Sophienlust Bestseller Staffel 1 – Familienroman. Marietta Brem
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Grenzenlose Liebe und auch Reue erfüllten ihr Herz. Jetzt erst erkannte sie, was sie an ihrem Mann gehabt hatte. Wenn sie doch nur alles ungeschehen machen könnte. Sie wäre dann der glücklichste Mensch unter der Sonne.
Seufzend ließ sie sich auf der Bank nieder, die direkt an der hohen Mauer stand. Dann legte sie ihren Kopf zurück und betrachtete den schwarzen Himmel, an dem kein Stern zu sehen war.
Irgendwann fielen ihr die Augen zu.
*
Lange hatte Manfred Brecht mit sich gerungen, den ganzen Abend und auch den nächsten Tag noch. Daß die kleine Agnes mit Nachnamen ausgerechnet Müller hieß, verfolgte ihn. Aber noch mehr geisterte ein anderes Mädchen, eine junge Frau namens Sabine durch seinen Kopf und ließ keinem anderen Gedanken mehr Platz. Einerseits wollte er die beiden nie wiedersehen, weil sie ihn so aufwühlten, andererseits konnte er sich nicht vorstellen, so einfach sang- und klanglos Maibach zu verlassen, ohne nicht wenigstens noch einmal in Sophienlust gewesen zu sein.
Erst spät in der Nacht war ihm siedendheiß eingefallen, daß er Marga total vergessen hatte. Rasch war er in seinen Bademantel geschlüpft und hatte an ihre Zimmertür geklopft. Sie hatte ihm nicht geantwortet, obwohl er Licht gesehen hatte. Da war er wieder zurück in sein warmes Bett gegangen.
An diesem Morgen kam er erst spät zum Frühstück ins Speisezimmer des Gasthauses. Marga saß bereits am Tisch.
Manfred rechnete damit, daß sie ihm voller Zorn eine Szene machen würde, und er hatte sich innerlich schon so gut es ging gewappnet, aber als er sie dann so frisch und munter am Tisch sitzen sah, war ihm bereits aller Wind aus den Segeln genommen.
»Guten Morgen, Manfred«, grüßte sie ihn strahlend und deutete einladend auf den noch freien Stuhl neben sich.
Verblüfft ließ sich der Mann nieder. »Mir scheint, du hast ausgezeichnet geschlafen, Marga«, stellte er dann überflüssigerweise fest. »Ich... ich wollte mich entschuldigen wegen gestern abend.«
»Schon vergessen«, antwortete sie großzügig. »Eigentlich müßte ich dir sogar dankbar dafür sein, daß du mich einfach sitzengelassen hast.«
Nun verstand der Mann gar nichts mehr.
Manfred Brecht mußte ein derart verdattertes Gesicht gemacht haben, daß Marga auf einmal hellauf zu lachen begann. Sie sah in diesem Moment ungewöhnlich reizend aus, und Manfred verstand, warum er bis vor kurzem geglaubt hatte, sie zu lieben.
»Das mußt du mir schon näher erklären, Marga.« Manfred schüttelte den Kopf. »Das ist mir zu hoch. Am frühen Morgen kannst du von mir noch nicht solche Gedankensprünge erwarten.«
»Ach, Manfred, ich bin ja so glücklich«, flüsterte Marga und legte den Kopf zurück. »Ich könnte die ganze Welt umarmen.« Um ihre Lippen spielte ein zärtliches Lächeln.
»Darf ich den Grund deines überschäumenden Glücks erfahren?«
Die Wirtin kam und fragte ihn nach seinen Wünschen.
»Brot und Spiegelei, bitte. Und dazu einen dicken, schwarzen Kaffee ohne Milch und Zucker. Den habe ich heute dringend nötig.«
»Du Armer«, sagte Marga und legte ihre Hand tröstend auf die seine. »Hast du dir womöglich Sorgen um mich gemacht, nachdem dir meine Abwesenheit aufgefallen ist? Warum bist du eigentlich auf und davon?«
»Darüber habe ich mir selbst die ganze Nacht das Hirn zermartert, wie das geschehen konnte. Ich weiß es wirklich nicht. Ich kann dir nur sagen, daß es mir erst wieder eingefallen ist, als ich hier schon eine ganze Weile in meinem Zimmer war.«
Eine junge, schlanke Bedienung brachte Manfred das Frühstück und wünschte guten Appetit. Dann verschwand sie wieder.
