Münster - Noch mehr wöchentliche Geschichten. Carsten Krystofiak
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An Eisbären, CO2 und Klimawandel dachte damals noch niemand. Statt Klima gab‘s halt nur Wetter. Trotzdem sollte man auf meteorologische Kapriolen vorbereitet sein (siehe Bild) …
Das selbstgebaute U-Boot auf dem Kanal bietet besten Schutz vor dem nächsten »Jahrhundert«-Hochwasser!
In dieser Woche im Jahr 2000 …
… starb Roxy Heart.
Gerd Kreikenbaum war Student beim schon zu Lebzeiten legendären »Totalkünstler« Timm Ulrichs an Münsters Kunstakademie. Das Berufsverbot für (mutmaßliche) politische Extremisten machte einen Strich durch eine Lehrerstelle.
Also wurde Kreikenbaum eben freier Künstler, nannte sich fortan »Roxy Heart« und passte sein Äußeres dem Künstlernamen phantasievoll an.
Einige damals innovative Ausstellungen brachten ihm erste Achtungserfolge. In Münsters Alternativszene wurde der junge Mann schnell prominent. Auch in der Lokalpresse machte Roxy Heart von sich reden.
Seinen größten Erfolg hatte er mit seinen »Traumkästen«: Vitrinen, in denen er Plastikspielzeug und Kuriositäten zu bizarren Welten inszenierte.
Doch mit Anbrechen der 1980er Jahre endete die Ära Heart. Seine skurrile Kunst und sein Hippie-Outfit passten nicht mehr zum hektischen Zeitgeist der Achtziger. Der zierliche Mann wirkte seltsam aus der Zeit gefallen. Roxy Heart zog sich in seinen eigenen Traumkasten zurück – seine Wohnung in der Wermelingstraße im Kreuzviertel. Dort fand ihn Mitte Januar 2000 sein Nachbar, der Musiker Roger Trash, tot am Küchentisch sitzend. Steffi Stephan übernahm Hearts Traumkästen und stellte sie in der Discothek Ex-Bad aus, die sich bis 2003 in der ehemaligen Germania-Brauerei befand. Heute stehen noch einige von Roxy Hearts Kunstwerken im Café Kling Klang.
Weiße Cowboystiefel waren in den 80ern nicht mehr hip. Für Roxy Heart leider eine dramatische Existenzkrise.
In dieser Woche im Jahr 1955 …
… kam es zum Krach um die Kellerfenster.
Im Oktober 1943 pulverisierten alliierte Bomber Münsters Altstadt. Den Piloten hatte man gesagt: »Euer Ziel sind die Stufen des Doms.« Sie hatten gut gezielt; der Dom blieb als Ruine zurück. Unter anderem wurde das Hauptportal an der Westseite, Richtung Überwasser, zerstört.
Nach dem Krieg wurde der Dom, so gut es ging, originalgetreu wieder aufgebaut. Nur das Hauptportal an der Westwand wurde einfach zugemauert und der Eingang auf den Domplatz verlegt.
Die Münsteraner murrten und maulten darüber. Doch endgültig lief das Fass über, als sie die Pläne für die neuen Fenster in der Westwand sahen! Statt der mittelalterlichen gotischen Fenster, hatte ein Prof. aus Trier 16 kreisförmig angeordnete Rundfenster entworfen. Die Münsteraner waren außer sich: Auf den Leserbriefseiten der Lokalzeitungen tobte ein Sturm der Empörung.
Der SPIEGEL berichtete über den Architekturstreit und bewunderte: »Mit fast berlinerischer Treffsicherheit haben die Einwohner von Münster für die kahle Westfassade mit der Lochrose schon zwei neue Namen gefunden. Sie nennen sie »Wählscheibe« und »Seelenbrause«.« Sie hatten sogar noch einen dritten: »Kellerfenster«, in Anspielung auf Bischof Keller, der den Auftrag zum Bau erteilte. Doch Münsters konservativer Landeskonservator lehnte die Pläne einfach als »untragbar« ab. Es musste erst der (evangelische) Kultusminister eingreifen, um den Bau durchzudrücken.
