Und die Titanic fährt doch. Ulrich Land
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Schließlich geht es um wahre Unsummen von Geld und einen gigantischen Imageschaden. Wenn ich mich nicht selbst gleich hier an Bord aus dem Leben schieße, dann werde ich wohl jede noch so überzogene Wette drauf halten können, dass ich noch vor dem ersten Anhörungstermin der Untersuchungskommission aus dem Weg geräumt sein werde. Von den Helfershelfern der Figuren, die ein fulminantes Interesse daran haben, dass ich keine, aber auch gar keine Aussage zum Schottsystem der Titanic mache! Nicht dass die ganze Chose der Werft, der Reederei und den amtlichen Schiffskontrolleuren auf die Spreiz-, Senk- und Plattfüße fällt!
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8
Das ist … das fühlt sich an wie … wieso knistert da … das ist Papier. Was hat ein Papier in der Brusttasche meines frisch gebügelten, grade auseinandergezupften Hemds verloren? Wer hat das da reingesteckt und wie? Ich jedenfalls nicht. Wüsste ich. Müsste ich doch wissen. Ich stecke mir doch keinen Zettel ins Hemd, wenn‘s grade aus der Bügelstube … eine von den Büglerinnen? Jedenfalls eine Frauenschrift auf der Rückseite des säuberlich zusammengefalteten Blattes: »Mr Murdoch persönlich«. Na ja, aber sicher doch, das Postgeheimnis ist uns heilig. Wir befinden uns schließlich an Bord eines Royal Mail Ships. Haha, sehr witzig, William. Jedenfalls handelt es sich bei dem Wisch nicht um einen Geheimbrief an den Gefangenen Murdoch. Ziemlich sicher, dass das Ding vor der Havarie, und also bevor sie mich festgesetzt haben, in meiner Hemdtasche landete. Danach hat bloß noch Lightoller den Hemdenstapel in der Hand gehabt, als er nach der Festnahme meine sieben Sachen zusammenraffte und mir hier runter in die Haftkabine brachte. Aber Lightoller hat keine Frauenschrift.
Was also will eine Büglerin mir stecken? Kann mir mal einer sagen, wieso die ihren Namen nicht nennt?! Zur Besatzung gehören, wenn ich recht informiert bin, dreiundzwanzig Frauen. Keine Ahnung, welche Tätigkeitsfelder die beackern. Bügeln, nehm ich mal schwer an. Und absolut keine Ahnung, welche von denen jetzt noch an Bord sind und welche inzwischen mit der Olympic unterwegs sind. Richtung Festland.
Dorothy. Das war unter Garantie diese immer breiter grinsende Dorothy – ist die nicht die Vorarbeiterin der Waschfrauen und Büglerinnen? Jedenfalls kein Kunststück für so eine, meinem Hemd einen Zettel unterzujubeln. Aber, bei aller Liebe zum Personal, was hab‘ ich mit denen zu schaffen? Anmaßend, natürlich, eine Frechheit, ich meine, ich leg ja nicht sonderlich Wert auf Standesgrenzen, Sitten und Dings, aber alles was recht ist, also ein bisschen Contenance kann nicht verkehrt sein. Ich meine, ich gehöre, gehörte immerhin zu den höchsten Offizieren. Master next Master next God. Oder die Stenotypistin, ist das deren Schrift?
»... jedesmal wenn ich Sie zufällig auf Deck oder über den Gang gehen sehe, bleibt mir das Herz stehen ...« He, holla, das nenn ich geraderaus! Die hat Mumm, Mann. Für eine Frau ordentlich Mumm! Und dann noch als Waschweib, na ja, gehobenes Waschweib. Und keinen Rechtschreibfehler. Also vielleicht doch Tippse oder was. »... und es kam in den letzten paar Tagen gar nicht so selten vor, dass ich Sie in Ihrer stattlichen Uniform und mit durchgedrücktem Rücken ...« Dacht‘ ich‘s mir doch, das ist es. Das Übliche. Eine Uniform ist für ein Weibsbild einfach ein Magnet und bleibt einer. Manchmal glaubt man nicht, wie einfach die Welt gestrickt ist. Ein anonymer Schmachtbrief an den Träger einer schmucken Uniform. Vielleicht ist der einsame Seebär mit steifem Kragen und geschniegeltem Revers ja noch zu haben. Am Hungertuche jedenfalls wird die Verehrerin, so sie ihn an Land gezogen bekommt, nicht nagen. Und auch dass der alte Nörgelfritze 80% seines Lebens unterwegs auf den Tümpeln dieser Welt ist, muss ja nicht unbedingt von Nachteil sein. Kann die Frau ihr Leben leben und keiner redet ihr rein. Aber jetzt, wo sie jetzt weiß, der Angebetete, Mister Murdoch hockt auf seiner Haftpritsche und starrt in den Spiegel der Einsamkeit, arrestiert, um sich Gedanken zu machen über die Geschicke der christlichen Seefahrt, festgesetzt, damit er ein ums andre Mal die Havariesekunden Revue passieren lässt und sich das Hirn zermartert, unter dieser Voraussetzung würde die holde Verehrerin sich wahrscheinlich am liebsten ein Monogramm in den Hintern beißen wegen ihrer forschen Avancen. Schließlich hätte sie für einen Häftling unter zigfachem Tötungsverdacht garantiert keine Anstrengung unternommen, sich ranzuschmeicheln, ranzuschmeißen, ein noch so winziges Zettelchen in seine Haftkabine zu schmuggeln. Schon den Bleistift in Bewegung zu setzen, wäre zu viel des Guten. Verlorene Liebesmüh.
