Münster - Jede Woche hat ihre Geschichten. Carsten Krystofiak

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Münster - Jede Woche hat ihre Geschichten - Carsten Krystofiak

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      Donnerwetter in Münsters Architektur: Der »Picasso-Blitz« hat am Portal des Stadttheaters eingeschlagen.

      In dieser Woche im Jahr 1959 …

      … wurde Münsters City langsam autofrei.

      Mitte Januar 1959 diskutierte der Stadtrat erstmals über eine Sperrung des Prinzipalmarktes für den Autoverkehr. Keineswegs aus Sorge um Umwelt und Gesundheit; CO2 und Feinstaub waren damals noch unbekannte Vokabeln. Es war die nackte Verzweiflung über das Verkehrschaos, das sich täglich in Münsters Innenstadt abspielte. Die Ecke Ludgeristraße/Klemensstraße/Prinzipalmarkt war ein besonders neuralgischer Verkehrsknotenpunkt: Hier ging zu Stoßzeiten nichts mehr. An der Ecke Salzstraße/Erbdrostenhof standen die geparkten Autos zweireihig in der Verbindungsgasse zur Clemenskirche. Wer Pech hatte, musste stundenlang warten, bis er seinen Wagen wieder aus der Blechschlange befreien konnte. Selbst bis vors Schloss durfte man damals fahren. Mittags, wenn hunderte Studis aus der Vorlesung in ihre Autos sprangen, um mal eben zur Mensa zu fahren, bewegte sich auch hier erstmal nichts mehr. In dem münsterschen Roadmovie »Alle Jahre wieder« aus den 1960ern zeigt die Kamera noch eine Autofahrt des Protagonisten durch die Ludgeristraße. Wenn der Bischof zur offiziellen Auto-Segnung vor dem Dom lud, kollabierte auch rund um den Domplatz der Verkehr. Dabei wurde schon 1962 das erste Parkhaus an der Stubengasse eingeweiht. Etwa zur selben Zeit wurde die Ludgeristraße für Autos gesperrt. Ab 1973 durfte man zunächst nur an Samstagen Klemensstraße, Rothenburg und Prinzipalmarkt nicht mehr befahren. Erich von Däniken schrieb damals über Münster: »Ich möchte verweilen, finde aber keinen Parkplatz. Schade. Auf Wiedersehen, Münster.«

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      Heute unvorstellbar: Damals fuhren die Studis noch mit dem PKW zur Vorlesung und verstopften täglich die Zufahrt zum Schloss.

      In dieser Woche im Jahr 1536 …

      … wurden die Wiedertäufer hingerichtet.

      Nachdem die Truppen des Bischofs durch Kreuztor und Jüdefelder Straße die Stadt einnahmen und von den Wiedertäufern zurückeroberten, ereilte die Täuferprominenz das Strafgericht. Geschnappt wurden Täuferkönig Jan van Leyden und »Schwerthalter« Bernd Knipperdolling (dessen Nachname übrigens »Kleiner Furz« bedeutet). Da Kanzler Heinrich Krechting entkam, hielt man sich an seinen Bruder Bernd. Das Urteil lautete: »Ihnen soll alles Fleisch mit glühenden Zangen von den Knochen abgerissen und dann Gurgel und Herz mit glühenden Eisen durchstoßen werden.« Prost Mahlzeit! Am 22. Januar 1536 wurden sie vor dem Rathaus auf ein Holzpodest geführt und an Pfähle gebunden. Bischof Waldeck sah von gegenüber genüsslich zu. Vier Stunden dauerte die Folter! Während Leyden sich jeden Schmerzensschrei eisern verbiss, versuchte Knipperdolling, sich angesichts der glühenden Zangen an seinem Halseisen zu erdrosseln, wurde aber brutal daran gehindert. Endlich erlöste man die Täufer durch Dolchstöße und zog ihre Körper in den bekannten Käfigen am Lambertikirchturm hoch. Leyden in der Mitte, Knipperdolling links, Krechting rechts. Noch nach 50 Jahren sollen letzte Fetzen zu sehen gewesen sein. Die Folterzangen wurden am Rathaus angebracht (und sind heute im Stadtmuseum). Damit war die Bewegung aber noch nicht ausgelöscht. Noch zwei Jahre später kam es in Greven zu einer Täuferversammlung mit immerhin hundert Teilnehmern. Kanzler Krechting schaffte es nach Ostfriesland, wurde Kirchenvorstand und lebte noch bis 1580 …

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      Aua, das tut weh! Vier Stunden lang wurden die Wiedertäufer mit extra in Dortmund angefertigten Zangen bearbeitet.

      In dieser Woche im Jahr 2007 …

      … wurde die MZ-Redaktion entsorgt.

