Menschen, die Geschichte machten. Группа авторов

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Menschen, die Geschichte machten - Группа авторов marixwissen

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Victor 1982: From Ritual to Theatre. The Human Seriousness of Play, New York 1982; dt. Vom Ritual zum Theater, Frankfurt a. M., New York 1989.

      Warburg, Aby M. 1932: Gesammelte Schriften, hg.v. Gertrud Bing u. Fritz Rougemont, Berlin.

      Warburg, Aby M. 1992: Ausgewählte Schriften und Würdigungen, hg.v. Dieter Wuttke, Baden-Baden, 3. Auflage.

      Warburg, Aby M. 1998: Gesammelte Schriften. Studienausgabe, hg.v. Horst Bredekamp, Michael Diers, Kurt W. Förster, Nicholas Mann, Salvatore Settis & Martin Warnke, Berlin, seit 1998.

      White, Hayden 1973: Metahistory. The Historical Imagination in Nineteenth-Century Europe, Baltimore London; dt. Metahistory. Die historische Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa, Frankfurt a. M. 1991.

      GILGAMESCH, KÖNIG VON URUK

       „Der, der alles sah“ von Stefan M. Maul

      Nur wenige Jahre, nachdem die assyrisch-babylonische Keilschrift, das älteste Schriftsystem der Menschheitsgeschichte, entziffert und die untergegangene semitische Sprache des Alten Mesopotamien soweit erforscht war, dass man babylonische Keilschrifttexte weitgehend verstand, erregten die Ergebnisse altorientalischer Forschungen in einer breiten Öffentlichkeit großes Aufsehen. Im Dezember 1872 stellte der britische Assyriologe George Smith auf einer Sitzung der Londoner Society of Biblical Archaeology das Bruchstück einer Tontafel vor, das man in der assyrischen Hauptstadt Ninive im Schutt des Palastes des Assyrerkönigs Assurbanipal (668-627 v. Chr.) gefunden hatte. Das Tafelfragment, geschrieben im 7. vorchristlichen Jahrhundert, gehörte zu einer Dichtung, die in formvollendeter poetischer Sprache – in dem dem Hebräischen recht nahe verwandten Babylonischen – die Geschichte von der Sintflut und dem „Überaus-Weisen“ erzählte. Dieser hieß in der neu entdeckten keilschriftlichen Fassung der Erzählung zwar nicht Noah, sondern Uta-napischti, aber wie Noah war Uta-napischti mit seiner Familie als Einziger der alles vernichtenden Flut mit Hilfe einer nach genauen Vorgaben angefertigten Arche entkommen, in der, auf göttlichen Rat, auch die Tiere das urzeitliche Weltengericht überlebt hatten.

      Gilgamesch tötet den Chumbaba; Umzeichnung einer Gravur auf einem babylonischen bronzenen Gefäß aus dem frühen 1. Jahrhundert v. Chr.

      Die bis in Einzelheiten gehenden Parallelen zwischen dem neu entdeckten „heidnischen“ Sintflut-Mythos und der wohlbekannten Noah-Erzählung im ersten Buch der hebräischen Bibel ließen keinen Zweifel daran, dass die Verflechtungen des biblischen mit dem uralten mesopotamischen Gedankengut weitaus enger waren, als man es je zuvor angenommen hatte. Sofort erwachte ein starkes Interesse an dem altorientalischen Mythos, der die Einzigartigkeit und für nicht wenige damit auch die normative Autorität der deutlich jüngeren biblischen Überlieferung in Frage zu stellen schien.

      EIN NEUENTDECKTES EPOS

      George Smith hatte sehr bald erkannt, dass die keilschriftliche Sintfluterzählung ihrerseits in ein großes Epos eingefügt war, das von den Abenteuern und Heldentaten Gilgameschs, des sagenhaften Königs von Uruk, sang. Leidenschaftlich suchten er und andere Forscher nun unter den in London aufbewahrten Tontafeln aus Ninive nach weiteren Tafelfragmenten, die zu diesem umfangreichen Werk gehört haben könnten. Dies war kein leichtes Unterfangen. Denn die Eroberer Ninives hatten, bevor sie den Palast in Brand gesteckt hatten, auch in den königlichen Bibliotheken übel gehaust und die Abertausende von Bruchstücken der mutwillig zerschlagenen Tafeln in einem Umkreis von mehreren hundert Metern über Räume, Säle und Höfe des Palastes verstreut und nur das, was zweieinhalb Jahrtausende später unter meterhohem Schutt noch aufzufinden war, war ins Britische Museum gelangt. Nach langer und geduldiger Arbeit (es müssen immer wieder kleine Tafelscherben als zusammengehörig erkannt und physisch „gejoint“ werden) zeigte sich, dass die große Dichtung um König Gilgamesch stets auf Tontafeln niedergeschrieben worden war, die drei Kolumnen auf der Vorderseite und drei Kolumnen auf der Rückseite aufwiesen, wobei eine jede aus etwa 50 Versen bestand. Die Tafeln des Werkes waren durchnummeriert und schließlich fand sich eine, es war die zwölfte Tafel, auf der vermerkt worden war, dass es sich bei dieser um die letzte Tafel des Werkes handele. Zwölf Tafeln von insgesamt etwa 3600 Versen galt es also aus den vielen kleinen Fragmenten zusammenzuflicken. Diese philologisch physische und ganz grundlegende „Arbeit am Mythos“ ist auch heute, 130 Jahre, nachdem das erste Stück des Textes bekannt wurde, immer noch nicht abgeschlossen. Obgleich in der neuesten, hervorragenden wissenschaftlichen Edition von Andrew R. George weit mehr als hundert Textzeugen zusammengetragen wurden, die keineswegs nur aus der Assurbanipal-Bibliothek in Ninive, sondern auch aus anderen Städten des Zweistromlandes stammen – aus Assur, Kalchu und Chuzirina, aus Babylon und Uruk – fehlt immer noch mehr als ein Drittel des Gesamttextes. Trotz größter Fortschritte der vergangenen Jahre bleibt daher immer noch viel Unklares und wohl auch manches Missverstandene.

