte dabei unter anderem der Tragiker Sophokles, dessen literarisches Schaffen wiederholt Anspielungen auf Person und Werk Herodots erkennen lässt.
Seine Geschichten oder Berichte (griech. Historiai) hat Herodot, dessen Todesdatum etwa zwischen den Jahren 430 und 425 v. Chr. anzusetzen ist, allem Anschein nach in Athen verfasst. Verstorben ist er jedoch in seiner Wahlheimat Thurioi. Bis dahin müssen zumindest Teile des nach antikem Brauch zur Verlesung konzipierten Werkes publiziert gewesen sein, da sich inhaltliche Anspielungen darauf in den Acharnern des Komödiendichters Aristophanes finden, einer Burleske, die den Peloponnesischen Krieg (431-404 v. Chr.) zwischen Athen und Sparta parodiert und die 425 v. Chr. den Siegespreis der Lenäen, eines jährlich abgehaltenen Theaterwettstreits davontrug. Umstritten ist in der Forschung nach wie vor, wie Herodot an seine Informationen gelangte. Sicherlich trifft es zu, dass er längere Reisen innerhalb Griechenlands, nach Ägypten und auch bis Babylon unternommen und einen größeren Teil der Städte und Monumente selbst gesehen hat, die er in seinem Werk beschreibt. Allerdings sind in vielen Fällen die Unstimmigkeiten recht groß, weswegen Zweifel an seiner Zuverlässigkeit vor allem dann angebracht sind, wenn er über Vorgänge berichtet, die weit vor seiner Zeit liegen oder bei denen er sich einzig auf Augen- und Ohrenzeugen beruft.
Gleichwohl liegt dem Werk das ernsthafte Bemühen zu Grunde, die das antike Griechenland betreffenden historischen Ereignisse nach bestem Wissen für seine Zeitgenossen – und wahrscheinlich auch für die Nachwelt – festzuhalten. Dabei fällt auf, dass Herodot die Gründungsmythen der einzelnen griechischen Stämme oder auch die legendären Ereignisse, von denen etwa Homer in seinen beiden Hauptwerken berichtet, sehr wohl kannte. Allerdings geht er rasch darüber hinweg, um sich dann auf diejenigen Vorgänge zu beschränken, die er entweder noch selbst erlebt hat oder die nur so weit in der Vergangenheit zurücklagen, dass er dafür noch auf Quellen oder Gewährsleute zurückgreifen konnte, die er für verlässlich hielt. Allerdings bildet er in den Fällen, in denen er auf widersprüchliche Aussagen stieß, keine historische Synthese, sondern lässt die unterschiedlichen Darstellungen nebeneinander stehen, um es damit zu einer Aufgabe seines Publikums zu machen, welcher Ansicht man nun folgen will oder nicht. Die spätere Kritik sollte ihm aber gerade dies zum Vorwurf machen.
Für seine Darstellung legte Herodot seinen Historiai ein ganz bestimmtes gestalterisches Prinzip zu Grunde. Sein Bericht läuft nämlich auf die als unvermeidlich angesehene Konfrontation zwischen Griechen und Persern hinaus. Dafür laufen die Erzählstränge für die historische Entwicklung jeder Gruppe zunächst nebeneinander her, bis sie schließlich in der Schilderung der militärischen Auseinandersetzungen zusammenfallen.
Dabei beschränkt sich die Einleitung inhaltlich auf einen längeren Satz, in dem Herodot zum Ausdruck bringt, er wolle durch seine Arbeit sowohl menschliches Tun, als auch dasjenige vor dem Vergessen bewahren, was der menschliche Geist bei Griechen und Barbaren hervorgebracht habe. Daran schließt sich sogleich die Kriegsgeschichte an, denn die anhaltenden Spannungen zwischen Persern und Griechen waren das, was die erlebte Gegenwart des Autors am nachhaltigsten beeinflusste. Buch I ist den Lydern und deren König Kroisos (ca. 595 – ca. 546 v. Chr.) gewidmet, durch dessen politische Anmaßung es nach Herodot überhaupt erst zu jenem großen Konflikt kommen konnte, der die östliche Mittelmeerwelt gut 1000 Jahre lang bis zu den Siegen des byzantinischen Kaisers Herakleios (610-641) gegen die Perser unter ihrem Großkönig Chosraw II. in den Jahren 627 bis 630 begleiten sollte. Buch II schildert die Geschichte Ägyptens, um zu Buch III überzuleiten, das die Eroberung dieser Region durch den Perser Kambyses (gest. 522 v. Chr.) beinhaltet. Die Bücher IV bis VI beschreiben die Feldzüge des persischen Königs Dareios (549-586 v. Chr.) und beschäftigen sich insbesondere mit dem Ionischen Aufstand (500/499-494 v. Chr.) der griechischen Stadtstaaten Kleinasiens gegen die persische Oberhoheit. Am Schluss dieser Einheit steht der Bericht über die Schlacht bei Marathon (490 v. Chr.), in der Dareios das zahlenmäßig weit unterlegene Heer des Atheners Miltiádes nach heftigen Kämpfen bezwang. Die Bücher VII bis IX beschäftigen sich mit den Feldzügen des Xerxes (485-465 v. Chr.), den die Griechen schließlich in den Schlachten von Salamis (480 v. Chr.) und Plataíai (479 v. Chr.) an der Grenze zu Attika besiegten. Ihre politische Dominanz in Kleinasien büßten die Perser noch im selben Jahr ein, als es dort den Griechen bei Mykale gelang, die Flotte ihrer Gegner zu vernichten. Nach diesen Ereignissen nahm das politische und kulturelle Leben in Griechenland einen ganz entscheidenden Aufschwung: Es begann nun das sog. Goldene Zeitalter des Perikles (ca. 480-431 v. Chr.), das dem neu erstarkten Griechentum mit seinem Zentrum in Athen wichtige politische Reformen brachte und ein Geschichtswerk wie das des Herodot, das Zeugnis von einer gemeinsamen Anstrengung aller Griechen gegen einen scheinbar überlegenen, auswärtigen Gegner ablegt. Diese lange, schöpferische Friedensphase sollte bis zum Peloponnesischen Krieg der Jahre 431-404 v. Chr. andauern.
Die Einteilung in neun Bücher oder Hauptabschnitte, wie wir sie heute kennen, ist übrigens sekundär und hängt mit der Überlieferung des Textes zusammen. Wie viele der antiken Schriften gelangte auch das Werk Herodots in die große Bibliothek der Ptolemäer im ägyptischen Alexandria. Da die frühen Beschreibstoffe im Gegensatz zum Pergament, das sich erst im Lauf der Spätantike durchsetzte, von nur geringerer Haltbarkeit waren, mussten die auf Papyrus aufgezeichneten Werke von Zeit zu Zeit abgeschrieben werden. Für eine Papyrusrolle gab es bestimmte Standardmaße, wodurch auch die Textmenge beschränkt wurde, die man auf einer solchen Rolle unterbringen konnte. Denn zu dicke Rollen neigten zum Bruch des geklebten und gestampften Materials. Für umfangreichere Werke ergab sich somit eine Einteilung in einzelne Rollen bzw. Bücher von selbst. Dieser Vorgang gilt in gleicher Weise für viele andere der antiken Schriften, die wir heute noch kennen,