Liä Dsi. Laotse

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Liä Dsi - Laotse Fernöstliche Klassiker

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wirkt das Nichtsein, so entsteht nicht Nichtsein, sondern Sein.« Die Form ist etwas, das notwendig endet; Himmel und Erde werden vergehen, zusammen mit uns vergehen. Ob es dann ganz zu Ende ist? Wir wissen es nicht. Wie sollte der Sinn des Weltgeschehens enden, da er doch seinem Wesen nach ohne Anfang ist? Wie sollte er an eine äußerste Grenze kommen, da er doch seinem Wesen nach jenseits des zeitlichen Daseins ist? Was Leben hat, kehrt wieder zum Nichtleben; was Form hat, kehrt wieder zum Formlosen. Dieses Nichtlebende ist aber nicht seinem Wesen nach jenseits des Lebens; dieses Formlose ist aber nicht seinem Wesen nach jenseits der Formenwelt. Alles Lebendige muß nach notwendigen Gesetzen endigen. Es ist etwas, das endigt und nicht anders kann als endigen, ebenso wie das Erzeugte nicht anders kann als leben.

      Wer sein Leben bewahren möchte und sein Ende verhindern, der irrt sich in den Naturverhältnissen. Was geistig ist, ist Teil des Himmels, was leiblich ist, ist Teil der Erde. Was dem Himmel angehört, ist rein und flüchtig; was der Erde angehört, ist trübe und haftend. Wenn der Geist die Form verläßt, so kehrt beides zurück zu seinem wahren Wesen. Darum heißen sie die Heimgegangenen. »Heimgegangene« kommt von »heimgehen«, heimgehen in seine wahre Behausung.

      Der Herr der gelben Erde sprach:

      »Der Geist geht ein zu seinen Toren,

      Der Leib kehrt heim zu seiner Wurzel,

      Wie soll das Ich da dauern können?«

      Der Mensch macht von seiner Geburt bis zu seinem Ende vier große Wandlungen durch: Kindheit, Jugend, Alter, Sterben. In der Kindheit ist die Lebenskraft gesammelt, der Wille einheitlich, der innere Friede ist auf seinem Höhepunkt. Die Außenwelt schadet nicht, das Wesen ist in sich vollkommen. In der Jugend wallt die Lebenskraft des Blutes; Wünsche und Sorgen erheben sich, die Außenwelt stürmt ein, daher reibt sich das Wesen auf. Im Greisenalter werden Wunsch und Sorge schwach. Der Leib sucht Ruhe, die Welt tritt zurück. Wohl ist die Völligkeit der Kindheit nicht erreicht, doch ist ein Abstand von der Jugendzeit. Im Sterben, da geht es zur Ruhe und kehrt zu seinem Anfang zurück.

      5. DER ALTE VOM TAISCHANBERG.

      GRÜNDE DER ZUFRIEDENHEIT

      Meister Kung wanderte im Taischangebirge. Da sah er den Yung Kiki auf den Wiesen von Tscheng umhergehen im Rehpelz und mit einem Strick gegürtet. Er schlug die Laute und sang.

      Meister Kung fragte und sprach: »Was ist es, worüber Ihr fröhlich seid?« Er erwiderte: »Meiner Freuden sind viele. Unter allen Geschöpfen, die der Himmel erzeugt, ist der Mensch das edelste. Und mir ist es zuteil geworden, Mensch zu sein: das ist meine erste Freude. Der Unterschied zwischen Mann und Weib ist, daß der Mann geehrt, das Weib gering ist; darum gilt der Mann für edler. Nun ist es mir zuteil geworden, daß ich ein Mann bin: das ist meine zweite Freude. Unter den Menschen, die geboren werden, gibt es solche, die weder Sonne noch Mond erblicken, die nicht den Arm der Wärterin verlassen. Nun wandere ich schon 90 Jahre umher: das ist meine dritte Freude. Armut ist das beständige Los des Gelehrten, der Tod ist das Ende aller Menschen. Wenn man in dieser beständigen Lage verweilend das Ende erreicht: Worüber sollte man da traurig sein?«

      Meister Kung sprach: »Wohl dem, der so sich selbst befreien kann.«

      6. DER ALTE LIN LE.

      VERSCHIEDENE WERTUNG VON LEBEN UND TOD

      Lin Le (Waldmensch) war wohl hundert Jahre alt. Es war Frühlingszeit, und er war noch in Pelz gehüllt und las zurückgelassene Ähren auf den abgeernteten Feldern auf und sang im Gehen. Meister Kung, auf seiner Reise nach We, erblickte ihn auf dem Feld. Er sah nach seinen Jüngern um und sprach: »Der Alte da ist jemand, mit dem sich’s lohnt zu reden. Versuche es doch einer, hinzugehen und ihn zu fragen!« Dsï Gung bat, gehen zu dürfen.

