Red House. Andreas Bahlmann

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Red House - Andreas Bahlmann

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mir zu und spielt und spielt und spielt und genießt meinen Einzel-Applaus.

      Er freut sich, dass ihm jemand zuhört, sich Zeit für ihn und seine Musik nimmt und nicht einfach an ihm vorbeigeht.

      Moti schafft es – wie viele andere Straßenmusiker auch – jedes, aber auch wirklich jedes Lied im gleichen Groove zu spielen … dadda – zzt – dadda – zzt … Aber es klingt nie tölpelhaft, Moti verbreitet einfach eine positive Stimmung um sich herum, die Songs für sich geradezu »skrupellos« passend gemacht.

      Mit einem »take care, man …« verabschiede ich mich von Moti, ich treffe die Mädchen wieder und wir betreten das Disco-Hotel-Café »de drie Gezusters«, wo wir das hausgemachte »Appelgebaak met slagroom« genießen.

      Nach einer »Chillstunde« bei Smartphone, Cola, Saft, Kaffee und Kuchen, gehen die Mädchen wieder auf Shoppingtour.

      Ich stehe auf und wechsel den Tisch und gleichzeitig wechselt auch – endlich! – die Musik.

      Aus den Lautsprecher-Boxen an der Decke ertönt »Hound Dog« von Elvis, endlich was zum Versinken oder zumindest zum gerne Hinhören, nachdem mein Kaffee- und Kuchengenuss zuvor über eine Stunde lang mit immer wieder sich wiederholenden Songs aus Stevie Wonders »Songs from the key of life« – Album bearbeitet worden war.

      Und ich bin an einen ganz bestimmten Tisch gewechselt.

      An diesem Platz, in diesem Laden saß ich vor über dreißig Jahren schon einmal. Ich kann und werde diese Situation nie vergessen, weil es selten Momente gab, wo Glück und Verzweiflung für mich so nah beieinanderlagen.

      Ich hörte damals ständig »Sweet Virginia« von den Stones aus dem »Exile on Mainstreet«- Album, für mich eigentlich bis heute das stärkste Lied dieses Meisterwerk-Albums der Rolling Stones. Diese Eingangs-Melodie, dieser Garagensound und dann das unnachahmliche Reinrumpeln von Charlie Watts in diesen Song!!

      Später, mit »Faraway Eyes« auf dem »Some Girls« -Album ist den Stones übrigens noch so ein relativ unbeachteter, aber umwerfender und kaum gespielter B-Seitenhit gelungen, ein echter Grinsgesicht-Song.

      Zurück zum »de drie Gezusters«, denn vor über dreißig Jahren saß ich genau hier, mit meiner damaligen Freundin, die ich über alles liebte, an diesem Tisch und ich war so unglaublich glücklich, …aber »Red House« schob sich unaufhaltsam, unaufhörlich und schon körperlich schmerzhaft dazwischen, zwischen uns. »Red House« bohrte erste Risse in diese Liebe hinein. Ich spürte unbestimmt und von ganz weit und tief her, dass diese, unsere Liebe zum Scheitern verurteilt war und ich wehrte und stemmte mich innerlich so sehr dagegen. Aber es gelang mir nicht, es war, als ob mich irgendeine, von mir nicht zu steuernde Kraft antrieb, weitertrieb und wegtrieb, … unaufhaltsam auf die nächste Biegung zu?

      Ich wollte aber gar nicht wissen, was dahinter liegt, ich wollte nicht alleine weiter, um alleine dahinter zu schauen, … ich wollte nur bei ihr bleiben, endlich zur Ruhe kommen.

      Es war ein sonniger Tag, ein klarer, sonniger Vormittag in Groningen und wir hatten die Nacht so gut wie gar nicht geschlafen. Ein Zustand, der einen alles noch extremer aufnehmen und fühlen lässt, man ist buchstäblich mit Haut und Haaren durch und durch sensibilisiert, beinahe »psychotisiert«.

      Ich liebte sie, wie ich noch nie zuvor einen Menschen geliebt hatte, aber dennoch stieg diese tiefe Traurigkeit in mir hoch. Ich konnte mich einfach nichts dagegen tun. Ich spürte, wie die Geräusche um mich herum seltsam verhallten und meine Freundin immer weiter abzurücken schien. Aber es war nicht sie …, ich löste mich aus dieser ganzen Szene heraus! Es war, als ob ich dem Ganzen geradezu entschweben würde. Ich hing oben in einem Deckenwinkel und sah mich mit meiner Freundin da unten sitzen. Sie nahm meine Hand, streichelte sie sanft und lächelte mich irgendwie hilflos schüchtern an.

