Liä Dsi. Laotse
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Guan Yin sprach: »Es ist das die Bewahrung der reinen Kraft, nicht Weisheit, Gewandtheit, Entschlossenheit oder Wagemut. Setz’ dich: ich will mit dir darüber reden. Alles was Gestalt, Klang und Farbe hat, ist ein Ding. Ein Ding ist von dem andern nicht räumlich entfernt, ein Ding ist dem andern nicht zeitlich voran: das alles ist nur Erscheinung. Die Dinge entstehen jenseits der Form und enden jenseits des Wandelbaren. Wer das erreichen und ergründen könnte – der könnte wohl Vollkommenheit erlangen. Der würde weilen im Maß ohne Lüste und würde sich bergen in spurloser Zeit. Er wandelt umher, da wo alle Dinge beginnen und enden. Er macht seine Natur einheitlich, er nährt seine Kraft, er hält sein WESEN zusammen, um durchzudringen zur Entstehung der Dinge. Wer also ist, dessen Geist wahrt völlige Geschlossenheit, dessen Seele ist ohne Mangel, wo könnten da die Dinge in ihn eindringen?
Nimm einen Betrunkenen, der vom Wagen fällt. Fällt er auch heftig, er stirbt nicht daran. Seine Knochen sind wie die der andern Leute, aber er bleibt von deren Beschädigung verschont. Das macht: seine Seele ist in sich abgeschlossen. Er merkt weder, wie er fährt noch wie er fällt. Leben und Tod, Schrecken und Furcht dringen nicht in seine Brust, darum braucht er die Dinge, die er begegnet, nicht zu fürchten. Wenn nun dieser Mensch im Wein eine solche völlige Abgeschlossenheit erlangt! Der Berufene ist geborgen im Geist, darum können ihm die Außendinge nicht schaden.«
5. BOGENSCHIESSEN
Liä Yü Kou zeigte sich vor Be Hun Wu Jen im Bogenschießen. Er spannte den Bogen zu voller Weite; dann stellte er einen Becher Wasser auf seinen Vorderarm und schoß ab. Ein Pfeil folgte dem andern, während er die ganze Zeit über stand wie eine Bildsäule. Be Hun Wu Jen sprach: »Du bist ein Schütze, aber noch kein Überschütze! Wenn ich mit dir auf einen hohen Berg steige, auf steile Felsen trete am Rand eines hundert Klafter tiefen Abgrunds: kannst du da immer noch schießen?«
Mit diesen Worten führte ihn Wu Jen auf einen hohen Berg, trat auf einen steilen Felsen am Rand eines hundert Klafter tiefen Abgrunds, wandte sich und ging rückwärts, bis seine Fußsohlen zu zwei Dritteln in die Luft ragten. Da winkte er dem Yü Kou vorzutreten. Der aber duckte sich zur Erde, und der Schweiß rann ihm bis zu den Fersen herunter.
Da sprach Be Hun Wu Jen: »Ein Adept kann hinaufblicken zum blauen Himmel oder mit seinem Auge hinunterdringen bis zu den Flüssen der Unterwelt oder hinausschweifen in alle Fernen, ohne daß seine Geisteskraft beeinflußt wird. Du aber hast Angst und wagst nicht um dich zu blicken, du sitzest mitten auf dem Land und fühlst dich doch nicht sicher.«
6. SANCTA SIMPLICITAS
Dsï Hua, der Sohn Fan’s, verstand es, sich einen guten Namen zu machen, und das ganze Reich hielt ihn hoch. Er stand in Gunst beim Fürsten von Dsin. Ohne im Amt zu sein, stand er an Rang den höchsten Räten gleich. Wer seinem Auge wohlgefiel, der ward im Staate Dsin befördert: gegen wen er ein übles Wort fallen ließ, der war im Staate Dsin unten durch. Verkehr in seinem Schloß galt gleichviel wie eine Audienz bei Hofe. Er ließ von seinen Schranzen Kluge und Dumme miteinander streiten, Starke und Schwache miteinander kämpfen. Um die Wunden und Brüche, die es dabei absetzte, kümmerte er sich nicht. Tag und Nacht war das sein Spaß, so daß es im Reich beinah zum festen Brauche ward.
Der Scholar Ho und der Gelehrte Be, zwei vornehme Hausfreunde des Fan, machten einst eine Reise. Sie kamen durch eine abgelegene Gegend und übernachteten in der Hütte eines alten Bauern namens Schang Kiu Kai. In der Nacht unterhielten sie sich über die große Macht ihres Freundes, der Lebende tot und Tote lebend, Reiche arm und Arme reich machen könne. Der alte Bauer hatte sich, von Hunger und Kälte geplagt, unter das Fenster geschlichen und hörte ihr Gespräch. Darum borgte er sich Brot und Lebensmittel, tat sie in einen Korb und lief damit, bis er vor das Tor des Dsï Hua kam.