      Er holte ihn ein auf einem Hügel, sah ihm gerade ins Gesicht und sagte seufzend: »Alter, tut Euch nichts leid, daß Ihr so singend umhergeht und Ähren leset?« Lin Le hielt nicht ein im Gehen und hörte nicht auf zu singen. Dsï Gung drang unablässig in ihn. Da wandte er sich ihm zu und antwortete: »Was sollte mir denn leid tun?« Dsï Gung sprach: »Ihr wart in der Jugend nicht strebsam; als Ihr erwachsen wart, habt Ihr nicht mit der Zeit gekämpft; jetzt seid Ihr alt und habt nicht Weib noch Kind, und die Zeit des Todes naht

      heran. Was habt Ihr da noch Grund zur Freude, daß Ihr beim Ährenlesen singt?«

      Lin Le lächelte und sprach: »Was ich für Freude achte, können alle Menschen haben, aber sie halten es für Leid. Weil ich in der Jugend nicht gestrebt und als Erwachsener nicht mit der Zeit gekämpft, darum habe ich es auf ein so hohes Alter gebracht. Weil ich im Alter nicht Weib noch Kind habe, und es kommt der Tod heran, darum kann ich so fröhlich sein.« Dsï Gung sprach: »Hohes Alter ist etwas, das nach dem Gefühl der Menschen gut ist; aber der Tod ist etwas, das die Menschen hassen: wie könnt Ihr denn den Tod für Freude achten?« Lin Le sprach: »Sterben und Leben ist ein Gehen und Zurückkehren. Darum, wer hier stirbt: wer weiß, ob er nicht dort geboren wird? Ich weiß nur, daß beides einander nicht gleich ist. Wie kann ich wissen, ob einer, der mit Müh’ und Not sein Leben sucht, nicht am Ende betrogen ist? Wie kann ich wissen, ob heute mein Tod nicht etwas Besseres ist als früher mein Leben?«

      Dsï Gung vernahm es, aber verstand nicht, was er meinte. Er ging zurück, um es dem Meister zu sagen. Der Meister sprach: »Ich wußte, daß er einer ist, mit dem sich’s lohnt zu reden, und richtig war es so. Wahrlich, er hat es erfaßt, aber nicht erschöpft.«

      7. DSÏ GUNG UND DER MEISTER.

      IM GRAB IST RUH

      Dsï Gung war des Lernens müde und sagte zu Dschung Ni (Konfuzius): »Ich möchte Ruhe finden.« Dschung Ni sprach: »Das Leben hat keine Ruhe.« Dsï Gung sprach: »Dann gibt es also keine Ruhe für mich?« Dschung Ni sprach:

      »O ja; sieh dort im Brachfeld alle die Gräber, so weißt du, wo es Ruhe gibt.« Dsï Gung sprach: »Wahrlich, groß ist der Tod; die Edlen bringt er zur Ruhe, die Gemeinen zur Unterwerfung.«

      Dschung Ni sprach: »Sï, du hast es erkannt. Die Menschen im allgemeinen wissen nur, daß das Leben eine Freude ist, aber nicht, daß es auch bitter ist. Sie wissen nur, daß das Alter hinfällig ist, aber nicht, daß es auch friedlich ist. Sie wissen nur, daß der Tod ein Übel ist, aber nicht, daß er auch Ruhe gibt.«

      8. VON DER IRDISCHEN PILGERSCHAFT

      Meister Yän sprach: »Wie schön dachten die Alten vom Tode! Die Guten bringt er zur Ruhe, die Schlechten bringt er zur Unterwerfung. Der Tod ist die Rückkehr des Wesens. Die Alten nannten die Verstorbenen Heimgegangene. Wenn man von den Verstorbenen als von Heimgegangenen redet, dann sind die Lebenden Wanderer. Wer wandert und weiß nicht wohin, ist heimatlos. Wenn ein einzelner Mensch seine Heimat verloren hat, so hält das die ganze Mitwelt für unrecht. Nun aber die ganze Welt ihre Heimat verlor, ist niemand der es unrecht fände.

      Wenn ein Mensch aus seiner Heimat wegläuft, seine Verwandten verläßt, sein Vermögen verpraßt und in alle Himmelsrichtungen wandert und nicht heimkehrt, wahrlich: was ist das für ein Mensch! Die Welt hält ihn sicher für einen Verlorenen. Da ist ein anderer Mensch, der das äußere Leben wichtig nimmt, geschickt ist sich einen Namen zu machen und großartig auftritt in der Welt und keine Grenzen kennt, wahrlich: was ist auch der für ein Mensch! Aber die Welt hält ihn sicher für einen weisen und klugen Herrn. Aber beide sind Verlorene. Doch die Welt billigt den einen und verwirft den anderen, und nur der

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