Zanderblut. Wolfgang Wiesmann
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„Verkaufen Sie auch an private Kunden?“, wollte Fey wissen.
„Alltags ist bei den Privaten nichts los. Die kommen meistens am Wochenende. Auch kleine Mengen können die hier kriegen, für den Gartenteich zum Beispiel. Wir liefern nach ganz Deutschland. Das braucht Tankwagen mit Sauerstoffpumpen für die langen Wege.“
„Herr Holtkötter, können Sie sich an Kunden erinnern, die in der letzten Zeit etwa um die vierzig Karpfen gekauft haben?“
„Solche Mengen werden geliefert. Private Kunden haben keine Tankwagen. Aber kommen Sie, wir gucken mal in die Bücher. Da stehen alle Kunden, die beliefert worden sind. Von den kleinen privaten Kunden halten wir keine Adressen fest. Es wird nur die Menge eingetragen. Derzeit ist aber Hochbetrieb. Da fehlt schon mal der ein oder andere Vermerk.“
Holtkötter blätterte und führte seinen speckigen Zeigefinger entlang der Spalte für die Verkaufsmengen.
„Nee, für private Kunden finde ich keine so große Zahl. Da kann ich Ihnen nicht helfen.“
Fey bedankte sich und ging zu ihrem Wagen zurück. Was sagten die KTUler? Sie sprach mit dem zuständigen Leiter des Außendienstes.
„Was gibt es Neues vom Dülmener Vereinsteich?“
„Wir haben Schleimspuren und einige Schuppen, etwa daumennagelgroß, an einer Stelle am Teich gefunden, die mit dem Auto erreichbar ist. Die dazugehörigen Reifenabdrücke fielen leider nur sehr dürftig aus. Das frische Herbstlaub hat die Spuren verwischt, andererseits konnten wir durch den Laubfall die Zeit eingrenzen, in der das Fahrzeug dort war. Schätzungsweise wurden die Fische etwa vor drei bis vier Tagen im Dülmener Teich eingesetzt. Ich habe allerdings noch etwas ganz Besonderes für Sie. Es handelt sich um ein absichtlich dort am Teich deponiertes Kleidungsstück und zwar um einen Turnschuh der Größe 36 mit weißem Schleifenband als Schnürsenkel. Der Schuh war an einen Baum genagelt.“
„Okay, schnellstens ins Labor damit und die halbe Truppe sofort nach Haltern an den Vereinsteich und ebenfalls nach Spuren untersuchen. Da will uns jemand etwas mitteilen und wir beißen an. Schick mir Fotos von dem Turnschuh.“
Zweifelsohne ging es um das Schicksal einer Frau, das jemand anderes aus der Vergangenheit ans Licht bringen wollte, und der Adressat war die Polizei. Feys Handy summte. Sie betrachtete das Foto und sofort war ihr klar, dass es sich um eine junge Frau handeln musste. Das, was der Kollege mit Schleifenband bezeichnet hatte, war ein aus Spitze bestehendes Band, das sorgfältig zu einer Schleife gebunden war. Das wirkte jugendlich.
Charly meldete sich auf ihrem Handy. „Hallo Fey, der Juwelier, den ich befragt habe, sagt, dass Ohrringe dieser Art Anfang des Jahrhunderts aus Österreich-Ungarn auf den deutschen Markt kamen. Im Zweiten Weltkrieg wurden sie oft gegen Butter und Kartoffeln eingetauscht. Danach verloren sie ihren Reiz und verschwanden vom Markt. Die Haarspange ist billiger Kaufhausschmuck und der Bernstein trägt Einschlüsse von winzigen Objekten aus dem Meer.“
Fey bedankte sich. Aufgrund der Schuhgröße konnte sie auf die Körpergröße schließen. 160 bis 165 cm schätzte sie. Haarfarbe war eindeutig schwarz und auch beim Alter wagte sie eine vorläufige Eingrenzung. Der Turnschuh auf dem Foto war ein billiges Fabrikat, Stoff und Gummi und stellenweise verschlissen. So was trugen eher junge Frauen – eine Modeerscheinung, die mit den 60er-Jahren aufkam. Wenn es sich um einen Mord handelte, geschah er in der Gegend zwischen Haltern und Dülmen. Das war zwar eine vage Vermutung, aber es reichte für eine brauchbare Arbeitshypothese. Schließlich waren Haltern und Dülmen die Schauplätze für die Funde. Da gab es einen Zusammenhang zwischen Mord und Ort. Die Beteiligten würden in diesem Umfeld zu suchen sein. Aber laut Aktenlage wurde kein Mord an einem Mädchen verübt, das die bisher bekannten Merkmale trug. Eine solche Leiche wurde nie gefunden. Wasser spielte eine Rolle und Angeln auch. Vielleicht wurde das Mädchen ertränkt oder ertrank durch Fremdverschulden. Außerdem war sie zugereist. Charly hatte festgestellt, dass die Schwermetallkonzentration in den Haaren bis zur Haarwurzel in den letzten Monaten ihres Lebens abgenommen hatte. Er konnte nachweisen, dass sie vor ihrem Ableben etwa neun Monate in einer relativ sauberen Umwelt verbracht hatte.
