Slumlords. Alexander Broicher
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Читать онлайн книгу Slumlords - Alexander Broicher страница 11
»Geht’s dir noch gut, du Penner?«, fragte ich ihn mit geballter Faust, um ihn notfalls sofort umhauen zu können.
Ein entsetztes Gesicht starrte mich an. Ich holte mein Handy hervor, schaltete die Taschenlampen-Funktion ein und leuchtete der Person ins Gesicht. Sie hielt ihre schmutzigen Handflächen schützend hoch. Ich riss ihr die Kapuze runter, als wäre ich Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes.
»Ich wollte das nicht!«, antwortete eine atemlose und verängstigte Mädchenstimme mit osteuropäischem Akzent.
Es war tatsächlich ein Girl! Sie hatte langes Haar. War vielleicht 25. Und sauhübsch. Ich machte die Funzel wieder aus.
»Was soll der Scheiß?«, wollte ich wissen.
»Bitte keine Polizei«, flehte sie mich an.
»Was bist du? So eine von diesen Occupy-Aktivisten?«
»Ich gehöre keiner Organisation an«, raunzte sie zurück, als wäre ich vom KGB und sie eine tapfere Widerstandskämpferin.
»Du kommst aus Tschechien oder Polen und bist aber gegen die Globalisierung, oder wie?«
»Ich bin aus Russland«, antwortete sie stolz, als hätte ich sie mit meiner Vermutung beleidigt.
Den Sachschaden, den sie angerichtet hatte, das waren locker ein paar tausend Euro. Sie sah nicht aus, als hätte sie die in bar dabei. Ich guckte mich um, ob Nachbarn durch den Krawall aufmerksam geworden waren, aber irgendwie hatte es niemand mitbekommen. »Steh auf«, forderte ich sie auf. »Wir müssen weg hier.«
Das kräftige Fräulein richtete sich auf. Sie war fast einsachtzig. Modelmaße. Sie blickte mich erwartungsvoll an. Aus großen braunen Augen hinter perfekten Wangenknochen. Ich war so fasziniert von ihrem Aussehen, dass ich nicht mal die Polizei geholt hätte, wenn sie meinen Geländewagen vor meinen Augen abgefackelt hätte.
»Wie heißt du?«, fühlte ich sachlich vor.
Sie zögerte erst. »Ludmilla«, sagte die schönste Frau der Stadt. Dann fing sie ganz langsam an zu lächeln. Weil sie wusste, dass sie gewonnen hatte. Ich war verschossen und würde sie weder anzeigen, noch dazu nötigen meinen Schwanz zu lutschen.
»Ich lad dich auf einen Drink ein«, bot sie mir an.
Bis wir eine Kneipe fanden, hatte sie mir eine Story erzählt, die ihren Wutausbruch entschuldigen sollte: Ludmilla war bei einer wohlhabenden Russin in einem Botox-Salon als Empfangsdame angestellt, aber gekündigt worden, weil sie angeblich in die Kasse gegriffen haben soll. Das sei Unsinn, aber die reiche Schlampe wäre neidisch auf ihre Jugend gewesen und wollte sie deshalb demütigen. Darum hatte sie ihre Aggressionen an kostspieligen Autos auslassen müssen. Der Zusammenhang erschloss sich mir zwar nicht komplett, aber in meinem frisch verliebten Zustand hätte sie mir auch erzählen können, dass es die späte Rache dafür war, dass ihr Großvater in Stalingrad von Deutschen abgeknallt wurde. Eine Art Wiedergutmachung für die Verwüstung, welche die Wehrmacht damals angerichtet hatte.
»Wie alt bist du?«, erkundigte ich mich am Tresen.
»24«, sprach sie es wieder mit diesem holprigen Akzent aus. Es klang sexy bei ihr.
»Willst du einen Wodka?«, fragte ich.
»Nein! Ich hasse Wodka! Lieber ein Bier vom Fass«, überraschte sie mich.
