Sohle Sieben. Jost Baum

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Sohle Sieben - Jost Baum

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mir mal an die Brust! Halt, warte! Woher weiß ich, daß du mich nicht verkackeierst?«

      »Hier, damit du Ruhe gibst«, zischte Jablonski. Mit einem Ruck wuchtete er den Tisch hoch und drehte ihn so, daß Hildesheimer unter die Tischplatte gucken konnte. Mit zwei Lagen Klebeband war eine kleine Flasche Weizenjunge darunter befestigt.

      »Gib her, erst mal kosten!« geiferte Hildesheimer.

      Jablonski riß die Klebestreifen ab, entfernte den Blechdeckel und schnupperte an der Flasche. Der Test war positiv. Es ekelte ihn. Vorerst bin ich wohl geheilt! grinste er in sich hinein. Vier Wochen Entzug hatten ihn trockengelegt. Jetzt war er blank wie eine Kirchenmaus, und sein Jahresurlaub war zum Herrn. »Hier, riech mal!« amüsierte sich Eddie und hielt Hildesheimer das Gesöff unter die Nase.

      »Mann, Jablonski, nimm dir die Kohle und dann her mit dem Zeug!«

      Eddie ließ sich das nicht zweimal sagen. Ein Griff in die Hemdtasche des Krüppels, und er hielt ein Bündel Zwanziger und Zehner in seiner Hand. Er nahm einen Schein nach dem anderen, hielt ihn prüfend gegen das Licht und murmelte halblaut vor sich hin, während er seinen Anteil in die Tasche steckte.

      Erst als alles zu seiner Zufriedenheit arrangiert schien, nahm er ein Zahnputzglas vom Waschbecken und goß den farblosen Fusel fingerhoch ein.

      Wie ein Verdurstender schluckte, schmatzte und gurgelte Hildesheimer das Gesöff hinunter. Seine Augen glänzten, als er um eine Zigarette bat.

      Während er rauchte und dabei schlaff in seinem Rollstuhl saß, stopfte Jablonski seine wenigen Habseligkeiten in einen Pappkoffer, den er zuvor unter dem Bett hervorgeholt hatte.

      »Mein Gott, Eddie, du mußt den Flachmann gut verschließen und ihn mir unter den Arsch schieben«, keuchte Hildesheimer, als er sah, daß Jablonski drauf und dran war, die gastliche Residenz zu verlassen.

      »Ich weiß ein besseres Plätzchen«, feixte Eddie und steckte Hildesheimer die Pulle unter eine der Binden.

      »Eddie, du Arschloch, das kannst du doch nicht machen!« zeterte der Krüppel, der in seinem Rollstuhl wie ein Ball auf und ab hopste, als Eddie auf den Gang trat und die Tür hinter sich ins Schloß zog.

       Zweites Kapitel

      Gut 2,7 Promille auf der nach oben offenen Branntweinskala hatten ihn den Führerschein und den betagten Dieselbenz gekostet, den er in trunkenem Zustand gegen eine Leitplanke gesetzt hatte. Der Rettungsdienst der Feuerwehr mußte ihn mit einem Schneidbrenner aus dem Wrack befreien, dessen Entsorgung ihn die letzten Pfennige gekostet hatte. Der Unfallarzt stellte außer einem Schlüsselbeinbruch eine von Alkohol geschwollene Leber fest und riet ihm zu einer Entziehungskur, die er widerwillig antrat, um nicht auch noch seinen Job beim Bochumer Stadtanzeiger zu verlieren.

      Wie er nun mit seinem Pappkoffer in der Hand und seinem Trenchcoat über dem Arm vor dem Tor der Klinik in die Maisonne blinzelte, schien es ihm, als sei ihm das Leben zum zweiten und vielleicht letzten Mal geschenkt worden.

      Schon nach wenigen Metern Fußweg schwitzte er. Er tastete nach einem Taschentuch und lüftete den Hut, den er zum Schutz gegen die Sonne in die Stirn gezogen hatte.

      Während er die Landstraße entlangstolperte, blieb er immer wieder stehen, setzte den Koffer ab und hielt den Daumen raus. Niemand in der an ihm vorbeirauschenden Blechlawine nahm Notiz von ihm oder sah sich gar genötigt anzuhalten, um den müden Wandersmann ein Stück des Weges mitzunehmen.

      Eddie atmete erleichtert auf, als er endlich den Glaskasten der Bushaltestelle erreichte, den Koffer absetzen und sich auf den roten Plastiksitz fallen lassen konnte, der auf ein Eisengerüst geschraubt und von einem findigen Sprayer mit ein paar undefinierbaren Schriftzeichen verziert worden war.