Unterwegs nach Münster riefen die KTUler vom Halterner Vereinsgewässer an und berichteten ebenfalls von Fahrzeugspuren und Fischschuppen, die auf den Besatz von Fremdfischen hindeuteten. Außerdem fanden sie ein silbernes Kettchen mit einem Peace-Zeichen als Anhänger daran, das ebenfalls an einem Baum befestigt war.
Fey fühlte sich an die 68er-Generation erinnert. Hippies, Love, Peace, Woodstock und die Demos im geteilten Deutschland. Turnschuhe, billige Haarspange, jung, geerbter Schmuck. Da passte einiges zusammen. Der Mord wäre damit zeitlich grob einzuordnen. Er würde in den Zeitraum 1965 bis 1975 fallen. Um es nicht zu kompliziert zu machen, legte sie die Zeit auf etwa 1970 fest und fasste zusammen: Mord an einer jungen schwarzhaarigen Frau der Hippiegeneration, im Einzugsgebiet zwischen Haltern und Dülmen, von Bedeutung sind Wasser und Angeln. Die Frau ertrank, ihre Leiche wurde nie gefunden, aber es gab mindestens einen Zeugen und genau dieser wühlt nun in der Vergangenheit. Will er Gerechtigkeit oder Rache? Er spielt mit Beweismaterial, will die Polizei beteiligen. Zwei Fragen drängen sich auf: Erstens:Warum ging der Zeuge damals nicht zur Polizei? Zweitens: In welchem Verhältnis stand der Zeuge zu dem ermordeten Mädchen? Vielleicht hatte er selber Dreck am Stecken und zog es damals vor zu schweigen? Die ermordete Frau war ein Teenager oder in ihren frühen zwanziger Jahren. Das war ein Alter, in dem man sich verliebte. Insofern könnte es sich auch um ein Beziehungsdrama gehandelt haben. Ihr damaliger Partner wäre heute etwa sechzig Jahre und älter.
Fey mochte es, dass ein Gedanke den anderen produzierte, aber die Grundlagen waren zu schwammig. Keine Leiche, keine Zeugen, keine Waffe, nur ein vages Motiv und eine Handvoll Indizien. Das war zu dürftig, um damit Entscheidungen zu begründen.
10 Ghostfishing
Unabhängig voneinander hatten Pörschke und Haverkamp die gleiche Idee. Es lag auf der Hand, die Unschlüssigkeit der Polizei auszunutzen und selber tätig zu werden. Ein Abpumpen der Teiche hätte katastrophale Folgen für Fauna und Flora gehabt. Die pensionierten Senioren der beiden Vereine trafen sich in der Nacht zu Dienstag an ihren Teichen. Auch für die nächste Nacht war eine solche Aktion geplant. Dort wurde dann bis in die Morgenstunden nach Karpfen gefischt. Man wollte Fey Amber vor vollendete Tatsachen stellen. Der Entschluss fiel nicht vom Himmel, es hatte eine heiße Debatte gegeben. Bei den Halternern sorgte Michalzek mit einer passionierten Rede über Ehre und Vereinstreue für den Durchbruch. Haverkamp hatte zwar die Idee gehabt, aber Michalzek heimste den Applaus ein. In Dülmen musste Mani Kempinski eine Schlappe vor versammelter Mannschaft hinnehmen. Er hatte sich für den Gehorsam gegenüber der Polizei ausgesprochen und wurde wegen seiner arschkriecherischen Haltung von Pörschke niedergemacht. Der plötzliche Patriotismus in beiden Vereinen kam aber auch daher, dass man sich brüstete, in einem Mordfall Indizien mit dem Angelhaken ans Tageslicht befördert zu haben. Jeder stachelte den anderen an und alle waren sich einig, dass sie lediglich der Gerechtigkeit ein wenig unter die Arme griffen. Mani Kempinski wurde zum Ketzer gestempelt und unter der Hand als Memme bezeichnet. Er sah sich an den Rand gedrängt und kündigte an, Pörschke unter vier Augen zur Rede stellen zu wollen.
Am frühen Dienstagmorgen erhielt Fey Amber zunächst einen Anruf von Pörschke, der die ganze Nacht hindurch seine Köder gebadet hatte. Seine Stimme brodelte, denn er war Kettenraucher und seine Bronchien nahmen ihm übel, dass er nicht geschlafen hatte. Pörschke triumphierte.
„Hier wartet