Zanderblut. Wolfgang Wiesmann
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Er hatte richtig getippt. Es gab einen zweiten Ohrring mit einem Rubin.
6 Schmucke Idylle
Um zehn Uhr waren alle Angelplätze belegt. Pörschke machte seine Runde um den Teich, weil er es als seine Pflicht ansah, mit allen Mitgliedern kurz ins Gespräch zu kommen. Als er auf Mani Kempinski zuging, steckte er sich eine Zigarette an.
„Wir haben Glück mit dem Wetter.“
„Du siehst müde aus“, nuschelte Kempinski.
„Die Kollegen meinen, dass es um die Mittagszeit besser werden würde mit den Fängen. Bisher haben die meisten nur zaghafte Bisse von Rotaugen. Ein paar Schleien wurden gefangen und Bickhove hat vier Brassen. Was hast du?“
„Zwei Karpfen ohne Schmuck, wenn du es genau wissen willst.“
Gegenüber winkte ihnen ein Anglerkollege mit beiden Armen aufgeregt zu. Er konnte nicht rufen. Das hätte die anderen verärgert. Pörschke trat seine Zigarette aus, sah Kempinski alarmiert an und ging zu dem Mann, der bereits seinen Kollegen zur Rechten zu sich gewunken hatte.
„Was gibt’s?“, fragte Pörschke betont gelassen.
„Mensch, sieh dir das an. Das glaubst du nicht. In der Schwanzflosse des Karpfens steckt ein Ohrring.“ Pörschke beugte sich über den Fisch. „Tatsächlich, ein Ohrring mit einem blauen Stein. Damenschmuck, wie ich das sehe. Ob den jemand verloren hat? Und dann hat der sich dort festgesetzt?“
„Was Blöderes konntest du jetzt nicht sagen“, fuhr ihn der Kollege an. „Da hat jemand absichtlich den Ring reingesteckt. Dumme Geschichte. Was meinst du, Willi? Du bist doch Juwelier.“
Willi entfernte den Ring aus der Flosse und sah ihn sich an.
„Ein altes Stück. 333er Goldfassung und wahrscheinlich ein echter Saphir. Diese Art Schmuck verlor in den Nachkriegszeiten an Bedeutung. Könnte ein Erbstück sein. Der Karpfen ist höchstens zwei Jahre alt und der Schmuck sieht nicht so aus, als trüge ihn der Fisch schon seit seiner Geburt.“
Pörschke ließ die Männer reden. Vielleicht ergab sich dadurch die Lösung, nach der er fieberhaft suchte. Der Fänger des Fisches überlegte.
„Und du meinst, dass der Ring erst kürzlich im Karpfen befestigt wurde? Aber wie ist der Scherzbold an den Karpfen gekommen?“
„Er hat ihn gefangen, was sonst?“
„Dann ist das jemand aus dem Verein?“
„Oder aus einem anderen Verein“, schob Pörschke eilig dazwischen.
„Warum das?“
„Die von Haltern wollen uns für dumm verkaufen, halten uns zum Narren.“ Pörschke tat entschlossen. „Wir müssen den Fund geheim halten. Niemand von den Kollegen darf das an die große Glocke hängen, auch kein Wort an die Familie. Gebt das weiter an die Kollegen, die auch einen Karpfen mit Schmuck fangen, aber haltet sonst die Klappe. Die Komiker aus Haltern werden sich wundern, wenn wir zurückschlagen.“
Willi steckte den Ohrring ein.
Um die Mittagszeit schien die Sonne pur von einem stahlblauen Himmel herab. Einige Frauen waren gekommen, um ihren Männern einen Snack zu bringen und im Vereinsheim frischen Kaffee zu kochen. Es herrschte eine ausgelassene Stimmung. Für die Abendparty trugen Männer den großen Grill nach draußen. Die Kinder spielten im nahegelegenen Wald. Willi war damit beauftragt worden, die Wasserbecken im Vereinsheim zu säubern und anschließend mit Frischwasser zu füllen, damit die gefangenen Karpfen gewässert werden konnten. Die Fische verloren dadurch ihren moderigen Geschmack. Eine Woche später würden sie geschlachtet und in den Topf oder die Truhe kommen.