      Ein orange-blauer Gelenkbus, in dem er einige Zeit der einzige Fahrgast war, schaukelte ihn an blühenden, leuchtend gelben Rapsfeldern vorbei und setzte ihn eine gute Stunde später am Essener Hauptbahnhof ab.

      Mit starr geradeaus gerichtetem Blick gelang es Jablonski, an den Arbeitslosen, Pennern und Drogensüchtigen vorbeizusteuern, die dort herumlungerten und sich an einer Bierdose oder einem Flachmann festhielten. Ganz hinten im Gaumen spürte er das leichte Kribbeln, das ein frisches Pils bei ihm hervorrief, bevor es durch die Kehle ran.

      Du hältst dich gut, alter Junge! klopfte Eddie sich selbst auf die Schulter, während er gelangweilt die Reklametafeln betrachtete, die für Weinbrand warben und an denen er vorbeirauschte, als er endlich in einem Zug saß, der ihn nach Bochum bringen sollte.

       Drittes Kapitel

      Es war schon Nachmittag, als er dem Chefredakteur gegenübersaß. Eddie hatte Mühe, die Augen offenzuhalten, während ihm Pohlig die ausgeklügelten Speisenfolgen des toskanischen Landhotels erläuterte, in dem der Mann bald seinen Sommerurlaub verbringen wollte.

      Ein schüchternes Klopfen und ein fast unhörbares Räuspern unterbrachen Pohlig. Unwirsch bat er den Störer herein. Rehnagels Kugelbauch schob sich als erstes durch die Tür. Eine Eiterbeule, die an dem sonst spindeldürren Körper zu kleben schien.

      »Tschuldigung, daß ich unterbreche«, nuschelte der Fotograf, »aber da war ein dringender Anruf.«

      Erst jetzt nahm er Eddie wahr, der tief in die Polster des Sessels gesunken war, der sonst nur offiziellem Besuch angeboten wurde. Ein Umstand, den Jablonski stets ignorierte, wenn er zu seinem Chef gerufen wurde. Rehnagel grinste über beide Wangen, als Eddie ihm freundlich zunickte und den Arm ein wenig hob, um ihm zuzuwinken.

      »Was gibt's denn?« fauchte Pohlig mürrisch.

      »Ein schwerer Autounfall auf der A 44. Der Wagen hat Feuer gefangen. Man hat einen Metallbehälter im Kofferraum gefunden. Jedenfalls alles sehr merkwürdig«, erklärte Rehnagel hastig, immer auf dem Sprung, um das Büro seines Chefs so schnell wie möglich zu verlassen.

      »Na, Jablonski, wäre das nichts für Sie? Als Wiedereinstieg sozusagen?« grinste Pohlig mit süffisantem Unterton.

      Jablonski nickte. Ihm war es im Moment egal, womit er seine Brötchen verdiente.

      »Ach, ehe ich es vergesse, Kampmann übernimmt die Stallwache, wenn ich im Urlaub bin«, rief er Eddie hinterher, den diese Nachricht für eine Sekunde aufatmen ließ, da sein Verhältnis zu Kollege Kampmann mehr als entspannt war.

      Zwei Etagen tiefer, am Ende eines langen Ganges, entwickelte sich währenddessen eine kleine, aber ausgelassene Stehparty, deren Mittelpunkt Fräulein Müller, eine füllige Dame mittleren Alters, war. Ihre Aufgabe in der Redaktion bestand darin, die Fahrtkosten der Redakteure auf Heller und Pfennig nachzurechnen und die Zeilenhonorare der freien Mitarbeiter möglichst niedrig zu halten.

      Sie begrüßte Eddie mit einem Glas Sekt in der einen und einer Kognakbohne in der anderen Hand, wobei sie etwas von einem verlorenen Sohn faselte, der extra zu ihrem Geburtstag erschienen sei. Eddie nickte freundlich nach allen Seiten, holte seinen Notizblock und den handtellergroßen Kassettenrecorder aus der Schublade seines Schreibtisches und konnte gerade noch mit einem eleganten Bogen die ihm angebotene Sektpulle umschiffen, indem er etwas von einem wichtigen Auftrag nuschelte, bevor er eilig hinter Rehnagel die Treppe hinunterstolperte.

      »Erzähl doch mal, Eddie! Wie war's denn auf Mallorca? Bist ja gar nicht braungebrannt! Schlechtes Wetter gehabt?« Rehnagel startete seinen Käfer und würgte den ersten Gang rein.

      »Tja,

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