Wobei, der eigentliche Skandal, alter Bursche, ist ja, dass du Blödmann nichts gemerkt hast. Vielleicht, ich mein, weiß man doch nicht, hätte doch schön sein können. Je nachdem welches Exemplar von den dreiundzwanzig Evastöchtern an Bord es nun war. Hätte man sich die eine oder andre Schichtpause ein bisschen versüßen können. Nur weil sie den Büglerinnen auf die Finger schaut oder den Stenostift übers Papier jagen lässt, muss man sie ja nicht gleich von der Bettkante schubsen. Vielleicht, wenn sie, womöglich, ihrem Schädel nichts Wesentliches zu entlocken weiß, dann weiß sie vielleicht, wie man die Schenkel in Bewegung setzt. Womöglich.
Aber du Idiot hattest nur einen Blick für Miss Titanic.
Und? Hat sich‘s gelohnt?
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9
Ein Schrei! Ein unglaublich schriller Schrei. Draußen, direkt vor meiner Tür. Eine Frau, die ihrem Schlächter begegnet ist. Mindestens. Was weiß ich, was sich da draußen im Gang für ein Gesindel rumtreibt. Wieso eigentlich Frau? Hab‘ ich nicht grade noch von den dreiundzwanzig Kutterfrauenzimmern gesprochen? Also wenn‘s eine Frau war, dann war der Schlächter eine Maus.
Klatsch, die Tür geht auf, schlägt gegen die Holzvertäfelung, fliegt federnd ein Stück zurück, aber da hat die Nurse schon ihren Fuß in der Tür. Beziehungsweise ihren nun wahrlich hübsch anzusehenden Leib. Steht mit schreckverzerrtem Gesicht auf der Schwelle, reißt die Augen auf und ringt um Luft. Ein traumatischer Schock eingraviert auf dieser süßen weichen Stirn. Es kann nur eine Maus gewesen sein.
»Sie, Sie ...«, stammelt sie.
»Sie dürfen überhaupt nicht hier reinkommen«, gebe ich barsch zurück, »und mit mir sprechen schon gar nicht.«
»Könnten Sie mal nachsehn, da … da war eine ...!«
»Eine Maus?«
Ihr »Fürwahr« fällt dann schon wieder als Schrei aus. »Ein Riesenbiest«, kreischt sie, »aber … aber woher wissen Sie?«
»Und was soll ich da jetzt gegen unternehmen?«
»Wegmachen, töten, vernichten – ich weiß es nicht.«
»Das ist doch die gute Seele hier auf dem Gang.«
»Was, wie, Sie kennen die?«
Bevor es noch absurder wird, nehme ich ihre Hand, ziehe sie in meine Kabine und lege die Tür ins Schloss. Ich meine, wann hat man als Strafgefangener unter der Obhut des Gott- und Majestätsvertreters zur See schon mal Gelegenheit, eine weibliche Schönheit in seiner Haftkabine verschüchtert von einem Bein aufs andre treten zu sehen! Und das bei derart schlanken Fesseln, traumhaft zart geschwungenen Fußknöcheln. Ich weiß auch nicht wieso, aber ist nun mal meine Obsession: der Blick auf die, sagen wir: Fußtaille. Es gibt nichts Eleganteres als gertenschlanke Untergestelle. Und andersrum: Fällt der Anfang der Beine am Boden schon plump aus, dann kann man getrost davon ausgehen, dass der Rest als Stempel durchgeht. Diese Exemplare hier jedenfalls sind edel!
»Ich