Münster - Noch mehr wöchentliche Geschichten. Carsten Krystofiak
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… fanden Hinrichtungen in Münster nicht mehr öffentlich statt.
Der erste Vollzug der Todesstrafe, der nicht mehr im öffentlichen Raum zum Grusel und Gaudium der Münsteraner geschah, fand am 2. April 1853 statt. Dazu hatte man sich nach dem Neubau des Landgerichtsgefängnisses und des »Zuchthauses« an der Gartenstraße entschlossen, weil der Auflauf, den eine öffentliche Enthauptung jedesmal verursachte, als nicht mehr zeitgemäß galt.
Der erste Delinquent war der Kötter Anton Heuermann aus Lüdinghausen, der wegen Totschlags an seinen Eltern verurteilt war. Sein Gnadengesuch wurde abgelehnt. Das standardisierte Antwortschreiben sagt, »der Gerechtigkeit soll freier Lauf gelassen werden«. Als Richtstätte wählte man einen Innenhof hinter dem Hauptgebäude. Die »Hinrichtung mit dem Beile« war auf sieben Uhr morgens angesetzt.
Um vier Uhr früh empfing der Delinquent in der Kapelle seine letzte Kommunion (Ein Bericht vermerkt, dass die beiden mit Gewehren bewaffneten Wachmänner vor Mitleid weinten!).
Dann bimmelte das »Armesünderglöckchen« – das Signal. Der Scharfrichter kam erst zum Hinrichtungstermin von auswärts angereist. Er trug Frack, Zylinder und weiße Handschuhe.
Das Schafott hatten seine Henkersknechte schon am Vorabend aufgebaut. War alles vorbei, läutete abermals ein Kapellenglöckchen. Kopf und Körper des Hingerichteten wurden in einen Sarg gelegt, der sogleich zum Anstaltsfriedhof an der Gartenstraße (gegenüber der Einmündung Kolpingstraße) gefahren wurde.
Die letzte Hinrichtung fand Mitte der 1930er Jahre statt. 1949 wurde die Todesstrafe in Westdeutschland abgeschafft.
Schockwerbung vor hundert Jahren. Heute wird nur noch beim Fußball geköpft.
In dieser Woche im Jahr 1950 …
… wurde Zimmermanns Villa verpachtet.
Kurz nach Beginn des 20. Jahrhunderts kaufte der erfolgreiche Unternehmer Zimmermann vom Baron von Druffel ein großes Grundstück mit der Flurbezeichnung Uppenberg, um sich dort eine herrschaftliche Villa zu bauen.
Zimmermann hatte die Münsteraner Zigarettenmarke »Dreizehnlinden« gegründet. Der Tabak dafür wurde in Altenroxel angebaut.
Durch Heirat mit der Verlegerfamilie Hüffer verbunden, gehörte Zimmermann zu Münsters Establishment und zeigte das auch: Die Diele der Villa war zwei Geschosse hoch, die Galerie umkränzten goldene Ornamente. Blickfang war der grüne Neptunbrunnen, verstärkt durch die wandhohen Spiegel des Marmorsaales. Im Wintergarten an der Rückseite hätte eine kleine Doppelhaushälfte verschwinden können.
Die Villa lag genau an der Kreuzung Grevener Straße und Burloh, die heutige Bushaltestelle Am Burloh hieß damals »Villa Zimmermann«.
Die Villa blieb im Krieg völlig unzerstört und wurde 1945 von einrückenden Amerikanern beschlagnahmt. 1950 pachteten Ordensschwestern das Gebäude samt der 70.000 qm Land. 1958 übernahm die Innere Mission der Evangelischen Kirche den Besitz und verkaufte ihn zwei Jahre später an die Aachener Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft. Diese plante hier den Bau von Mehrfamilienhäusern und ließ die Villa 1971 abreißen. Die Bebauung wurde nie ausgeführt. Ein Teil des alten Parks liegt bis heute brach.
Heute Brachgrundstück, früher eine der prachtvollsten Villen der Stadt mit eigener Bushaltestelle.
In dieser Woche vor 424 Jahren …
… wurde der Droste erstochen.
