Zanderblut. Wolfgang Wiesmann

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Zanderblut - Wolfgang Wiesmann Kommissarin Fey Amber

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und den Urheber lassen wir laufen?“

      „Mani, eins nach dem anderen. Wir haben keinen blassen Schimmer, wer dahinter steckt. Es muss jemand sein, der was von Fischen versteht. Schließlich hat er eine Badewanne voller Karpfen organisiert und hier bei uns ausgesetzt.“

      „Traust du denen aus Haltern das zu?“

      „Michalzek. Du hast ihn bei der Konferenzschaltung erlebt. Ein kaltschnäuziger Brocken. Er wollte uns mit seiner lächerlichen Polemik aus dem Ring werfen, aber ich denke, dass Dr. Ritter ihn durchschaut hat. Wie auch immer, zutrauen würde ich dem alles.“

      „Sollten wir besser die Polizei einschalten?“

      „Damit die den Teich sperren? Bist du bekloppt.“

      Kempinski ließ nicht locker.

      „Aber vielleicht ist ein Mord passiert. Der Ohrring könnte ein Beweisstück sein.“

      „Quatsch! Da will uns einer ans Bein pinkeln! Es bleibt dabei. Wir halten den Vorfall in den eigenen Reihen. Ich zähl auf dich. Morgen beim Abangeln, da gehst du hin und wieder zu den Kollegen und schaust, ob bei denen alles glattläuft. Wenn wir Glück haben, geht der Spuk ohne großes Aufsehen an uns vorbei.“

      Pörschke löste den Ohrring von der Flosse, steckte ihn in seine Jackentasche und verschwand.

      Haverkamp und Teltrup betraten das Halterner Vereinshaus und sprachen mit dem Jungen, der den Karpfen mit dem Plastiktütchen gefangen hatte.

      „Zeig mal her. Wo sind die Sachen?“, fuhr ihn Haverkamp launisch an. Der Junge deutete auf den Tisch neben ihnen. Teltrup nahm die kleine Plastikhülle auf, hielt sie gegen das Licht und suchte nach den Haaren.

      „Ich denk, da sind Haare drin.“

      Der Junge zog einen Bierdeckel heran, auf dem ein schwarzes Knäul lag. Teltrup nahm es und entwirrte das Geflecht. Einige lange Haare konnte er trennen, andere zerrissen.

      „Tatsächlich! Und die waren in dem Tütchen?“

      „Ja, und das war mit diesem Band um den Bauch des Karpfens gewickelt.“

      Der Junge streckte seine Hand aus. Darin lag ein Fetzen elastischer Stoff, der einem Stück von einem Stützstrumpf sehr ähnelte. Teltrup untersuchte das Material, dehnte es, formte es und wollte es über sein angewinkeltes Knie stülpen.

      „Passt nicht, aber für einen Karpfen würde es reichen.“ Teltrup sah sich um. „Wo ist der Fisch?“

      „Hab ich wieder reingesetzt“, sagte der Junge kleinlaut.

      „Scheiße. Hätte gerne gesehen, wie sich das Ding über den Karpfen stülpen lässt. Ich würde es zwischen Rückenflosse und Brustflossen schieben. Da kann es nicht weg, die Kiemen verhindern das Abrutschen.“

      Haverkamp nahm Teltrup beiseite.

      „Schick den Jungen nach Hause. Der darf nichts sagen. Mach Druck, dass er die Klappe hält.“

      Teltrup sprach mit dem Jungen, der daraufhin seine Sachen packte und ging.

      „Wir stehen hier vor einem Scheißproblem“, stöhnte Haverkamp. „Das sind Haare von einem Menschen, wahrscheinlich von einer Frau.“

      „Kann doch auch ein Scherz sein“, wiegelte Teltrup ab.

      „Da macht sich keiner so viel Arbeit für einen so schlechten Scherz. Was, wenn da noch mehr Fische schwimmen, die Post um den Bauch gewickelt haben, mit Fingernägeln, Zähnen oder Ohrläppchen drin?“

      Teltrup behielt die Ruhe.

