Der Ausweg. Gundolf S. Freyermuth

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Der Ausweg - Gundolf S. Freyermuth

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      Karin Block stand auf, und für einen Augenblick tanzte vor Paps' Augen die Großaufnahme ihrer Scham: ein dichter Wald schwarzer Haare, der alles, was dahinter lag, kaum ahnen ließ. Paps bevorzugte blonde Varianten, deren helles, meist dünnes Haar das blutrote Ziel seiner Wünsche weniger verbarg.

      Mamma war blond, dort unten jedenfalls noch. Aber sie war nicht mehr das Ziel seiner Wünsche; nicht, wenn sie, wie sie es manchmal tat, nackt auf den Balkon trat, um ihre quadratische durchtrainierte Gestalt der Sonne und seinen Blicken preiszugeben.

      Karin Block hatte sich in ihren Morgenmantel aus aschgrauer Seide gehüllt und ging ins Haus. Dolores, die zweite Hausangestellte, eine große füllige Samoanerin von Anfang Zwanzig, deren einziger Schmuck ihre Fettringe waren, kam ihr mit einem verchromten Rollwagen entgegen. Die beiden Dienstboten deckten den Tisch in der Essecke zu einem opulenten Frühstück.

      Der Bonneville hatte, fast grau vor Staub, die Schranke erreicht und hielt neben dem Pfeiler mit der Gegensprechanlage. Durch das Fernglas war in dem offenen Seitenfenster Brauchangens Gesicht deutlich zu erkennen. Er kam allein.

      Das Telefon neben Paps stieß sein widerliches elektronisches Gewimmer aus. Er schob den Schalter auf „On“ und sagte artig:

      „Willkommen, Herr Professor.“

      Dann drückte er die „#“-Taste und eine Zahlenkombination.

      Das eiserne Gitter der Absperrung rollte geräuschlos beiseite. Die Limousine beschleunigte und fuhr die Auffahrt hinauf, ohne dass der Mann hinter dem Steuer den Alten in der Hollywoodschaukel eines Blickes gewürdigt hätte.

      Dolores öffnete die Tür. Obwohl der Bonneville nicht gerade zu den kleinsten Wagen gehörte, hatte sein Fahrer einige Probleme, sich hinter dem Lenkrad hervorzuschrauben. Professor von Brauchangen war ein plumper Hüne mit einem ungeheuren Bierbauch, fast zwei Meter groß und über zwei Zentner schwer, und er steckte in einem schlecht sitzenden grauen Einreiher, der sein ungeschlachtes Äußeres noch betonte. In keinem unpassenderen Aufzug hätte der Schatzmeister der Berliner CDU unter die kalifornische Sonne treten können. Neben ihm verwandelte sich die stämmige Dolores in eine elfenzarte Liliputanerin.

      Paps sah wieder hinüber zu der Terrasse. Der Tisch war inzwischen fertig gedeckt. Lupina kam und brachte den Kaffee. Paps legte den Feldstecher beiseite und setzte den Kopfhörer des Walkman auf. Er schaltete das Radio ein und drehte an der Skala, bis er die Schritte des Dienstmädchens hörte.

      Zufrieden lehnte er sich in seiner Hollywoodschaukel zurück und schloss die Augen. Von Ferne näherten sich Stimmen. Paps tastete nach dem Walkman in seinem Schoß und drückte den Aufnahmeknopf.

      „... ungewöhnlich gut“, sagte von Brauchangen. Er berlinerte leicht, weniger in der Aussprache der Worte als im knarrenden Tonfall. Karin Block und ihr Gast betraten die Terrasse.

      „... jedenfalls für diese Jahreszeit. Ahh ... natürlich kein Vergleich mit dem Wetter, das Sie hier haben.“

      Paps konnte sich die Gesten vorstellen, mit denen der pompöse Professor seine Worte begleitete. Die Schritte, von Brauchangens schweres Bollern und das harte Klacken der hohen Absätze, die Karin Block trug, entfernten sich wieder von der geschützten Essecke, in deren Blumenbeet das Sendemikrophon steckte.

