Red House. Andreas Bahlmann

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Red House - Andreas Bahlmann

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bis wirklich alle, ausnahmslos alle mitwippen und mittanzen, um dann zu seinen unnachahmlich-schrägen, geschrammelt - dilettantisch anmutenden Gitarren-Soli anzusetzen. Einfach grandios!

      George Thorogood & the Destroyers stellen auf ihren Alben eigentlich immer vom ersten Akkord an klar, wo es lang geht: schnörkellos, nur nach vorne treibend, einfach obergeiler Blues-Boogie-Rock'n'Roll. Grandios: die 8:26 Minuten Version von John Lee Hookers »one Bourbon, one Scotch, one Beer«. Der Party-Knaller für ekstatisch getanzte Blues-Hingabe, die keine Fragen mehr offenließ – musikalisch war alles gesagt …vergiss die Mädchen, es gab manchmal einfach Wichtigeres zu erledigen und zu tun! Zumindest acht Minuten und sechsundzwanzig Sekunden lang.

      Ich möchte hier auch gar nicht weiter hinterfragen, wie viele Liebes-Anbahnungen durch diese acht Minuten und sechsundzwanzig Sekunden ihr jähes Ende gefunden haben.

      Preschte man doch oft genug bei den ersten Klängen dieses magischen Gitarren-Riffs, das (Flirt-) Gespräch mitten im Satz oder sogar im Wort jäh unterbrochen, ansatzlos und reflexartig auf die Tanzfläche.

      »La Grange« von ZZ TOP funktionierte übrigens ganz ähnlich, dauerte aber nicht so lang, sodass sich danach noch meist was bei der Liebsten retten oder das Gespräch fortführen ließ, wenn man verschwitzt, fast wunschlos glücklich vom Tanzflächen-Blitzeinsatz wieder zurückkehrte.

      Mit dreizehn Jahren sah ich dann endlich meine erste Blues Band live und ich werde nie vergessen, wie ich mit offenem Mund und Ohren und Herzen diese Musik in mich aufsog.

      Der Blues mit seinem einzigartigen Facettenreichtum, der gleichzeitig ebenso dilettantisch wie genial in seinem Vortrag sein kann und darf, manchmal sogar muss, stellt für mich alles in den Schatten und es sind immer wieder diese musikalischen Blues-Interpretationen, die mich bis heute buchstäblich umwerfen und mit »Haut und Haaren« ergreifen können.

      Diese gierige Lebens-Ur-Kraft besitzt für mich keine andere Musik. Selbst die kitschigsten Melodien und Liedchen lassen sich mühelos im Blues einbetten und bekommen dadurch eine musikalische Qualität, die einem regelrecht das Grinsen ins Gesicht, ins Herz und in die Seele zwingen.

      Sogar die oft schräg erscheinende oder klingende Zirkusmusik hat eine unüberhörbare Nähe zum Blues. Polka- und Shuffle-Rhythmen sind musikalisch seelenverwandt, sie werden unterschiedlich phrasiert, transportieren aber klaglos jede noch so schräge Musik oder Melodie und geben ihr Leichtigkeit und Grinsen.

      Klar, es gibt und gab immer supergute, oft geniale Musik und Songs aller Stilrichtungen, die mich beglückt haben und auch noch beglücken und die ich nicht missen möchte, aber dennoch kommt irgendwie nichts an den Blues ran. …Warum das so ist? … fragt den Teufel, wenn Ihr ihm bei Neumond an einer einsamen Kreuzung begegnet!

Kapitellogo

      Während diese Treffen ja eher geheimnisvoll, still, manchmal auch unheimlich anmuten können, wurde gegen Ende der Sechziger das laute Schreien in der modernen Musik gesanglich »gesellschaftsfähig«.

      Schreien waren wir Kinder und Jugendlichen ja schon gewohnt durch Eltern, Trainer, Lehrer und Priester unserer Kirchengemeinde oder durch schimpfende ältere Leute, wenn sie uns maßregelten. Das Schreien besaß in unserer Welt also schon eine gewisse gesellschaftliche Akzeptanz und souverän gemeisterte Alltags-Routine …, nur eben noch nicht in der Musik.

      Joe Cockers legendärer Schrei in seiner genialen Version des Beatles-Songs »with a little help from my friends«, bei seinem Auftritt in Woodstock, zählte noch nicht – denn das waren in den Augen und Ohren der Erwachsenen die Musik der Hippies und Gammler. Wir älteren Kinder und Jugendlichen liebten diesen musikalischen Urschrei und die Jugendlichen und Hippies und Gammler liebten seit diesem Schrei Joe Cocker.

