Dr. Norden Extra Box 2 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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»So steht es auch in unserer Chronik«, sagte Hannes. »Als der fürstliche Herr von der Heilkraft der Quelle erfuhr, wollte er für jeden Becher Geld, und da versiegte die Quelle. Erst unser Sohn Mario hat sie wieder entdeckt. Wir passen auf, daß sich niemand durch sie bereichert. Sie wird nur unseren Patienten verabreicht.«
»Ab und zu trinken wir aber auch mal ein Schlückchen«, sagte Anne lächelnd. »Und wenn man in einer Vollmondnacht um Mitternacht zu der Quelle geht und sich etwas wünscht, was nicht mit Geld und Gut zu tun hat, geht es in Erfüllung.«
»Dafür gibt es Beweise«, warf Hannes ein. »Und so mancher hat auf der Insel sein Lebensglück gefunden.«
»Sie hat ihren ganz besonderen Zauber«, sagte Jean Claude gedankenvoll. »Ich dachte nicht, daß es in dieser lauten Welt noch so etwas gibt.«
»Es freut uns, daß Sie sich wohl fühlen«, sagte Anne.
»Ich glaube fest daran, daß es auch Michelle guttun wird. Sie wäre jetzt doch frei, da ihr Mann nicht mehr lebt.«
Es war ihm nicht bewußt, welche Betonung er in diese Worte gelegt hatte. Anne sah wieder zu ihrem Mann hinüber.
»Darf ich mal an der Essenz schnuppern?« lenkte Hannes ab.
»Natürlich dürfen Sie. Ich habe oft geschnuppert, aber ich bin nicht dahintergekommen, und da jeder Tropfen für mich kostbar ist, wollte ich auch nicht einen Teil analysieren. Und selbst dann, wenn man die einzelnen Kräuter und Gewürze auseinanderdividieren kann, so weiß man dann doch nicht, wie viele Teile von jedem verwendet wurden. Das ist wohl das wahre Geheimnis.«
»Und wenn sie nun alles für Michelle verwenden, wird Ihre Großmutter Ihnen Nachschub geben?« fragte Hannes.
»Vielleicht, wenn ich ihr sage, daß sie einem Menschen, der mir sehr viel bedeutet, das Leben gerettet hat.«
»Man könnte noch mehr Menschen damit retten«, meinte Hannes. Jean Claude nickte.
»Aber Sie wissen sicher auch, wie eigensinnig alte Menschen sein können. Meine Großmutter hat ganz bestimmte Vorstellungen. Sie meint, daß es nicht jeder verdient, gerettet zu werden.«
»Eine Weisheit, der ich nicht widersprechen kann«, sagte Hannes, »aber wie man im Fall Dorant sieht, hat ein höherer Wille das letzte Wort, obwohl man bestimmt alles versucht hat, um sein Leben zu erhalten.« Sie wußten noch nicht, daß Carlos es durch seinen Leichtsinn selbst beendet hatte. Sie erfuhren es erst ein paar Tage später, als Dr. Norden den Bericht von Dorants behandelndem Arzt bekommen hatte.
*
Jean Claude brachte es Michelle mit aller Vorsicht bei, wußte er doch nicht genau, wie sie wohl reagieren würde. Sie sah ihn ungläubig an.
»Er ist tot, er ist wirklich tot?« murmelte sie. »Wie kam das so plötzlich?«
Jean Claude konnte ihr nur sagen, was er selbst wußte. »Ich denke, er sollte eingeäschert werden«, sagte sie. »Ich müßte mich wohl darum kümmern.«
»Das macht Ihr Bruder, Michelle. Was empfinden Sie?«
»Ich brauche mich nicht mehr mit ihm auseinanderzusetzen. Wissen Sie, was das für mich bedeutet? Es ist nur seltsam, daß er tot ist und daß ich keine Angst haben muß, daß er noch öfter meinen Weg kreuzt. Dabei wollte er mich doch überleben.«
»Wegen der Lebensversicherung. Er sagte, daß er sie abgeschlossen hätte, damit ich abgesichert bin, aber ich hatte doch sowieso genug Geld.«
»Sie hatten Gütertrennung?«
»Nein, wir waren ja nur kurz verheiratet, und unsere Heirat war wirklich sehr überstürzt. Aber er verdiente ja sehr gut. Ich habe nichts Gegenteiliges erfahren. Ich habe mich nur gewundert, daß er so schnell eine Lebensversicherung abschloß und gleich auf zwei Millionen. Aber er konnte sich schließlich nicht als Alleinbegünstigter einsetzen lassen, also wurde sie auf Gegenseitigkeit abgeschlossen. Dadurch erfuhr ich erst davon, weil ich ja mitunterschreiben mußte. Ich habe mir aber nichts weiter gedacht. Erst später ging mir so manches durch den Sinn. Wie kann man nur so töricht sein! Ich kann es nicht begreifen. Es will nicht in meinen Kopf.«
»Sie sollten einfach einen Schlußstrich ziehen, Michelle.«
Sie sah ihn forschend an. »Was denken Sie denn eigentlich über mich?«
»Daß Sie sehr liebenswert sind. Und würden Sie mir die Freude machen, nicht immer Herr Doktor zu sagen?«
»Was denn?« fragte sie, und ein Blitzen war in ihren Augen.
»Ich heiße Jean Claude, aber Claude würde zum Beispiel genügen. Es wäre schön, wenn wir Freunde werden könnten.«
»Sind wir das nicht schon? Sie haben sehr viel für mich getan.«
»Noch lange nicht genug.«
»Ich fühle mich aber schon sehr viel besser. Ich möchte aufstehen und spazierengehen.«
»Es ist noch ein bißchen zu früh. In ein paar Tagen vielleicht.«
»Bestimmt«, sagte sie mit Nachdruck.
Sie betrachtete ihn, als er ihren Blutdruck kontrollierte und ihren Puls fühlte.
»Was ist das eigentlich für ein Wundermittel, mit dem ich eingerieben werde? Ich fühle mich immer ganz leicht, als würde ich schweben.«
»Wenn es nur wirkt.« Er erzählte von seiner Großmutter, die im Elsaß in ihren Weinbergen lebte. Achtzig Jahre war sie schon.
»Hat sie Zauberkräfte?« fragte Michelle. »Manche Menschen können mit Magnetismus heilen. Wenn Sie mich berühren, ist es mir jedenfalls so, als…, ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Jedenfalls ist es ein gutes Gefühl. Ich fühle mich geborgen. Das darf ich doch sagen?«
»Es macht mich glücklich, Michelle.« Ganz weich und zärtlich klang seine Stimme, und ihre Augen wurden feucht.
»Werde ich wieder gesund, Claude, oder mache ich mir nur falsche Hoffnungen?« flüsterte sie.
»Sie werden es schaffen, ich weiß es.«
»Und Sie geben mir die Kraft dazu.«
Er drückte ihre Hand an seine Wange und dann an seine Lippen.
»Und was bedeutet Ihnen Mick?« fragte er.
»Er ist ein guter Freund, und das bleibt er auch. Und ich hoffe, daß er sein Herz für Jenna entdeckt. Sie passen so gut zueinander.«
*
Das hatte Mick auch schon festgestellt. Jenna ging zwar sehr auf ihn ein, aber sie hatte auch ihre eigenen Meinungen. Außerdem war sie sehr tüchtig und unermüdlich.
»Wir geben ein gutes Gespann ab«, sagte er bereits am dritten Tag.
»Es würde mich freuen, wenn Sie mit mir zufrieden