Münster - Jede Woche hat ihre Geschichten. Carsten Krystofiak

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trotzdem eine Rede halten. Als klar wurde, dass diese eine Abrechnung werden würde, lud man ihn aus, aber die Rede erschien darauf in der FAZ, und ließ Banker und Politiker ziemlich alt aussehen. Das verzeihen sie ihm nie! Poullain lebt bis heute in Münster.

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      Ludwig Poullain rechnete gnadenlos mit der Inkompetenz von Politikern und Funktionären ab – das wurde ihm zum Verhängnis …

      In dieser Woche im Jahr 1992 …

      … verklagte Steffi Stephan Jürgen Kehrer.

      Um Weihnachten 1991 veröffentlichte Jürgen Kehrer seinen zweiten Münster-Krimi »In alter Freundschaft«. Der Fiesling der Story ist ein ganz mieser Typ: Kehrer beschreibt ihn als münsterschen Discobesitzer, der gerne Stirnbänder trägt, früher mal Rockmusiker war und manchmal »einen alternden Rockopa« auf Tourneen begleitet. An der Steinfurter Straße (wo zu jener Zeit das Jovel war) betreibt der Krimi-Gangster einen Konzertladen »mit dem Charme eines Schwimmbades«. Zufall: Neben dem alten Jovel war das Spaßbad Germania-Therme. Jeder phantasiebegabte Münsteraner konnte in dieser Figur den realen Steffi Stephan erkennen. Das tat auch die Frau des damaligen Oberbürgermeisters Twenhöven, als sie das Buch las. Von seinem »Kumpel Twenny«, wie Stephan den OB zu nennen pflegte, wurde er auf die peinliche Ähnlichkeit aufmerksam gemacht. Weil es in dem Roman um üblen Kindesmissbrauch geht, war Stephan eine Entschuldigung Kehrers zu wenig: Er klagte auf Vertriebsverbot und 20.000 DM Schmerzensgeld. Münsters Landgericht hatte also die Frage zu klären, ob Kehrer nachweislich Stephan gemeint hatte. Das war gar nicht so einfach, denn die mutmaßlich wohlkalkulierten Anspielungen standen eher zwischen den Zeilen als schwarz auf weiß. Darum war es für Kehrer ein Leichtes, den Ärger Stephans ins Leere laufen zu lassen. Das Gericht konnte denn auch keine Ähnlichkeit feststellen und entschied für Kehrer. Der Presserummel um den Promi-Streit zog sich mehrere Wochen hin und bescherte dem Buch eine unterhaltsame und kostenlose PR, die sich auch in hohen Verkaufszahlen niederschlug.

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      Marketing-Schlaufuchs Kehrer hat natürlich bei seinem Krimi-Fiesling niiiie an Steffi Stephan gedacht. Das Gegenteil war nicht zu beweisen.

      In dieser Woche im Jahr 1852 ...

      … schoss von Vincke auf Bismarck.

      Nach Studium und Wehrdienst bekam Georg von Vincke einen Job als Referendar am Oberlandesgericht Münster. Der junge Mann hatte die besten Empfehlungen: Sein alter Herr war Ludwig von Vincke. Der hatte es als Nachfolger des Freiherrn vom Stein zum Regierungspräsidenten des Bezirks Münster und zum Oberpräsidenten der preußischen Provinz Westfalen gebracht. Als Anhänger des Reformerkreises um Stein kümmerte er sich vor allem um den Ausbau der Infrastruktur der Agrarregion Westfalen, um die Zeichen der Zukunft auf Industrialisierung zu stellen. Filius Vincke folgte seinem alten Herrn in die Politik und wurde als Abgeordneter in den Westfälischen Provinziallandtag gewählt. Nach der studentischen Vormärz-Revolution wurde er sogar Delegierter für den westfälischen Wahlkreis in der neuen Frankfurter Nationalversammlung. Dort vertrat Vincke eine liberal-konservative Einstellung. Nachdem aus der Nationalversammlung nichts wurde, saß er im Preußischen Landtag. Dort rumpelte er mit Bismarck aneinander. Bei einem Streit über Militärausgaben blaffte Vincke, Bismarcks einzige Kompetenz sei das Zigarrequalmen; Bismarck kläffte zurück, Vinckes Eltern hätten ihm wohl keine Manieren beigebracht. Darauf forderte Vincke Bismarck zum Pistolenduell mit vier Schüssen. Der illegale Zweikampf wurde im Morgengrauen im Wald ausgetragen. Schiedsrichter Bodelschwingh (!) überredete die Hitzköpfe, statt vier Schüsse nur jeder einen abzugeben. Beide Kontrahenten schossen daneben. Wie wäre die deutsche Geschichte wohl verlaufen, wenn einer getroffen hätte? Vincke starb 23 Jahre später an einem Schlaganfall.

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      Bei vier Schüssen wäre Bismarck entweder als Vorbestrafter kein Minister geworden oder hätte überhaupt kein Amt mehr übernommen …

      In dieser Woche im Jahr 1948 …

      … eröffnete das Apollo-Kino am Marienplatz.

      Das Apollo war eines von fünf (!) Kinos in der zentralen Innenstadt. In dem großen Saal mit edlem Ambiente und der großen Balkonloge liefen die Publikumserfolge der Nachkriegszeit. Doch schon drei Jahre später erlebte das Apollo einen Skandal: Eine Szene in dem deutschen Film »Die Sünderin«, in der man für wenige Sekunden Hildegard Knef im Bildhintergrund verschwommen nackt erahnen kann, war der Aufreger des Jahres 1951! Religiöse Fundamentalisten demonstrierten wie im ganzen Land auch in Münster gegen die Vorführung des nach ihrer Ansicht unmoralischen Streifens. Der Protest nahm krasse Formen an: Manche Münsteraner ließen sich auch von der ständigen Belagerung des Kinoeingangs mit Transparenten und aggressivem Geschubse nicht vom Besuch des Films abhalten. Darum griffen die Sittenwächter zur Kelle und mauerten die Tür des Apollo über Nacht zu. Die Wand wurde am nächsten Tag jedoch wieder aufgestemmt … 2000 wurde das Apollo neben dem Fürstenhof und Kino Stadt New York (vorher Schauburg) zugunsten des neuen Cineplex aufgegeben. Viele Münsteraner fanden das schade, mussten aber einsehen, dass es dazu keine Alternative gab. Nur weil Münsters Kino-Monopolist Felix Esch anderen Konkurrenten zuvorkam und selbst ein Großkino eröffnete, konnte er einen Verdrängungswettkampf um Münsters begehrten Kinomarkt verhindern und damit wenigstens das Schloßtheater als Spartenkino retten. Die Stadt unterstützte Eschs Strategie und garantierte ein Zuzugsverbot für auswärtige Multiplex-Betreiber. Das Apollo fand eine geeignete Nutzung als Kaufhaus für Titus-Skatewear. Immerhin besser als Discounter-Kette.

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      Aufreger für Anstands-Ayatollahs: Wegen ein paar Sekunden hüllenloser Hilde mauerten Fanatiker den Eingang zum Apollo-Kino zu.

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