      Anfang des Jahres kam der damalige Verlagsgeschäftsführer der Münsterschen Zeitung im Auftrag seines Dortmunder Traditionsverlegers Lambert Lensing-Wolff in die MZ-Lokalredaktion und erklärte den fassungslosen Mitarbeitern, sie seien überflüssig. Laptops und Firmenhandys konnten sie gleich abgeben. Zur Begründung hieß es, sie wären eben faul, träge und unkreativ. Dabei hatten die Redakteure bereits lange zuvor selbst ein Innovationskonzept verfasst und dem Redaktionsleiter als Anregung übergeben. Der hatte die Erneuerungsvorschläge jedoch mit dem Hinweis verworfen, sowas sei völlig unnötig. Die Nachricht vom ungalanten Rauswurf verbreitete sich rasant und schlug hohe Wellen. Die allgemeine Solidarisierung führte zu massiven Abo-Kündigungen. Höhepunkt der Proteste war eine Kundgebung sämtlicher Vertreter von Münsters Medien- und Kunstszene mit über tausend Gästen und einem Spontanauftritt von Götz Alsmann. Die Stimmung war explosiv; Lensing-Wolff tat gut daran, nicht zu erscheinen. Die MZ gibt es trotzdem noch. Die Mitarbeiter arbeiten heute teils zu außertariflichen Bedingungen. Doch was damals noch Massen empörte, wirkte als Dammbruch in der Verlagsbranche: Überall ziehen die Unternehmensberater mit dem Rasenmäher durch die Redaktionen, um teure Stellen einzusparen und das US-amerikanische »newsdesk«-System einzuführen. Die Zeitungen wird das nicht retten: Es wird Qualität gespart, weil immer weniger Zeitung gelesen wird; weil immer mehr Qualität gespart wird, wird immer weniger Zeitung gelesen usw. usf. …

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      Großer ver.di-Tamtam vor dem MZ-Haus am Roggenmarkt. Gebracht hat‘s nix. Aber langfristig sind die Printmedien sowieso nicht zu retten.

      In dieser Woche im Jahr 1865 …

      … starb Clemens von Bönninghausen.

      Bönninghausen wurde in Holland geboren, ging in Münster zur Schule, studierte wieder in Holland, kam wieder zurück nach Münster und wurde Leiter des Botanischen Gartens. 1827 bekam er Lungentuberkulose und wurde von den Ärzten aufgegeben. Ein Freund heilte ihn mit Homöopathie. Davon begeistert, ging Bönninghausen beim Entdecker der Homöopathie, Samuel Hahnemann, in die Lehre und entwickelte die Heilkunde entscheidend weiter. In Münster behandelte er u. a. Annette von Droste-Hülshoff homöopathisch. Weil er kein Arzt war, bekam er dafür eine Ausnahmegenehmigung. Damit war Bönninghausen sozusagen der erste homöopathische Heilpraktiker. Außerdem war er der einzige Münsteraner mit eigenem Stadttor: Wenn Bönninghausen jeden Dienstag vom Adligen Billardclub nach Hause kam, war das Stadttor oft schon zu. Also kaufte er ein Grundstück an der Promenade (am Servatiiplatz), um dort ein selbst entworfenes Haus mit eigenem Ausgang zur Außenseite der Stadtgrenze zu bauen. Seine Baupläne wurden nicht genehmigt, weil er kein Architekt war. Also studierte er in Berlin auch noch flugs Architektur, kam mit Diplom zurück und durfte sein Haus bauen. 1867 starb er. Ausgerechnet ein Homöopath aus Indien wies 120 Jahre später darauf hin, dass es in Münster kein Denkmal für Bönninghausen gebe. Deshalb stiftete der Verein homöopathischer Ärzte in Nordrhein-Westfalen schließlich eins auf dem Hörsterfriedhof. 2005 wurde es eingeweiht.

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      Homöopathie wirkt nach Bönninghausen auch bei Schnupfen. Nur leider bei seinem Denkmal auf dem Hörsterfriedhof nicht … (siehe Pfeil)

      In dieser Woche im Jahr 1977 …

      … wurden Snoeks Entführer gefasst.

      Es begann drei Monate zuvor: Olympiareiter und RATIO-Erbe Hendrik Snoek wurde nachts aus seiner Wohnung Dürerstraße/Ecke Nordstraße im Kreuzviertel brutal entführt, in die Tiefgarage gezerrt und in ein Auto gestopft. Die beiden Gangster fuhren Snoek nach Hessen und ketteten ihn in einem Hohlraum in der Ambach-Talbrücke der A45 bei Herborn an. In einem geparkten Auto in der Wilhelmstraße fand die Familie Instruktionen

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