»Eine Russin, die keinen Wodka mag?«, musterte ich sie erstaunt.
»Ich finde das Zeug zum Kotzen!« Sie verzog das Gesicht.
Ich sah den schnauzbärtigen Kellner an. »Ein Gezapftes und einen Cuba Libre«, bestellte ich absichtlich einen Drink für mich, in dem kein Wodka drin war.
»Und womit verdienst du dein Geld?«
Ludmilla gab mir zumindest das Gefühl, dass sie sich auch für mich interessierte.
»Ich bin an einer kleinen Bar beteiligt«, hielt ich mich bedeckt.
»Oh! Braucht ihr noch eine Aushilfe?«
»Derzeit nicht, aber in der Branche herrscht ja eine gewisse Fluktuation«, machte ich ihr ein wenig Hoffnung. Aber ich würde einen Teufel tun und meine Neuentdeckung gleich auf eine Bühne stellen, auf der sie gut betuchten Geschäftsleuten ausgeliefert war. Der Kneipier stellte uns die Getränke hin und Ludmilla reichte ihm dafür ein paar Münzen. Sie stieß mit mir an und sah mir tief in die Augen.
»Könnte ich heute bei dir pennen?«, fragte sie.
»Du kannst sofort bei mir einziehen«, antwortete ich.
Wir lächelten uns an. Erst danach versuchte ich zu sortieren, was mit dieser ergreifend reizenden Russin los sein könnte? War sie die schönste Obdachlose der Welt? Hatte ein reicher Gönner sie vor die Tür seiner Villa gesetzt? War sie wegen Mietschulden aus ihrer Bude geflogen? »Ich habe gerade eine Art Trennung hinter mir«, erklärte mir Ludmilla unaufgefordert, als ob sie meine Gedanken lesen konnte.
»Wie jetzt? Bist du solo oder nicht?«
Ludmilla nahm lieber einen Schluck Bier, bevor sie präziser wurde. »Diese Chefin von der Botox-Praxis, sie ist lesbisch. Sie ist total in mich verliebt und hat mich bei sich wohnen lassen. Aber ich will nichts von ihr.«
Ich nickte mitfühlend. »Du hast also keinen Job und hockst auf der Straße«, fasste ich ihre derzeitigen Lebensumstände zusammen. Sie bestätigte es mit einer Geste und trank ihr Glas aus.
Ludmilla starrte die teuren Karossen an, die vor meinem Haus geparkt waren, als würde sie bereits eine Rangliste festlegen, nach der sie die Autos demolieren wollte. Vielleicht ja in alphabetischer Reihenfolge? Doch dann hatte sie wieder Augen für mich.
»Welcher ist deiner?«
»Der schwarze Panzer da vorne«, deutete ich zu meinem SUV. »Es wäre nett, wenn du ihn nicht in die Luft sprengen würdest.«
Ludmilla staunte über meine Bude. Aber genau für diesen Effekt hatte ich sie seinerzeit ausgesucht. Dass heiße Bräute beeindruckt waren. Ein bisschen Frankfurter Wichser steckte eben doch in mir. Dann sah sie mein geräumiges Sofa im Wohnzimmer. Hier konnte sie ihren ganzen Traumkörper ausstrecken und schlafen.
»Ich dusche meistens vorm Schlafengehen«, erklärte sie mir.
»Fühl dich wie Zuhause«, bot ich ihr an und zeigte auf die Badtür.
Ich kriegte eine spontane Umarmung, die mich ihre festen Brüste spüren ließ. Als spontane Belohnung oder Versprechen auf eine sexuell ausschweifende Zukunft. Das Biest wusste, wie sie einen Mann bei der Stange hielt. Ich brachte ihr ein Kissen und eine Decke. »Gute Nacht«, wünschte ich ihr und ging ins Bett. Dort kuschelte ich mich eng an mein Handy und mein Portemonnaie. Nur zur Sicherheit.