      »Ich verstehe dich schon … «, hörte ich sie sagen und ich dachte nur noch: »… nein, du verstehst leider gar nichts …«, aber sagen konnte ich es ihr nicht.

      Ich hätte laut und hemmungslos losweinen können, so weh tat das alles. Meine hilf- und haltlos trudelnde Seele ließ mich einfach straucheln und unsere Liebe sollte unaufhaltsam und quälend langsam einem Abgrund, unseren eigenen Abgrund entgegentaumeln. Verzweifelt konnte ich mich nicht dagegen wehren – ich war ja da oben, herausgelöst an der Decke und gleichzeitig saß ich mit ihr da unten …

      Außerdem weinte ein Junge ja nicht, auch wenn ich schon ein junger Mann war, aber Tränen zu zeigen war immer noch »tabu – erzogen« und »eingebläut«.

      Klar, ich hätte meine USA-Reisepläne stoppen und der … – nein! – … DIESER Liebe wegen opfern können, aber es ging einfach nicht, mein Entschluss stand fest, ich konnte einfach nicht mehr umdrehen.

      Der Ruf der »Straße« und die Neugier, die Angst und die Suche nach so vielen Antworten brannten einfach einfach zu groß in mir. Die ganze Erziehung der Sechziger prallte brutal auf und in diese Liebe und für diese Liebe war da irgendwie kein Platz. Jimi spielte tief in meiner Seele, in meinem Herzen immer wieder sein so schmerzhaft-schönes, so unendlich sehnsuchtsvolles Gitarren-Intro zu »Red House«.

      Mein liebeskrankes Herz hämmerte verzweifelt in mir, aber es ging einfach nicht anders, ich musste die Sache mit den USA einfach durchziehen.

      Noch nicht einmal sechs Wochen später hatte ich schwer daran zu schlucken, meine große Liebe, meinen bis dahin wohl besten Freund gleich mit eingeschlossen und mein Auto, einen weißen Peugeot 504 mit Lenkrad-Schaltung verloren zu haben.

      Die von mir Jahre später geschriebenen Lieder »Burning Rain«, »Sit down« oder auch »Get rid« und »Sunrise«, die auf dem »Happy Fiesta« -Album unserer Band »Wrong Haircut« erschienen sind, bildeten einen sehr wertvollen, musikalischen Kanal, das alles zu verarbeiten, um weiter nach vorne schauen zu können, auf der Suche nach der nächsten Biegung …

      Das Gesicht und das Innere des Cafés »de drie Gezusters« in Groningen hat sich in den ganzen Jahrzehnten nie verändert. Was für Schicksale und Erlebnisse dieses Haus schon in seinen Wänden aufgenommen hat, lachende, traurige, fröhliche, feiernde, verzweifelte, glückliche, einsame Menschen. Kaffee- und Biertrinker, Schachspieler und Zeitungsleser. Oft saßen und sitzen hier mehrere Generationen an einem Tisch, etwas, was man in Holland häufiger erlebt, bei uns in Deutschland hingegen nicht so oft oder so selbstverständlich, da wird eher getrennt gelebt, vielleicht achtet man aber auch im Ausland mehr darauf – vor allen Dingen, wenn man alleine ist und die Dinge um sich herum aus einer gewissen Einsamkeit in der Fremde wahrnimmt.

Kapitellogo

      Mit »Red House« wurde eine, mich mein ganzes Leben begleitende Einsamkeit, eine unbestimmte, suchende, drängende, ferne Sehnsucht zum Klingen gebracht. Diese Sehnsucht war und ist nicht immer, schon gar nicht nur traurig, sie konnte oder kann auch sehr schön und spannend, ja beinahe zärtlich sein und Geborgenheit geben, die die Angst vor Veränderungen oder neuen Dingen nahm oder nehmen kann.

      Eine meiner frühesten Kindheitserinnerungen ist, dass ich alleine mit einem großen Ball in den Händen, mit Mütze und Wollpullover bekleidet, im Garten stand. Ich schaute über den großen Rhododendron-Busch im Garten auf unser Haus und hörte hinter und über mir das fantastisch-silbrige Rauschen der riesigen Pappelbäume. Ich fühlte mich sehr alleine und werde nie diesen ganz besonderen Klang des Alleinseins vergessen. Damals kann ich höchstens eineinhalb Jahre alt gewesen sein und ich weiß nicht, wieso sich diese Situation so in meinem Gedächtnis eingegraben hat, aber ich habe es mir nicht eingebildet, da ich zu dem Zeitpunkt noch keine Brüder hatte. Ich höre das Alleinsein und diese Einsamkeit

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