      Die Geschichte des jungen, unerschrockenen Fürsten, der in großen Abenteuern seine Kräfte mit der ganzen Welt messen will und trotz aller Mühsal doch nur auf die ewig gültige Erkenntnis zurückgeworfen wird, dass das menschliche Leben endlich ist, fasziniert gleichwohl. Denn sie handelt von den ganz grundlegenden und wohl durch alle Zeiten unveränderlichen Wünschen, Hoffnungen und Ängsten des Menschen. Schon im frühen 20. Jahrhundert, als eine erste umfassendere Übersetzung des damals Bekannten erschien, hatte „Der Gilgamesch“ sich einen sicheren Platz in der Weltliteratur erobert. Rilkes Begeisterung für das – wie er es nannte – „Epos der Todesfurcht“ ist berühmt geworden. Das 20. Jahrhundert hat in der Folge eine kaum noch zu überblickende Zahl von Theaterstücken und Romanen, ja sogar zwei Opern hervorgebracht, die ihren Stoff aus dem altorientalischen Zwölf-Tafel-Epos schöpfen, das derzeit immerhin in 16 moderne Sprachen der Welt übersetzt wurde. Hier und heute beschäftigt uns freilich die durchaus interessante moderne Rezeptionsgeschichte weit weniger als die des Altertums.

      In der globalen hellenisierten antiken Welt hatten die Geschichten um König Gilgamesch offenbar einen solchen Nachklang, dass Aelius noch im frühen 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung, zu einer Zeit, als die Keilschrift schon seit mehreren Generationen in Vergessenheit geraten war, in seiner Sammlung von Exzerpten und Anekdoten von einem König Gilgamos zu berichten weiß. Noch im hellenistischen Babylon Alexanders und seiner Nachfolger hatten, wie schon Jahrhunderte zuvor im Babylon des Nebukadnezar (6.Jh. v. Chr.), die Schulanfänger in ihren ersten keilschriftlichen Schreibübungen, die sie stolz dem Nabu, dem Gott der Weisheit, an einem eigens dafür vorgesehenen Feiertage weihten, Exzerpte von Texten auf Tontafeln niedergeschrieben, die sie studiert hatten: neben Zeichenlisten, orthographischen Übungen und auswendig niedergeschriebenen Passagen aus Wörterbüchern, neben Modellverträgen, Götterhymnen, Gebeten und Zauberformeln finden sich in diesen Dokumenten auch Zitate aus dem Werk, das den babylonischen Schülern unter dem Namen Sa nagba Tmuru, „Der, der alles sah“, geläufig war. Dieses zwölf Tafeln umfassende Gilgamesch-Epos, so hatten sie es gelernt, hatte der gelehrte Sin-leqe-unnini verfasst, den man in der späten Überlieferung für den ersten Weisen nach der Sintflut, für den klugen Berater des Gilgamesch selbst, also gewissermaßen als seinen Chronisten, betrachtete. Sin-leqe-unnini, der gleich mehreren Gelehrtendynastien aus Uruk, der Heimatstadt des Gilgamesch, als Stammvater galt, dürfte dennoch eher – wie es der Sprachstand seines Zwölf-Tafel- Epos nahe legt – im letzten Drittel des zweiten vorchristlichen Jahrtausends gelebt haben.

      Der jungen Keilschriftforschung blieb freilich nicht allzu viel Zeit, über diese Frage nachzusinnen. Die auch hier stets drängende Frage nach dem unverfälschten Ursprung, nach dem Anfänglichen und der vermeintlichen Urgestalt, die die Theologen treibt, das biblische Werk in Überlieferungsschichten zu zerlegen, deren Nahtstellen man (mit einem für den Assyriologen befremdlich-erschreckenden Optimismus) in flüchtig gekitteten Textfugen zu erkennen glaubt, diese Frage beantwortete

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