Slumlords. Alexander Broicher
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Er war angefressen und seine Luxus-Blondine bezog es wohl auf mich. Eine Oberschichten-Lady wie Luisa Strahlenberg hatte von Natur aus nur herablassende Blicke für jemanden wie mich übrig. Ich stammte aus einfachen Verhältnissen, und das sah sie mir an.
Angefangen hatte meine Karriere vor sieben Jahren auf den Klos einer Absturzkneipe. Hakan bot mir den Job an, weil ich arbeitslos war. Ich verbrachte jede Nacht stundenlang in einem Gestank aus Urin und Sanitärreiniger und stand vor den zwei engen Kabinen der Herrentoilette, die damals meine Geschäftsräume waren. Dort vertickte ich für 40 Euro übel gestrecktes Zeugs, das säuerlich schmeckte, wenn man es aufs Zahnfleisch rieb. Offiziell war es Kokain, konnte aber auch als Desinfektionsmittel oder zum Holz konservieren geeignet sein. So genau wollte ich es nicht wissen, aber sicherheitshalber ließ ich beim Eigenbedarf die Finger davon. Trotz der beschissenen Qualität gab es genügend Drop-Outs, die sich den Schrott permanent reinzogen: Leute vom Bau, Angestellte aus dem Einzelhandel, Autoschlosser, Versicherungsvertreter, Touristen, Kellner, Nutten und sogar zwei Arzthelfer kamen zu mir. Anfangs führte ich noch eine ganze Menge Gespräche mit der Kundschaft, interessierte mich für sie, woher sie kamen und was sie so machten, aber das gewöhnte ich mir bald ab. Weil ich nach einer Weile begriff, dass ich hier nicht als Sozialarbeiter tätig war, sondern als Unternehmer. Ich musste auch nicht von jedem den Nerv beim Job oder die Eheprobleme kennen. Seitdem reduzierte ich die Kommunikation mit dem gestressten Endverbraucher aufs Wesentliche: Die Bestellung und die Bezahlung. Es war bis heute mein Geschäftsprinzip.
Das Mainufer wirkte im Sonnenschein fast mediterran. Viele Leute flanierten gelassen am Wasser entlang, einzig mein alter Kumpel Hakan hatte etwas von der fiebrigen Nervosität einer Bankenstadt. Nur dass er nicht wie ein erfolgreicher Mann aussah, sondern wie ein Junkie. Er stand in einer abgerissenen grünen Army-Jacke rum, trug speckige Jeans, fettige schwarze Haare und schwitzte. Seine Haut war bleich und er war abgemagert. Hakan sah aus wie eine Leiche. Mir stockte der Atem bei dem Anblick.
»Alter, was ist denn mit dir los?«, erkundigte ich mich besorgt.
»Mir geht es gut«, zischte er genervt.
Ich glaubte ihm kein Wort. Zudem guckte sich Hakan unruhig um. »Lass uns mal weitergehen«, befahl er mir fast.
Wir latschten los, aber immer ein paar Meter neben den anderen Passanten. Hakans Hände zitterten, als er eine filterlose Kippe aus seiner knittrigen Schachtel zerrte. Sicherheitshalber holte ich mein Feuerzeug heraus und ließ den Deckel vor seinem angestrengten Gesicht aufschnappen. Er sog mit der Zigarette an der Flamme und inhalierte den Tabak gierig. »Ich brauche ein paar Dollar«, sagte er, während der Rauch aus seinem Mund drang. »5000.«
Wir starrten uns in die Augen. Ich hatte sogar ein bisschen mehr als das versteckt in einem Keller rumliegen, aber auch ziemlich viel dafür geackert. Alte Freundschaft hin oder her, ich wollte es nicht auf einmal verbrennen. Denn ich würde das Geld nie mehr wiedersehen.
»Ich spare für die Eigentumswohnung meiner Eltern«, antwortete ich. Es war die Wahrheit.
»Nur für ein paar Tage. Als Darlehen«, versicherte er mir, aber das hätte er in dem Moment auch unter Eid vor Gericht geschworen, ohne die rechtlichen Konsequenzen zu bedenken.
»Drückst du mittlerweile Heroin?«, fragte ich ihn direkt.
Hakan schüttelte mit dem Kopf. »Ich hab Stress mit zwei Wichsern aus dem Bahnhofsviertel. Echt kranke Freaks. Inkasso-Abteilung. Hilfst du mir nun?« Diese beschissene Mitleidstour hatten viele Kokser drauf, um sich eine Nase zu schnorren. Kein Problem für mich, hart zu bleiben, aber Hakan kannte ich seit der Schule. Also nahm ich an mir selber eine Taschenpfändung vor und förderte vier Gramm und 320 Euro Bargeld hervor. Bis auf den Zwanziger gab ich ihm alles, was ich dabeihatte.