Willi hatte seine Jacke ausgezogen, weil ihm zu warm wurde. Seine Frau kam herbei und wollte den Wagenschlüssel holen und griff wie üblich in Willis Jacke. Der Ohrring rutschte ihr zwischen die Finger. Erstaunt sah sie sich das Schmuckstück an. Sie kannte ihren Mann nur zu gut. Als Juwelier würde er niemals Schmuck ohne eine entsprechende Verpackung bei sich tragen. Sollte sich jetzt etwa ihr Verdacht bewahrheiten, dass Willi eine heimliche Geliebte hatte? Sie hielt ihm den Ohrring unter die Nase.
„Und wie heißt die Dame dazu?“
Willi erschrak, blickte sich aber im selben Moment um und sprach hinter vorgehaltener Hand.
„Keine Bange. Den haben wir eben aus der Flosse eines Karpfens entfernt.“
Willi wurde von zornigen Blicken durchlöchert. Seine Frau drehte sich wortlos um und marschierte zu ihrer Freundin. Beide Frauen stellten Willi daraufhin zur Rede, was damit endete, dass Pörschke und der Fänger des geschmückten Karpfens als Zeugen antreten mussten. Noch vor dem nachmittäglichen Kaffeetrinken wussten alle vom Angelverein, was geschehen war.
Kempinski kam in Bedrängnis, denn nur er und Pörschke wussten von dem Fang mit dem Rubinohrring. Als dann aber ein dritter Karpfen mit einer Haarspange, die mit einigen Stichen um die Rückenflosse des Trägerfisches genäht war, gefangen wurde, packte Kempinski alle Details aus und Pörschke legte sich ins Zeug, der ganzen Geschichte eine neue Wende aufzudrücken.
„Wir müssen umgehend die Polizei verständigen. Hier geht es aller Voraussicht nach um ein Kapitalverbrechen, Mord nicht ausgeschlossen.“
Pörschke witterte einen harten Schlag gegen die Halterner. Wenn die Polizei den Täter fasste, und der konnte nur aus Haltern stammen, dann wäre dies das Aus für die Gegner im Rennen um den neuen Baggersee.
Das Abangeln wurde an diesem Nachmittag zu einer beispiellosen Attraktion, denn jeder, der nur eines Hakens habhaft werden konnte, hielt ihn ins Wasser und hoffte auf den großen Fang, einen Diamanten oder eine goldene Kette, vielleicht einen Ring mit dem Siegel des Täters.
Pörschke sprach mit der örtlichen Dienststelle der Polizei, die ihn weiter nach Münster verwies. Kommissarin Fey Amber nahm sich des Falles an und begab sich auf den Weg zum Dülmener Angelteich.
Als Hauptkommissarin der Münsteraner Kripo hatte sich Amber einen Namen gemacht. Die Zeiten ihrer Laufbahn, als sie noch athletische Einsätze auf der Jagd nach Verbrechern ablieferte, gehörten zur Vergangenheit. Sie war als brillanter Kopf bekannt und hatte das durch ihre unkonventionelle Denkart, Mut und konsequentes Handeln unter Beweis gestellt. Für die Frauen bei der Kripo in Münster hatte sie eine Lanze gebrochen. Die Vorurteile mancher männlicher Kollegen, besonders die gleichen Ranges, waren nach und nach verstummt. Hochgesteckte lange Haare, Lippenstift und Rock gehörten zu ihrem normalen Erscheinungsbild. Fey Amber war keine Quotenfrau, was sie unter Beweis stellte und was ihr viel Respekt einbrachte.
Sie traf um 17:45 Uhr am Teich in Dülmen ein. Pörschke begrüßte sie und zeigte ihr die kostbaren Fänge, die ihr wie ein Heiligtum auf einem weißen Deckchen präsentiert wurden.
„Wir haben insgesamt 82 Karpfen gefangen, vier davon waren mit Schmuck bespickt. Hier die Ausbeute: zwei Ohrringe, eine silberne Haarspange