Eine Weile aß Manfred, und obwohl sein Magen knurrte, schmeckte ihm das Frühstück nicht. Lustlos stocherte er an seinem Spiegelei herum.
»Was ist los, Manfred? Mir kannst du es ruhig sagen. Du bist doch gestern nicht grundlos aus Sophienlust verschwunden. Wenn wir wirklich Freunde sind, so wie du es mir angeboten hast, dann kannst du es mir doch anvertrauen. Ich komme ja auch mit jedem Kummer zu dir. Und daß du Kummer hast, das sehe ich dir doch an.«
»Mir scheint, du kennst mich besser als ich mich selbst. Ja, du hast recht. Seit gestern abend spukt mir etwas im Kopf herum, mit dem ich nicht fertig werde. Aber zuerst erzähl du, was dich so glücklich gemacht hat. Ich bin ehrlich gespannt. Das kann doch nicht nur die Begegnung mit deinem Sohn gewesen sein.«
»Doch, Manfred. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich Peter vermißt habe. Es ist schon ein wunderbares Gefühl, wenn man ein Kind hat, das einen liebt und braucht. Ich weiß, daß du mir das nicht so recht nachempfinden kannst, weil du selbst kein Kind hast. Aber glaube mir, dieses Wiedersehen gestern war der schönste Tag in meinem Leben.«
»Ich kann dich schon verstehen, auch wenn du es mir nicht glaubst. Auch ich hatte gestern ein Erlebnis, das meine Vorstellungen von der Welt und von meinem Leben völlig über den Haufen geworfen hat.« Manfred Brecht schob entschlossen den Teller mit dem Brot zur Seite. »Ich kann einfach nichts essen«, stellte er beinahe verbittert fest.
»Dann muß es schon sehr schlimm sein.« Marga lächelte ein bißchen, wurde dann aber gleich wieder ernst. »Ich habe Volker getroffen.«
»Dachte ich mir’s doch. Du bist heute so ausgeglichen und zufrieden. Ganz die glückliche Ehefrau.«
»Werde nicht sarkastisch, das steht dir nicht«, tadelte die Frau und schob ihm den Teller mit dem Brot wieder hin. »Du solltest lieber ordentlich essen. Mir scheint, du wirst deine Kräfte brauchen.«
»Sag mal, kannst du hellsehen?«
Marga Eckstein lachte hell auf, wurde aber gleich wieder ernst. »Nein, das kann ich natürlich nicht, sonst hätte ich Volker und meinen Sohn niemals verlassen. Aber um dein Seelenheil erkennen zu können, bedarf es keiner hellseherischen Fähigkeiten. Du bist verliebt«, sagte sie ihm auf den Kopf zu, und Manfred Brecht zuckte zusammen.
»Wie kommst du darauf?«
»Ich kenne die Anzeichen. Nach fast zwölf Jahren Ehe ist man in dieser Richtung ein voll ausgebildeter Profi. Ich dachte es mir gleich, als du vorhin so miesepetrig den Raum betreten hast.«
»Marga, bitte, sprich nicht so laut.« Ärgerlich biß Manfred in eine Schnitte Brot. »Es müssen doch nicht alle Leute mithören, was wir beide miteinander reden.«
»Sieh dich doch um, Manfred. Wir sind ganz allein hier. Kein Mensch kann uns hören. Mir scheint, du bist völlig verwirrt.«
Manfred Brecht schaute sich um und mußte feststellen, daß Marga recht hatte. Niemand befand sich mehr im Speisesaal.
»Ich glaube, ich habe eine Tochter«, bekannte er unvermittelt.
»Du spinnst«, antwortete Marga ziemlich respektlos auf seine Eröffnung.
»Ich dachte mir, daß du das sagst. Das habe ich zuerst auch geglaubt. Aber dann habe ich es mir genau überlegt und bin zu dem Schluß gekommen, daß meine Vermutung gar nicht so abwegig ist. In dem Kinderheim, wo dein Sohn lebt, ist auch ein kleines Mädchen namens