Dort wo heute an der Aegidiistraße das Kolpinghaus-Stadthotel ist, stand im Mittelalter der Adelshof der Familie Von Morrien. In dem feudalen Palais fand eine rauschende Hochzeitsfeier statt. Zu später Stunde brach unter zwei angetrunkenen Domherren ein hitziger Streit aus. Plötzlich war die Party vorbei: Berndt von Oer semmelte Johann von Torck voll eins auf die Zwölf. Der Droste zu Senden stauchte Oer zusammen und warf ihn hinaus. Torck wurde festgehalten, um eine weitere Prügelei zu verhindern.
Als der Droste die Location verließ, lungerte Oer noch vor der Tür herum. Beide provozierten sich verbal, doch der Droste wandte sich ab und ging die Aegidiistraße hoch nach Hause. Er ahnte nicht, dass Oer und sein Freund Westerholt ihm nachschlichen.
Als Droste in die Lütke Gasse einbog, holten sie ihn ein und machten ihn Messer … Dabei verloren die Mörder aber einige Klamotten, sodass sie schnell identifiziert wurden. Doch für die Ermittler wurde der Fall jetzt kompliziert. Die Täter waren in den Dombezirk geflüchtet. Weil sie Geistliche waren, durfte Münsters Gericht sie dort nicht verhaften lassen. Der Bürgermeister ließ darauf den Domplatz absperren und verlangte die Auslieferung. Nach einigem Hinauszögern wurden beide überstellt, aber vom Fürstbischof nach zwei Jahren milder Haft entlassen. Die Stadt Münster erließ neue Haftbefehle, die aber erst über 20 Jahre (!) später in Kraft gesetzt wurden. Die Mörder waren schlau genug, sich nicht mehr in Münster blicken zu lassen.
Tatort Lütke Gasse. Adelige Domherren unter sich: »Ich geb‘ dir Faust, Alter!« »Ich mach‘ dich Messer!«
In dieser Woche im Jahr 1940 …
… zog Heinrich Lankenau in die Villa ten Hompel.
Der neureiche »Zementkönig« Rudolf ten Hompel hatte sich eine dicke Villa am Kaiser-Wilhelm-Ring gebaut. Dummerweise hatte er auch das Finanzamt beschissen und so wurde seine Villa gepfändet.
Ab April übernahm die Ordnungspolizei das Protzgebäude. Neuer Hausherr wurde Heinrich Lankenau.
Dessen Dienstherr war Heinrich Himmler, Chef der Deutschen Polizei und »Reichsführer SS«, hinter vorgehaltener Hand auch als »Reichsheini« verlacht.
Himmler ernannte Lankenau in Westfalen zum Befehlshaber der Ordnungspolizei, durch den Abkürzungsfimmel der Nazis offiziell zu BdO zusammengestrichen. Himmler kam seinen BdO sogar mal besuchen, bei einer Blitzvisite in Münster, bei der er im noblen Hotel Fürstenhof am Verspoel abstieg, das später zum Kino umgebaut wurde.
Lankenau hat nie einen Menschen misshandelt, er war der typische Schreibtischtäter: Er stellte aus Polizeizügen Wachmannschaften für Deportationen und für das Ghetto von Warschau zusammen. Seine vierzig Büromitarbeiter fanden, dass er ein sehr netter und gutmütiger Chef war.
Im Frühling 1941 freute er sich über seine Ernennung zum SS-Brigadeführer, das entspricht immerhin einem Generalmajor.
Die Ernennungsurkunde mit Hitlers Unterschrift rahmte er sich stolz über seinem Schreibtisch ein.
Nach Kriegsende ging er ironischerweise wie Rudolf ten Hompel in die Zementindustrie. Als Rentner schrieb er ein Buch über seine Polizeieinheiten im Kriegseinsatz: Natürlich hatten sie niiie etwas verbrochen …
Lankenau starb als über 90-jähriger Pensionär in Ostwestfalen.
Adolf Hitler auf dem Balkon der Villa ten Hompel? Nein, der Kabarettist Andreas Breiing in einer szenischen Darstellung.
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