      Bei Bühnenshows von Coverbands durfte dieser »Joe Cocker-Urschrei« natürlich nicht fehlen, was aber auch oft für akustische Irritationen unter den Zuschauern und Zuhörern sorgte (»… was …, was war das denn …?) oder aber für Riesenbeifall, wenn ein Sänger diesen Schrei »konnte«.

      Little Richard zählte auch nicht zur gesellschaftlich geduldeten Schrei-Fraktion in den biederen, konservativ-bürgerlichen Kreisen, denn der war dort entweder nicht wirklich bekannt oder einfach zu schrill, wild und exzentrisch. Ebenso James Brown, der auf der Bühne mit seinem ekstatischen Tanzen und Schrei-Gesang und Hoch-Geschwindigkeits-Blues-Funk alles gab.

      Elvis war einfach zu brav zum Schreien und Könige schreien sowieso nicht, das überlassen sie lieber anderen …

      Es war eine Frau, die die Vorlage zur gesellschaftlichen, bürgerlichen Akzeptanz des Schreiens in der Musik gab. Sie hieß »Eloise«.

      »Eloise«, komponiert von Paul Ryan, gesungen von seinem Bruder Barry Ryan machte Ende der Sechziger das musikalische Schreien gesellschaftsfähig.

      Barry Ryan hatte zwar lange Haare, wirkte aber äußerlich sehr gepflegt und gut situiert … von ihm ging also keine »Gefahr des Verderbens« aus, außerdem war es ja eine Art »Familien-Musikstück«, beinahe Hausmusik zweier Brüder.

      »Eloise« ist eine orchestral geradezu überbordende Klassik-Pop-Rock Nummer mit pompösem Arrangement, an deren Ende die bombastische Schlussdynamik einfach eine gesangliche Steigerung ins Schreien verlangt, was Barry Ryan dann auch tat und er machte das auch richtig gut, deshalb erlangte er sogar bei uns Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen eine recht hohe Akzeptanz.

      Eine Schallplatte von ihm habe ich mir jedoch nie gekauft und ins Regal gestellt, aber Barry Ryan's »Eloise« war eines der wenigen Pop-Stücke, das wir Kinder und Jugendlichen gemeinsam mit den Erwachsenen anhören konnten, und zwar ziemlich konfliktfrei.

Kapitellogo

      Das Ende der Sechziger und der Eintritt in die Siebziger waren aber nicht nur durch das Schreien, sondern auch geprägt durch den Tod vieler wichtiger Musiker wie Jimi Hendrix, Brian Jones, Janis Joplin und – durch meinen Schulwechsel aufs Gymnasium.

      Als ich am ersten Tag als Schüler-Neuling über den Schulhof meiner neuen Schule ging, waren meine ersten Eindrücke die weit geöffneten Klassenzimmerfenster, aus denen rote Fahnen hingen, einige davon sogar mit Hammer und Sichel versehen und viele der Mädchen trugen sogar Hosen und auch Jeans, was mir richtig gut gefiel. Das kannte ich von meiner bisherigen Volksschule nicht, weil die Mädchen da nur Röcke trugen und auch nur tragen durften.

      Die Schüler der oberen Klassen befanden sich im Schulstreik und auch im Wahlkampf für die bevorstehenden Schulsprecherwahlen.

      Ich fand das alles unglaublich aufregend und spannend, auch wenn ich gar nicht so recht verstand, worum es überhaupt ging. An unserer Volksschule gab es nie Schulsprecher oder streikende Schüler oder Wahlkampf oder überhaupt irgendeine Art von gelebter Demokratie.

      Einer der streikenden, wahlkämpfenden, älteren Schüler stand sogar mitten während des Unterrichts einfach auf und verließ den Klassenraum mit den Worten: »Ich gehe nicht eher wieder zur Schule, bis in Deutschland der Sozialismus eingekehrt ist.« Er blieb dem Unterricht dann tatsächlich zwei Monate fern! Heute ist er selbst Lehrer und als solcher immer noch aktiv im Dienst. Ob er noch dem verpassten Sozialismus-Ultimatum noch nachtrauert, weiß ich nicht.

      Das erste Jahr an der neuen Schule begann jedoch bald darauf mit einer Enttäuschung, da für uns Fünftklässler – »die Kleinen« – einfach nicht genügend Klassenräume zur Verfügung standen. Also wurden wir ausgelagert in einen separaten Trakt einer anderen Grundschule – keine Volksschule. Diese Schule, ein altes

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