Hakan keuchte. Er wischte sich über die feuchte Oberlippe, dann griff er zu. »Okay. Besser als nichts. Ich gebe dir das Doppelte wieder.« Er versprach es wie ein Hedge Fonds-Manager.
»Hundert Prozent Rendite?«, wunderte ich mich.
»Ich bin an einem Mega-Jackpot dran. Dann habe ich ausgesorgt«, redete er sich ein. Ich zuckte nur kurz mit den Mundwinkeln. Und überlegte, ob ich überhaupt jemanden in Frankfurt kannte, der nicht an irgendeinem ganz, ganz großen Millionending rumschraubte.
»Hast du noch eine Line Speed am Start?«, fragte er.
»Hältst du es für eine schlaue Idee, in deinem Zustand Speed zu nehmen?«, erkundigte ich mich.
Hakan starrte mir in die Augen. Es war der ängstliche Blick eines Gehetzten, dem die Bluthunde auf den Fersen waren. Er fummelte einen Zeitungsausschnitt aus der Jackeninnentasche und sah sich erneut nervös um, bevor er mir den Artikel mit dem Foto zeigte.
»Das ist eine der reichsten Frauen Frankfurts«, erklärte er mir. »Die macht so Wohltätigkeit für arme Leute. Die ist mein Ticket aus diesem Puff hier raus.«
»Und zwar wie?« Ich wartete gespannt ab.
Hakan rückte noch näher an mich heran. »Ich werde sie entführen und dann blecht die Familie ein paar Millionen!«, eröffnete er mir. Dieser kleine Ghetto-Boy wollte einen Krieg mit dem Geldadel anfangen. Das löste in dieser Stadt gemeinhin eine Kettenreaktion aus: Als erstes reagierte die Politik aufgebracht, dann die Medien und schließlich die Staatsgewalt. Denn Frankfurt gehörte nur dem Geld. Niemandem sonst. Schon gar nicht irgendwelchen Pennern aus der Unterschicht. Hakan war tot, er wusste es nur noch nicht. Ich warf sicherheitshalber einen zweiten Blick auf das Foto. Es war Luisa Strahlenberg. Harros aparte Ehefrau. Schöne Scheiße.
4
»Go big or go home!«, protzte der Immobilienmakler, als er sich in meiner Gegenwart eine fette Line legte. In seinem Office auf der Schreibtischunterlage aus Hartplastik. Er zog sie tatsächlich mit einem zusammengerollten Geldschein. Einem Zehner. Kurz darauf kamen dann die üblichen Welteroberungspläne. »Wir machen das jetzt hier wie deutsche Banken in den USA«, erläuterte er mir. »Die haben da massenhaft Grundstücke in armen Gegenden gekauft, und wenn die Hausbesitzer die Hypotheken nicht mehr zahlen konnten, dann wurde zwangsgeräumt. Arschtritt, ab in den Trailerpark!«, amüsierte er sich.
Harro hatte mir von diesen Methoden erzählt und einen Ausdruck dafür benutzt, den ich mir gemerkt hatte: Slumlords. So nannte man Eigentümer, die ihre Anwesen aus Spekulationszwecken verwahrlosen ließen. Diese Strategie führte in den Vereinigten Staaten zur Verelendung ganzer Landstriche, aber das war von den deutschen Banken geplant, denn parallel wetteten ihre Cheftrader am Finanzmarkt auf den Crash des Hypothekenmarktes! Und so verdienten sie Milliarden an der Obdachlosigkeit der Schuldner. Je mehr ich durch meine Kunden über das Investmentbanking erfuhr, desto leichter fiel mir mein Beruf. Gegen die Slumlords fühlte ich mich wie ein niedlicher Goldfisch im Aquarium der Heilsarmee.
»Das fucking Nordend ist im Kommen«, informierte mich der angeballerte Makler. »Ausgerechnet dieses Drecksloch!«
Obwohl es keine Neuigkeiten für mich waren, nickte ich ihm kundenfreundlich zu.
»Weißt du, was wir mit dem insolventen Pack machen werden, das da jetzt haust?«, fragte er mich. Ich kannte eine Studentin, die im Nordend wohnte. In einer WG mit anderen Studenten. Die waren zwar ein wenig lahmarschig, aber keine Penner.
»Wir werden denen die Buden unterm Arsch weg verkaufen! An ausländische Investoren. Das wird richtig fett! Und von der Provision kauf ich mir