Zanderblut. Wolfgang Wiesmann

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Zanderblut - Wolfgang Wiesmann Kommissarin Fey Amber

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die Haare band und ein Andenken aus ihrer Kindheit, die Bernsteinperle, bei sich trug. Nach meiner Meinung könnte es sich um eine junge Frau handeln, die nicht viel Geld hatte und die in einem von Schwermetallen verseuchten Gebiet lebte.“

      „Du denkst, dass sie tot ist?“

      „Ich denke, dass da draußen jemand ist, der will, dass diese Frau gefunden wird oder die Umstände ihres Todes aufgeklärt werden. Wir brauchen mehr Indizien.“

      „Also doch den Teich auspumpen.“

      „Man könnte mit einem Netz durchgehen.“

      „Dabei würden die Fische ziemlich stark belastet und die angehefteten Beweismittel gingen verloren.“

      „Dann bleibt dir nur, dich mit einer Angel an den Teich zu setzen. Petri Heil!“

      Fey legte auf. Was für ein absurder Gedanke. Sie und Angeln. Ein Sport, der für sie einschläfernder nicht sein konnte. Ihr geschiedener Mann fuhr zum Hochseeangeln auf Hai nach Island und auf die Seychellen und ließ sich dort mit Thunfischen und Marlinen fotografieren, die wie aus dem Meer geborgene Amphoren an Flaschenzügen hingen. Als sie ihn kennenlernte, schwärmte er von seinem kostspieligen Hobby und sie war begeistert von seinen funkelnden Augen, wenn er vom Kampf mit einem Mantarochen erzählte. Sie wusste damals bereits, dass sie anders empfand und sie ihn nur anhimmelte, weil seine Erzählungen so abenteuerlich klangen und das Männliche in ihm zum Vorschein brachten.

      Sie blickte in ihren kleinen Schminkspiegel, den sie aus einem roten Lederetui herausgenommen hatte. Den Lippenstift ließ sie drin. Den hatte sie seit ihrer Scheidung nicht mehr benutzt. Als es noch einen Mann in ihrem Leben gab, pflegte sie auch ihre weibliche Seite im Berufsleben vorzuzeigen, aber die Lust dazu war ihr vergangen und der Wunsch nach einem neuen Partner in unerreichbare Ferne gerückt. Seit Monaten versuchte sie, sich an das Alleinsein nach Feierabend zu gewöhnen. Eigentlich ein schizophrener Zustand, denn an Verehrern mangelte es nicht.

      Am Montag herrschte heilloses Chaos. Die Vorstände beider Angelvereine hatten sich wegen der skurrilen Funde zu Sondersitzungen eingefunden. Am Halterner Teich versammelten sich außerdem freiwillige Helfer und Sachverständige vom Wasserwerk und versuchten, das Ausmaß der Wasserpest einzuschätzen. Mit Booten kontrollierten sie die Oberfläche mitten im See, an den Ufern stiefelten Männer und Frauen entlang, um das gefürchtete Kraut zu eliminieren.

      Kommissarin Amber hatte am Sonntag im Archiv alte Fälle aus dem südlichen Münsterland und dem nördlichen Ruhrgebiet bis hin zu den 70er- und 60er-Jahren durchstöbert. Letztlich fand sie keine Parallele zu den vorhandenen Indizien. Allerdings festigte sich ihre Vermutung, dass die zugespielten Beweisstücke auf den gewaltsamen Tod einer Frau hindeuteten. Die Aufklärung eines solchen Verbrechens, so Charlys Idee, sollte hier geschehen, im Grenzgebiet zwischen Haltern und Dülmen. Sie musste umdenken. Eine Leiche würde sie durch eine Recherche kaum finden, und dass diese unten in einem der Angelteiche lag, war unwahrscheinlich. Der Schmuck konnte als Signal an die Polizei verstanden werden. Es war zu erwarten, dass weitere Indizien zutage treten würden.

      Fey hatte die KTU-Mannschaft am Montagmorgen an den Dülmener Teich geschickt , um dort nach Spuren zu suchen, die Aufschluss über den heimlichen Besatz von präparierten Karpfen geben sollten. Bisher basierte ihr Verdacht nur auf höchst individuellen Vermutungen. Sie hatte nichts in der Hand, um ihren Chef Carstensen von einem realen Mordfall zu überzeugen. Umso dringlicher war es, möglichst schnell Beweise vorlegen zu können. Pörschkes Verdacht, die Halterner wären die Urheber, hielt sie für ein politisches Kalkül. Aber gerade wegen der dürftigen Beweislage musste sie Kleinarbeit leisten und entschied sich, beim Halterner Angelverein nach sachdienlichen Hinweisen zu suchen. Sie telefonierte mit Haverkamp, dem Vorsitzenden, stellte sich vor und berichtete in Kurzform, was sich am Wochenende bei den Dülmener Sportfischern abgespielt hatte.