Die Genossen des Dsï Hua waren alles vornehme Leute, die an seidene Kleider und prächtige Wagen gewöhnt waren. Sie schlenderten gemächlich umher mit hochmütigen Mienen. Als sie den Schang Kiu Kai erblickten, alt an Jahren und schwach von Kraft, mit sonnenverbranntem Gesicht und altmodischer Kleidung, da trieben sie alle ihren Spott mit ihm, foppten und verhöhnten ihn und stießen und pufften ihn umher auf jegliche Weise. Aber Schang Kiu Kai blieb immer ehrerbietig.
Als nun die Hausfreunde am Ende ihres Witzes und des Spieles müde waren, da gingen sie mit Schang Kiu Kai auf eine hohe Terrasse. Und es erhob sich ein Gemurmel unter ihnen: »Wer da hinunterspringen kann, der soll hundert Goldstücke zum Lohn bekommen.« Und alle waren damit einverstanden. Schang Kiu Kai hielt es für ernst und stürzte sich eilends hinunter. Er schwebte gleich einem fliegenden Vogel zur Erde, ohne sich zu verletzen. Die Genossen des Fan hielten das für Zufall und wunderten sich weiter nicht darüber. Darum deuteten sie abermals auf einen tiefen Wirbel an der Krümmung des Flusses und sprachen: »Da sind kostbare Perlen darin; wer hinuntertaucht, kann sie sich holen.« Schang Kiu Kai folgte ihnen wieder und tauchte. Als er wieder hervorkam, hatte er wirklich Perlen gefunden. Da fingen alle an, sich zu verwundern.
Der Hausherr ließ nun Fleisch und Speisen auftragen. Dann ließ er seidene und brokatene Gewänder rings von einem großen Feuer umgeben und sprach: »Wenn du durchs Feuer gehen und diese Stoffe holen kannst: soviel du bekommst, soll dir gehören.« Schang Kiu Kai ging hin, ohne des Feuers zu achten. Er ging und kam zurück, ohne sich im mindesten zu brennen. Da meinten die Genossen, er sei im Besitze geheimen SINNS, und entschuldigten sich alle bei ihm und sprachen: »Wir wußten nicht, daß du, o Meister, geheimen SINN besitzest, und haben dich verhöhnt; wir wußten nicht, daß du, o Meister, ein Gottmensch bist, und haben dich beleidigt. Meister, als Toren stehen wir nun vor dir da. Meister, als Taube stehen wir nun vor dir da. Meister, als Blinde stehen wir nun vor dir da. Dürfen wir wagen, dich, o Meister, um dein Geheimnis zu bitten?«
Schang Kiu Kai sprach: »Ich habe kein Geheimnis. Aber wenn auch mein Herz die Gründe nicht kennt, immerhin: es gibt Einen Punkt dabei, den will ich versuchen, den Herren zu sagen. Als neulich zwei Herren als Gäste in meiner Hütte nächtigten, da hörte ich sie die Macht des Herrn Fan rühmen, der Lebende zum Tode und Tote zum Leben bringen, der Reiche arm und Arme reich machen könne. Das nahm ich ernst mit einfältigem Herzen, darum scheute ich nicht den weiten Weg und kam hierher. Als ich hierher gekommen war, da hielt ich die Worte der Herren alle für wirklich und fürchtete nur, sie nicht ernst genug zu nehmen, sie nicht ausführen zu können. Darüber vergaß ich, auf die Sicherheit meines Lebens, auf Nutzen und Schaden zu achten. Mein Herz war einfältig, darum haben mir die Außendinge so wenig entgegen sein können. Das ist die ganze Sache.
Nun erst wird mir klar, daß die Herren mich zum besten hatten. Ich hege innerlich Zweifel und Furcht, und das, was ich sehe und höre, dringt auf mich ein. Wenn ich daran denke, daß ich vorhin glücklich dem Verbrennen und Ertrinken entgangen, so wird mirs hinterher heiß vor Angst, und ich zittere vor Aufregung. Wie sollte ich jemals mich wieder ins Wasser oder Feuer wagen?«
Wenn seither die Genossen des Herrn Fan auf der Straße etwa einem Bettler oder Pferdedoktor begegneten, so wagten sie nicht mehr, ihn zu beleidigen, sondern stiegen stets vom Wagen und verneigten sich vor ihm.
Dsai Wo hörte die Geschichte und erzählte sie Dschung Ni (Konfuzius). Der sprach: »Weißt du nicht, daß ein Mensch, der Glauben hat, alle Dinge bemeistern, Himmel und Erde bewegen, Geister und Götter rühren, ja die Enden der Welt durchkreuzen kann, ohne daß ihm etwas widersteht? Demgegenüber ist es eine Kleinigkeit, von hohen Abgründen sich zu stürzen oder durch Feuer und Wasser zu gehen. Schang Kiu Kai glaubte Lügnern, und die Dinge konnten ihm nicht widerstehen. Wie muß es erst sein, wenn beide in der Wahrheit stehen! Meine Kinder, merkt es euch!«