Die Münsteraner haben Bischof Keller nie vergeben: Er wurde nicht mehr warm mit seiner Gemeinde.
»Seelenbrause«, »Wählscheibe«, »Kellerfenster« – Münsters Wut-Katholiken hassten die neue Dom-Architektur.
In dieser Woche im Jahr 1634 …
… wurde »der Hexer« verbannt.
Nicht nur Frauen konnten Opfer der Hexenverfolgung werden – in Münster erwischte es Evert Heggemann.
Eigentlich fing alles mit einem Nachbarschaftsstreit an. Der 38-jährige Tuchhändler wurde von seinem Nachbarn Bernd Kock wegen Zauberei angezeigt. Zwei Kühe Kocks, die aus einem Korb gefressen hatten, den sich Heggemann zuvor ausgeliehen hatte, waren gestorben.
Doch viel verdächtiger erschien den Behörden, dass Heggemann sich gegen den Hexenvorwurf nicht mit einer Gegenklage verteidigte. Darum wurde ein Verfahren eröffnet.
Plötzlich fanden sich etliche Zeugen, die sich erinnern konnten, dass ihnen die merkwürdigsten Dinge zugestoßen waren und immer hatte dieser Heggemann etwas damit zu tun. Nicht gerade entlastend wirkte sich aus, dass Heggemanns Vater bereits in Davensberg wegen Hexerei verbrannt worden war. Insgesamt wurden zwanzig Zeugen gehört, deren Aussagen immer abstruser wurden.
Nach drei ergebnislosen Verhören ordnete das Gericht die Folter an. Außerdem wurde Heggemanns Körper auf Teufelsmale untersucht. Beides ohne Ergebnis.
Bei einer weiteren Folterung gestand Heggemann wenigstens ein anderes Delikt: Er gab ein Verhältnis mit einer verheirateten Hiltruperin zu. Immerhin. Der Stadtrat nutzte dies, um den lästigen Fall von den Hacken zu kriegen: Man verbannte Heggemann kurzerhand aus Münster und war damit die ganze Affäre elegant los.
Seine Frau wurde ebenfalls der Hexerei beschuldigt, wehrte sich aber mit einer Beleidigungsklage. Der Denunziant musste eine Geldstrafe zahlen.
»Opa Gandalf«: Heggemann konnte keine Zauberei nachgewiesen werden. Sein Glück beim mittelalterlichen Strafkatalog!
In dieser Woche im Jahr 2004 …
… kam der seltsame Dr. Rath nach Münster.
Der Fall ging durch die gesamte deutsche Presse: Der Wissenschaftler Dr. Rath hatte den verzweifelten Eltern des krebskranken Dominik versprochen, ihren Sohn mit seiner »Zellularmedizin« zu heilen. Münsters Uniklinik-Direktor Prof. Jürgens griff Rath daraufhin öffentlich als Scharlatan an. Die Mediziner lieferten sich einen juristischen und publizistischen Kampf, bei dem beide heftige Tiefschläge austeilten.
Rath nannte Jürgens einen »Handlanger des Pharmakartells« und erstattete Anzeige wegen versuchten Totschlags, weil sich der Zustand des kleinen Dominik unter der Chemotherapie von Jürgens zusehends verschlechterte. Jürgens ließ im Gegenzug den Eltern von Dominik das Sorgerecht entziehen, um Rath den Zugang zu dem kranken Jungen zu verbauen.
Das Landgericht Münster hatte sich mit den gegenseitigen Anschuldigungen auseinanderzusetzen und entschied zugunsten des Uniklinik-Profs. Rath ließ das nicht auf sich sitzen und organisierte eine Deutschlandtour mit einem Vortrag über den Fall aus seiner Sicht. Die Show wurde von einer imposanten (und sicher sehr teuren) Werbeaktion begleitet: Rath ließ Großflächenplakate kleben und Broschüren an alle Haushalte verteilen.
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