      „Herr Haverkamp, wie erklären Sie sich die Fänge im Dülmener Vereinsteich?“

      „Erklären kann ich das nicht, aber man stellt sich natürlich die Frage, wo die Fische herkamen. Karpfen sind sehr genügsam. Da reicht ein Tümpel zum Überleben.“

      „Und woher beziehen Sie Ihre Fische für den Besatz?“

      „Frau Amber, als Sie sich eben vorstellten, schreckte ich ehrlich gesagt kurz zusammen. Ich muss Ihnen nämlich was gestehen.“

      „Sagen Sie bloß, dass Sie auch einen Karpfen mit Juwelen gefangen haben.“

      „Nein, das nicht, schlimmer. Wir haben einen Büschel Haare gefunden. Der war an einem Karpfen befestigt. Ich habe den Fund sichergestellt. Es wäre mir lieb, wenn wir die Sache so schnell wie möglich aus der Welt räumten. Hier ist der Teufel los. Wir haben die Wasserpest im Teich.“

      „Das hört sich nicht gut an.“

      „Das ist saugefährlich, wenn ich Sie da informieren darf. Damit wenigstens dieses Problem aus der Welt ist, wäre ich den Fund gerne so schnell wie möglich los. Treffen wir uns doch in der Kajüte.“

      Eine Stunde später saßen Fey und Haverkamp am See und Beckmann brachte ihr einen Tee und einen Underberg für Haverkamp, dem die Aufregung auf den Magen geschlagen war. Beckmann mischte sich nicht ein, wie es sonst seine Art war. Als er gegangen war, kramte Haverkamp ein durchsichtiges Tütchen aus seiner Hosentasche und legt es vor Fey auf den Tisch.

      „Unglaublich, aber wahr. Der Karpfen ist von einem aus der Jugend gefangen worden. Leider ist der Fisch wieder zurückgesetzt worden. Vielleicht hätten wir Merkmale gefunden, die Aufschluss geben, ob der Fisch kürzlich eingesetzt worden war.“

      „Falls das so wäre, glauben Sie, dass ein und dieselbe Person in Haltern und in Dülmen die Fische eingesetzt hat?“

      „Sieht so aus. Aber wir haben jetzt andere Sorgen.“ Haverkamp erhob sich. „Die Wasserpest. Ach, fast hätte ich es vergessen. Hier, eine Art Stretchverband, mit dem war das Tütchen am Fisch befestigt.“

      Er zahlte die Getränke und ging hinaus. Fey steckte das Beweisstück in eine Tüte, ließ ihren Tee stehen und folgte Haverkamp. Er demonstrierte Zeitmangel und nahm seinen Autoschlüssel in die Hand. Fey ließ sich nicht abwimmeln.

      „Gibt es außer dem Streitobjekt Baggersee irgendwelche persönlichen Rivalitäten zwischen den Vereinen?“

      „Nein! Frau Amber, ich muss los.“

      „Wäre Ihnen damit geholfen, wenn der Teich ausgepumpt würde?“

      „Um Gottes willen! Das lassen Sie mal getrost Sache des Umweltamtes, der hiesigen Behörden und Interessensverbände sein.“

      „Wir werden sehen, was sich anhand der Haaranalyse ergibt. Sie hatten übrigens vorhin am Telefon meine Frage nach der Herkunft der Karpfen nicht beantwortet. Woher bekommen Sie denn nun die Fische für den Besatz?“

      „Beim Herzog von Croÿ. Fragen Sie dort nach. Ich muss jetzt wirklich los.“

      „Und ich muss Sie leider bitten, das Angeln vorläufig einzustellen. Wichtige Beweismittel könnten verloren gehen.“

      „Noch so ein Tiefschlag und wir können einpacken. Die Kollegen sind auf 180, müssen Urlaub nehmen, um den Teich zu säubern.“ Haverkamp schlug die Autotür zu und raste davon.

      Fey fühlte sich mies. In den Teichen schwammen noch etliche Fische mit möglichem Beweismaterial.

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