      „Vielleicht haben die Älteren aus der Jugend den Jungen an der Nase herumgeführt und wir sind nachher die Doofen, weil wir die Nerven verloren haben. Machen wir uns nicht lächerlich.“

      „Ne, ne! Da ist was im Busch. Wir kämpfen gegen Dülmen um die Existenz des Vereins. Hier geht es um alles oder nichts. Dülmen will uns ausstechen und dazu sind denen alle Mittel recht.“

      „Ach was. Ich kenn den Theo Buttgereit aus Dülmen, der würde nie solche Methoden befürworten. Mach die nicht alle schlecht. Wir warten ab und ich mobilisiere einige Kollegen, dass sie morgen am Teich auf Karpfen gehen. Wenn die keinen Zombiefisch mehr fangen, ist die Sache erledigt.“

      „Okay, verschließ die Sachen im Kassenschrank. Falls tatsächlich ein krimineller Akt dahintersteckt, haben wir zumindest unsere Pflicht getan und die Indizien für die Polizei sichergestellt.“

      Samstag am Vereinsteich in Börnste. Der Morgen dieses frühen Herbsttages kündigte schönes Wetter an. Die Nacht war kalt gewesen, fast frostig. Vereinzelt lagen Nebelbänke über den Feldern. Knorrige Eichenstämme ragten mit ihren Kronen aus dem milchigen Dunst heraus. Mani Kempinski versuchte möglichst nah am Tor zur Teichanlage eine Parklücke zu erwischen. Vergebens. Er ärgerte sich über die müßigen Kollegen. Die Büsche und Sträucher links und rechts vom Tor hätten längst gestutzt werden müssen. Frustriert kramte er seine sperrige Ausrüstung aus dem Kofferraum und stiefelte los. Das Abangeln sollte ein Erfolg werden. In ein paar Stunden würde das Vereinsgelände bevölkert sein und später wurden Frauen und Kinder zum Grillen erwartet.

      Plötzlich blieb er erschrocken stehen und tastete seine Parkertaschen ab. Ein Glück, sein Handy hatte er eingesteckt. Das beruhigte ihn, denn er wollte Pörschke jederzeit erreichen können. Die Sache mit dem Ohrring machte ihm zu schaffen. Niemand anderes als er hatte den Ohrring ans Licht befördert. War er vielleicht sogar selber gemeint, eine Geste aus dunkler Vergangenheit, ein schwarzes Loch, von dem er hin und wieder träumte und aus dessen Tiefe seine Mutter nach ihm rief? Die Ohrringe kamen ihm bekannt vor, aber nein, er hatte nichts damit zu tun.

      Er setzte seinen Weg fort. Richtig wach fühlte er sich nicht und die gewohnte Freude auf den Angeltag ließ auf sich warten. Nachts hatte er sich unruhig im Bett gewälzt und war schweißgebadet aufgewacht. Er hatte vom zweiten Ohrring geträumt, der ihn über den Traum hinaus als armseligen Sünder verfolgte. Hatte er den Tod seiner Mutter verschuldet? Hatte er deswegen Frauen schon früh aus seinem Leben gestrichen? Da war eine Wand, die unüberwindlich schien und vor der er zum ersten Mal als Kind gestanden hatte. Längst hatte er sich mit dem Schicksal abgefunden, ewiger Junggeselle zu bleiben, doch hatte sein Hausarzt ihm geraten, sich nicht von der Gesellschaft abzukapseln, da er ohne Partner und mit einem Hobby, das man oft alleine betrieb, vereinsamen könnte. „Man schlittert in eine Psychose, ohne dass man es merkt“, hatte sein Arzt ihn gewarnt, aber Kempinski schenkte dem keine Bedeutung, weil er glaubte, dass Angeln für ihn die beste Therapie sei. Und außerdem lagen Depressionen nicht in der Familie, jedenfalls nicht väterlicherseits.

      Dicke Nebelschwaden krochen aus der Mitte des Teiches empor. Er blieb erneut stehen und sah sich das Spiel der Elemente an. Die Stille hier draußen in der Natur faszinierte ihn. Sie kroch bis tief in seine Seele, aber wenn er nicht aufpasste und sich zu sehr darauf konzentrierte, wurde sie lauter und lauter, bis er sich ablenken musste, um nicht vom Getöse der Stille innerlich zerrissen zu werden. Erst seit einigen Wochen war ihm dieses Phänomen aufgefallen und er fragte sich, ob sich dadurch die Psychose ankündigte, von der sein Arzt gesprochen hatte.

      Er legte seine Utensilien vorsichtig

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