      „Diese Stille, diese himmlische Ruhe! Und diese Aussicht! Wunderbar!“

      Professor von Brauchangen schnaufte, als wollte er die wunderbare Stille und die wunderbare Aussicht durch die riesigen Löcher seiner Nase einsaugen.

      „Ja“, sagte Karin Block, „wenn man hier ist, könnte man die Welt vergessen.“ Ihre Stimme war befangen. „Leider existiert der Alltag außerhalb dieses Paradieses weiter. Mit einem Haufen von Problemen und viel Ärger.“

      Die Schritte der beiden näherten sich wieder dem Sendemikrophon. Stühle wurden gerückt. Eine dritte Person kam auf die Terrasse.

      „Thank you, Lupina“, sagte Karin Block, „we’re fine.“

      Lupina schlurfte davon.

      Paps öffnete die Augen. Die Gesichter der beiden Personen an dem Tisch unter den drei kleinen Palmen konnte er aus dieser Entfernung ohne Fernglas nicht erkennen. Aber er sah, dass Karin Block sich für von Brauchangen in Schale geworfen hatte. Anstelle der ausgewaschenen Jeans, in denen sie vor zwei Tagen den devoten Trupp von Bevollmächtigten, Rechtsanwälten und Vorständen empfangen hatte, trug sie heute ein dunkelgraues Schneiderkostüm, wahrscheinlich das mit den feinen hellblauen Nadelstreifen.

      Paps lehnte sich zurück, ließ die Schaukel ein wenig heftiger quietschen und schloss wieder die Augen.

      „Ja“, sagte Professor von Brauchangen in einem philosophischen Tonfall, dessen Wirkung erheblich durch knatschendes Kauen gestört wurde, „die Welt draußen dreht sich weiter; und leider nicht immer so, wie wir es gerne hätten.“

      Karin Block schwieg so demonstrativ, dass Paps die Peinlichkeit zu hören meinte.

      „Ach, ehe ich es vergesse“, sagte von Brauchangen verlegen, „der Kanzler lässt sie grüßen und bedankt sich recht herzlich für die kleine Aufmerksamkeit, die Sie ihm ... Na ja, Sie wissen schon. Es hat ihm wirklich gefallen.“

      Schweigen. Vermutlich hatte Karin Block nur genickt und still gelächelt. Besteck klapperte.

      „Und selbstverständlich haben wir Ihnen auch für Ihren jüngsten Beitrag zu danken, mit dem Sie die Arbeit des ‚Euro-Vereins‘ unterstützt haben. Kam angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen natürlich wie gerufen ...“

      „Aber ich bitte Sie“, sagte Karin Block mit sehr viel Nachdruck, „das ist doch selbstverständlich. Das hat ja schon, wie soll ich sagen ...” Sie lachte kurz auf: „...Tradition.“

      Etwas war im Busche, etwas Besonderes, daran konnte es keinen Zweifel mehr geben. In dem Gedanken an das Geld, das er für dieses Tonband erhalten würde, schnalzte Paps unwillkürlich mit den Lippen.

      *

      Wieder das leise elektronische Piepen. Am liebsten hätte Harry Mann das dicke Handbuch in den Bildschirm geschmissen; oder besser noch, den Computer zum Fenster hinaus in den schäbigen Hinterhof. Weitere zwanzig Minuten hatten sich in Nichts aufgelöst. Es war höchste Zeit zu den Kellings aufzubrechen. Ein Tag mehr vertan. Gerade noch die Minuten für einen würdigen Abgang blieben.

      Einer plötzlichen Eingebung folgend, klickte er einen neuen Befehlsknopf herbei, gab ihm den absurden Namen „Existenzfrage!“, öffnete das Feld des Programm-Scripts und tippte zwischen „on mouseUp“ und „end mouseUp“:

      beep 5

      answer

      Dahinter setzte er die Frage aller Fragen und eine Auswahl möglicher Antworten und Reaktionen:

      with "Weiß nicht" or "Ja" or "Verpiss dich"

      if it is "Ja" then send "doMenu Quit HC" to HC

      else repeat until it = "Ja"

      answer "Na los doch, Feigling!" with "Weiß nicht" or "Verpiss dich"

      if it is "Ja" then send "doMenu Quit HC" to HC

      else beep 2

      end

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